|
(Fortsetzung von Seite 15)
"Ach zu Lord André, so so
und warum sollte ich dich
dahinlassen, Kerl? André hat weitaus besseres zu tun als sich mit
herbeigelaufenen Landstreichern abzugeben. Schau dir deine Lumpen doch
mal an!" Und bei dem letzten Satz hob sein Gegenüber merklich
die Stimme, was ein allgemeines Gelächter zur Folge hatte welches
wie Donner im Innenhof widerhallte.
Seraphin musterte den Gardler kühl, dann setzte er zu einer Antwort
an. "Nun, Hauptmann, oder welchen Rang ihr auch immer bekleidet und
der euch dazu berechtigt andere Männer unter euch herumzuschubsen
und ihnen Befehle zu erteilen; ich unterstehe nicht eurem Wort also zügelt
eure Zunge oder habt ihr nie die Regeln der Gastfreundschaft oder zumindest
des Respekts vor Anderen erklärt bekommen?"
Das war dumm. Dieser Satz konnte ihm alles vermasseln und Seraphin wusste
es noch bevor er ihn ausgesprochen hatte. Doch er würde ihn weder
zurücknehmen noch zu einer geheuchelten Entschuldigung ansetzen.
Gespannt beobachtete er wie sich etwas in den Zügen des Gardlers
veränderte, sich eine Spur Hass in seine Augen schlich und langsam
auf seine Züge übergriff. Doch dann hatte er sich wieder in
der Gewalt. "Sein Büro ist dort drüben," entgegnete
er kalt, "
er wird sich sicher freuen euch als Gast bei sich
zu wissen
" Er bekräftigte seine Worte mit einem schönen,
festen Klumpen der appetitlich hochgezogen wurde, dann mit einer atemberaubendem
Geschwindigkeit aus seinem Mund schoss und sich schließlich mit
einem Ekel erregenden Geräusch auf dem Kopfsteinpflaster direkt vor
Seraphins Füßen einfand. Dann machte er den Weg frei aber noch
während der Schwarzmagier an ihm vorbeischritt murmelte der Gardler
noch "Hoffentlich weißt du auch wie man sich als Gast benimmt,
Klugscheißer
".
Dann war Seraphin an ihm vorbei und betrat das Büro des Lords. Andrè
stand hinter einem Pult und blätterte abwesende in irgendwelchen
Pergamenten, hob allerdings den Kopf als der Schwarzmagier eintrat. "Was
wünscht ihr?", entgegnete der Lord schon wesentlich höflicher
als sein Kamerad im Innenhof. "Ich hörte ihr habt gefangene
Schwarzmagier in euren Zellen. Ich habe noch nie welche gesehen, wenn
es euch nichts ausmacht würde ich sie mir gerne mal angucken. Denn
hier bin ich ja vor ihnen geschützt, solange ein Trupp der starken
Garde direkt um mich herum weilt
" erwiderte Seraphin in einem
schmeichelhaften Ton. Sicherlich hätte das besser gezogen wenn er
ein junges hübsches Mädchen gewesen wäre, aber die Bewunderung
anderer Leute war allgemein gerne gesehen. Einen Moment arbeitete es in
André's Gesicht, dann antwortete er. "Meinetwegen, ihr könnt
sie euch angucken. Aber seid auf der Hut, sie sind gefährlich. Man
weiß nie welche Tricks sie auf Lager haben. Geht dort durch den
Eingang, dahinter befinden sich die Zellen." Und mit diesen Worten
wandte er sich wieder seiner Arbeit zu.
Zufrieden schritt Seraphin durch den Raum, lächelte noch einmal dankbar
und pflichtschuldig bevor er das Halbdunkel des Zellentraktes betrat.
Einen Moment sah er sich um. Der Wärter saß hinter seinem Schreibtisch
und warf ihm nur kurz einen Blick zu, bevor er den Kopf wieder senkte.
Angespannt lief Seraphin an den Gitterstäben entlang und schließlich
fand er was er suchte. Seine Augen weiteten sich erschrocken, dann beherrschte
er sich und flüsterte unmerklich, so leise er konnte
"Rhodgar..."
Rhodgar
"eraphin,
na endlich, man wo bleibst du denn?"
Rhodgar versuchte, ein vorwurfsvolles Gesicht zu machen, was aber zwangsläufig
in ein erleichtertes Lächeln über ging. Endlich war sein Freund
gekommen, und quasi synonym kehrte auch wieder die Hoffnung zum Schwarzmagier
zurück, langsam, Stückchenweise, je näher Seraphin seiner
Zelle kam.
"Hier, mach schnell. Die Schlösser sind rostig, es dürfte
dir ein leichtes sein, sie irgendwie aufzukriegen. Hurtig, spute dich,
sonst sind wir dem Untergang geweiht. Ist sonst noch jemand da?"
Sein Freund aber bedeutete ihm zu schweigen, während er auf ihn
zugeschritten kam, sich immer wieder nach hinten umblickend. Er nestelte
an seiner Robentasche herum, und holte schließlich... die Rune!
Er kramte die Rune hervor, die Rhodgar dem Fremden mitgegeben hatte,
und reichte sie dem Eingekerkerten durch die Gitterstäbe hindurch.
Seraphin
ut,
die Rune hatte er wieder und somit war er ein gutes Stück gefährlicher
geworden, was ihnen bei ihrem Ausbruch nur behilflich sein konnte. Seraphin
merkte, wie eilig Rhodgar es hatte hier herauszukommen und irgendwie
verstand er ihn. Doch heute war noch nicht der Tag dafür, so gerne
er es auch gehabt hätte. "Nein, heute noch nicht. Wie stellst
du dir das vor, einfach mal eben an 50 Milizen vorbei hieraus marschieren?
Wir holen euch, das ist versprochen. Liegt irgendetwas gegen euch vor,
wollen sie euch bei nächster Gelegenheit aufknüpfen?",
flüsterte Seraphin hektisch. "Uns geht es gut und sie haben
auch nichts vor. Aber wenn ich ehrlich sein soll habe ich keine Lust
länger als nötig in diesem Drecksloch zu verweilen..."
gab Rhodgar leise zu verstehen. "Ich weiß", erwiderte
Seraphin. "Wir holen euch, versprochen, aber geduldet euch noch
ein wenig. Wir müssen uns vorbereiten, wenn es schief läuft
teilen wir uns nachher zu fünft die Zelle... und vielleicht den
Strick." Bei dem letzten Satz fuhr sein Freund unmerklich zusammen,
aber es entging Seraphin nicht. Ein wenig schuldbewusst nickte Rhodgar
ihm zu.
Seraphin lächelte aufmunternd zurück, nickte noch einmal und
verschwand endgültig aus dem Blickfeld des Schwarzmagiers. Zwei
Schritte weiter und er stand vor Rena's Zelle. Der Wächter hob
kurz den Kopf und Seraphin schaute scheinbar angewidert auf die schwarzgewandete
Frau hinab. Nachdem der Gardler seinen Blick wieder senkte änderte
sich auch der Ausdruck in Seraphins Augen zu warmer Freundschaft. "Wie
geht's dir?" flüsterte er leise...
Renata
as
frische Wasser tat gut, seit sie im Kerker saßen das erste mal
geruchsfreies, geschmacksneutrales und leidlich kühles Wasser.
Hmm. Renata sandte dem Mädchen gerade ein paar freundliche Gedanken
hinterher, als sich wieder Schritte näherten. Andere, erwachsenere
Schritte. Aber verhaltener als die eines Gardisten, so wie jemand, der
sich noch nicht auskennt.
Ehe sie sich über den Besucheransturm wundern konnte, hörte
sie wieder Flüstern auf dem Gang vor den Zellen. Die Stimme war
ihr vertraut, ja, ja sie kannte sie sehr gut. Der Tag schien entschieden
besser zu enden, als er angefangen hatte. Schon stand Seraphin vor ihrer
Tür und guckte erst etwas theatralisch böse, als er aber flüsterte
"Wie geht's dir?" waren seine Augen wieder ehrlich und die
des echten Freundes.
Durch die Zellengitter griff die Magierin Seraphins Hand und drückte
sie, bevor sie zurück flüsterte "Jetzt wieder gut. Wirklich.
Du hast was vor? Erzä
..". Weiter kam sie nicht, da der
Wärter wieder zu ihnen hinüber blickte. Gerade noch rechtzeitig
konnte sie Seras Hand loslassen und einen Schritt zurück ins Dunkel
der Zelle machen.
"Was glotzt du so?", fuhr sie Seraphin laut an, doch nur der
Angesprochene konnte sehen, dass sie ihm dabei zublinzelte.
Seraphin
eraphin
grinste innerlich. Sie konnte gut spielen. Doch langsam wurde es auffällig,
der Wärter guckte immer öfter. "Wir werden euch daraus
holen, sobald wie möglich. Versprochen. Und danach erzählt
ihr mir in Ruhe wie es dazu gekommen ist
" entgegnete Seraphin
leise, während er merkte wie der Wächter schon wieder hinsah
und sich langsam erhob. "
und überhaupt, was blaffst
du mich so an, du Hexe?! Du wirst hängen, das garantiere ich dir!
Ihr seid doch alle gleich, verdammte Teufelsbrut!", spie Seraphin
Renata noch entgegen und sah, wie sie im ersten Moment zurückschreckte,
aber dann verstand dass er so heftig werden musste um jeglichen Verdacht
gleich im Keim zu ersticken. Ein letztes Mal zwinkerte er ihr und Rhodgar
zu bevor er sich, scheinbar äußerst aufgebracht an den Wärter
wandte. "Seht euch bloß vor, diese Hexer verdrehen euch den
Kopf! Beliar anbeten, das sieht ihnen ähnlich. So ein Abschaum!"
Rena zischte noch einmal herrlich böse und rundete die Szene damit
perfekt ab, während Seraphin mit wehendem Mantel aus dem Zellentrakt
stürmte und in sich hineingrinste. Lord André sah irritiert
von seinem Pult auf, kam aber gar nicht erst dazu den Schwarzmagier
anzusprechen bevor dieser aus dem Büro und über dem Innenhof
Richtung Treppe schritt. Erst als er die Hälfte der Stufen bewältigt
hatte löste sich die Anspannung und wich einer tiefen Zufriedenheit.
Seinen Freunden ging es gut, das zählte. Und wenn alles klappte
wären sie schon bald wieder frei und die Garde würde ihr blaues
Wunder erleben. Falls sie es vermasselten
nun ja, dann konnte
ihnen wohl nur noch Beliar persönlich helfen. Doch sie würden
es schaffen, auch wenn es nahe zu verrückt anmutete, es musste
einfach klappen.
Mit diesen Gedanken überquerte Seraphin schließlich die Händlergasse
und betrat den "Schlafenden Geldsack". Ein kurzer Gruß
an die freundliche Hausdame, welche ja gar nicht ahnen konnte was für
ein Trubel hier bald herrschen würde, dann stieg er nach oben und
suchte sich ein freies Bett. Er meinte Ray und Igor Vectrex irgendwo
im Halbdunkel liegen zu sehen, war sich aber nicht sicher. Spätestens
morgen würde er ihnen ja erzählen können was passiert
war. Sie musste aufpassen und durften niemanden verletzen solange sie
nicht ernsthaft in Gefahr waren, soviel war klar. Außerdem mussten
sie es schaffen heile aus der Stadt zu fliehen und zu warten bis Gras
über die ganze Sache gewachsen war. Aber es würde schon klappen.
Damals hatten Rhodgar und er schon mal jemandem vor über einhundert
Zeugen vor dem Tod gerettet, da würde ihnen das jetzt auch gelingen.
Zufrieden räkelte sich Seraphin in die frischen Laken und die Müdigkeit
fiel plötzlich wie ein ausgehungertes Tier über seinen Körper
her. Nur wenige Augenblicke später war er im Reich der Träume
versunken
Rhodgar
s war
als spiele das Licht eine riesige Schachpartie gegen die Dunkelheit.
Man selbst war nur eine der Figuren, die in strategisch durchdachten
und extravaganten Zügen über das Spielfeld Welt geschickt
wurden. Die Anarchisten, welche mordend durch das Land zogen und auf
nichts weiter aus waren als Chaos und Zerstörung, sie würden
die schwarzen Bauern stellen. Die bizarre erste Angriffsflut, nicht
wertvoll genug um sie wirklich bis zum finalen Showdown aufzusparen.
Nach und nach fielen diese einfachen Statuetten, bis sich das Spiel
dem Höhepunkt nähert, eingeleitet vom Ausschwärmen der
Springer, Läufer und Türme.
Nun war es allerdings der Fall, dass ein Springer und ein Läufer
bedrohlich von den gegnerischen Figuren eingekesselt worden war. Auf
Messers Schneide stand die Situation, die nächsten Spielzüge
könnten darüber entscheiden, ob die beiden schwarzen Figuren
noch einmal aus diesem Schlamassel entkommen würden, ob es an den
Weißen wäre, sie endgültig vom Spielfeld zu verbannen.
Oder würden sie aber Unterstützung durch andere Geschöpfe
der Dunkelheit bekommen, die ihre Kameraden nicht ohne Hilfe verweilen
lassen wollten? Ausgeklügeltes taktisches Denken war hier gefragt,
blind mit der Brechstange auf die Verteidigung des Gegenspielers aufzulaufen
wäre das Dümmste, was zu tun war, sonst würden anstatt
nur zwei bald noch mehr Figuren ihren Weg vom Spielfeld finden.
Die ersten Vorbereitungen waren ja bereits getroffen. Mit dem Wiedersehen
am Vorabend hatten die Nachgerückten den Bedrohten signalisiert,
nur noch eine kleine Weile in dieser prekären Lage verharren zu
müssen, denn dann würden sie ihren gedachten Plan in die Tat
umsetzen.
Eine der beiden Figuren, die es sich anzurechnen hatten nun in der Verteidigung
des Gegners fest zu sitzen, schaute mit missbilligen Blicken den Wärter
an, der, die Füße auf seinen kleinen Schreibtisch gelegt,
mit einem lauten Rülpser vernehmen ließ, dass ihm das Bier
welches er zum Hinunterspülen der saftigen Fleischkeulen benutzt
hatte, gemundet hatte. Mit einem hämischen Grinsen im Gesicht schaute
er den Schwarzmagier an meinte, es dürfte wohl nicht mehr lange
dauern, bis er sie, die beiden Rabenmenschen, endlich hängen sehen
könnte.
"Ist das so?", entgegnete Rhodgar ihm gespielt lustlos, wusste
er im Inneren aber, dass es dazu nicht kommen würde. Nicht kommen
könnte. Nicht kommen durfte.
"Oh ja, Lumpengesindel. Abschaum wie ihr seit des Lebens Geschenk
nicht länger würdig, seit dem Moment in dem ihr eure Seelen
verlort. Seit dem Augenblick in dem ihr euch dieses Kostüm übergestreift
habt und euren Missglauben somit öffentlich gemacht habt, seitdem
seid ihr des Todes. So oder so."
Erstaunlich, dachte Rhodgar. Seit er also die ihm von einem Dämonen
überreichte Robe anhatte war er also ein Verlorener? Höchst
interessant, diesem Irrglauben mal ein wenig zu lauschen. Innerlich
grinsend versuchte er, den enthusiastisch hin und her gestikulierenden
Mann noch weiter anzustacheln.
"Schon einmal darüber nachgedacht, dass ich ein Teil dessen
bin, woran ihr so fanatisch glaubt? Die Herrlichkeit..." Das Wort
sprach er gekonnt überzogen und voller Ironie aus. "... deines
Gottes kann nur mit dem existieren, was ihr ablehnt. Ohne Tod kann kein
Leben sein. Das ist nun einmal so und das werdet ihr akzeptieren müssen."
Der Stuhl krachte, der Schreibtisch wackelte, der Becher mit Bier kippte
zur Seite hin weg und der Inhalt wurde über den kalten modernden
Boden des Kerkers verschüttet. Urplötzlich war der Soldat
aufgesprungen und hechtete nun auf die Gitterstäbe zu, die ihn
von diesem frechen, ungläubigen, niederträchtigen, verdorbenen
und miserablen Subjekt trennten. Rhodgar trat ebenfalls ganz nahe an
die Eisenstäbe heran, sodass sich ihre Gesichter beinahe berührten.
Auge in Auge standen sie sich nun gegenüber, allerdings sagte niemand
der beiden etwas. Jeder wartete auf den ersten Schritt des anderen,
auf den finalen Fehler. War da ein Knistern in der Luft zu hören?
Bestimmt nicht ausgeschlossen bei der Spannung, die die beiden nun umgab.
Eine Minute verstrich. Zwei Minuten. Und noch immer sagte keiner etwas.
Vielleicht aus Stolz, vielleicht aber auch weil die richtigen Worte
für diese Situation einfach nicht gefunden wurden. Dann geschah
es. Der Soldat atmete einmal tief durch die Nase ein, und durch den
Mund wieder aus.
"Buäh, du hast Mundgeruch, weißt du das?"
Verschreckt aufgrund des beißenden Gestanks welcher sich jetzt
in seiner Nase festklammerte, machte er ein paar Schritte rückwärts
und wedelte symbolisch mit der flachen Hand vor seiner Nase umher. Das
war dann wohl etwas zu viel des Guten gewesen. Vielleicht war es das,
was die größte Schwäche des Schwarzmagus war. Selbst
in einer solch angespannten und ernsten Lage konnte er nicht wirklich
auf sein Mundwerk Acht geben, vom Ernstbleiben mal ganz zu schweigen.
"Das hat Konsequenzen, du Teufel. Die Zeit da du dich das Geschenk
Innos´ besitzend zählen durftest, ist bald vorbei."
Was sollte das bitteschön jetzt so plötzlich heißen?
Dieser Kerl hatte nun einmal übelsten Mundgeruch, Rhodgar war nur
ehrlich. Und war das nicht auch eine der Eigenarten eines Menschen,
die Innos ganz besonders gerne sah?
"LORD ANDRÉ!"
Die Augen zu schmalen Schlitzen verengt musste der Schwarzmagier mit
ansehen, wie der Mann aus dem Raum ging und sich bei dem Paladin zu
melden schien. Er konnte ein paar Worte aufschnappen und meinte daraus
verstehen zu können, dass der Mann die sofortige Exekution seiner
Wenigkeit forderte.
Seraphin, wo bleibst du nur? dachte er entsetzt.
|
|
Seraphin
eraphin
wachte auf als ihm etwas kaltes, Nasses ins Gesicht spritzte. Einen
Moment schaute er sich etwas irritiert um, bis er Ray's Gesicht erkannte.
Der Lehrling schaute ihn etwas vorwurfsvoll an. "Wie kannst Du
nur so seelenruhig schlafen wo es doch heute losgeht?" bemerkte
er anklagend. Seraphin streckte sich erst mal ausgiebig bevor er zu
einer Antwort ansetzte. "Ein müder Krieger kämpft nicht
gut." gab er neunmalklug zurück, obwohl er sich selbst wohl
kaum als richtigen Krieger bezeichnen konnte. Trotzdem fand er den Vergleich
zumindest ansatzweise passend. Ray verdrehte allerdings nur spöttisch
die Augen und Seraphin schmunzelte. Mit einem Ruck erhob sich der Schwarzmagier
und schöpfte sich eine zweite Ladung kalten Wassers ins Gesicht
um endgültig wach zu werden.
Ray richtete inzwischen erneut das Wort an ihn. "Nun, wenn es dir
nichts ausmacht würde ich mich gerne an der zweiten Spruchrolle
versuchen? Ich denke ich werde es schon schaffen, schließlich
bin ich Lehrling im Kastell und hoffe somit zumindest eine Spur magischen
Könnens in mir zu tragen. Also wie sieht es aus?" Seraphin
überlegte einen Moment, dann nickte er. "Ich wüsste auch
nichts was dagegen sprechen sollte. Also wenn du es dir zutraust, hier
ist die Spruchrolle." Mit diesen Worten zog der Schwarzmagier eins
der beiden Pergament unter dem Mantel hervor und überreichte es
Ray. "Aber gehe vorsichtig damit um, sobald du den Golem beherrscht
hast du gleichzeitig eine enorme Macht. Wir wollen niemanden töten
der keine unmittelbare Gefahr für uns bedeutet, nur ein bisschen
Unruhe stiften." Seraphin schaute eindringlich in die Augen des
Lehrlings und Zufriedenheit machte sich in ihm breit, als Ray ernst
nickte. "Gut, dann würde ich sagen, heute schlagen wir los.
Allerdings sollten wir noch warten bis die anderen da und vor allem
wach sind, um alles genau durchzusprechen. Wenn uns auch nur ein Fehler
unterläuft, kann das den Tod für alle Beteiligten bedeuten."
Einen Moment wurde es still und nur das Lärmen der Händler
drang durch die geöffneten Fenster an ihre Ohren. Dann grinste
Seraphin plötzlich aufmunternd.
"Das wird ein Spaß
"
Ray
"anke
für Euer Vertrauen, Seraphin. Ihr habt Recht: Es wird wahrhaft
ein Spaß werden!"
Rays Augen glühten vor Eifer, als er die Spruchrolle in seiner
Robe verstaute. Sein Glück, dass er diesen Part übernehmen
konnte, denn mit seiner Robe würde man ihn sofort als Schwarzmagus
einstufen und der Plan könnte platzen.
"Gut. Wir treffen uns in ungefähr drei Stunden vor dem Osttor,
um uns zu besprechen. Dort kann uns keiner hören! Ich sage den
anderen Bescheid, du sagst es noch Ceron, der auf der Lauer liegt."
schloss Seraphin.
Ray ging nach unten und verlangte nach Feder und Pergament. Er kritzelte
eine kurze Nachricht für Ceron:
Dann ging er nach draußen.
Ray beschloss, den Nachmittag in der Händlergasse zuzubringen.
Es war nicht uninteressant, dort herumzugehen und den Händlern,
den Käufern und all den seltsamen Gesellen der Stadt zuzusehen.
Doch jetzt steuerte er zielbewusst eine schattige Ecke an und warf einen
Stein nach oben auf das Dach. Um diesen Stein war der Zettel gewickelt,
den er im Gasthof noch schnell gekritzelt hatte.
Ein gedämpfter Schmerzensschrei machte ihm klar, dass Ceron die
Nachricht erhalten haben musste.
Dann ging Ray ein wenig in der Stadt spazieren, bevor er zum Treffpunkt
aufbrach...
Ponder Stibbons
ald
war Ponder Stibbons des einsamen Streifens durch die finsteren Gänge
des Kastells überdrüssig. Das Warten auf Nachricht über
die Schwarzmagier und ihre Befreier fraß ihn innerlich auf. Ungeduld
breitete sich in ihm aus wie eine Bakterienkultur in einer wohlig warmen
Umgebung. Ziellos wanderte er durch die langen Korridore, hier einem
Geräusch nachgehend, dort einem seltsamen Anblick folgend.
Es waren auch Magier anderer Magien anwesend. Ein Feuermagier, Priester
Innos, war fast zeitgleich mit den beiden Bürgern im Kastell eingetroffen.
Auch ein Wassermagier sollte im Hause der Anhänger Beliars verweilen,
so hatte er gehört.
Er aß gerade im Refektorium als ihm durch den Kopf schoss, den
Magiern könne was passiert sein. Er sah seinen Freund schon neben
den anderen Robenträgern am Galgen baumeln, in seiner Mission gescheitert
und von der Stadtwache erwischt.
Er fasste den Plan, sich ein Bild von der Situation zu verschaffen und
seinen Freund zu retten. Als Held würde er wiederkehren, der Retter
von der Rettungsmission, der freudig in die Gemeinschaft des Kastells
aufgenommen würde. Er sah sich an der Spitze der Gruppe das Tor
durch schreiten, vom Jubel der Magier empfangen und vom Ruhm überschüttet
seine Karriere als Dämonenbeschwörer beginnend.
Seine Sachen waren schnell gepackt, es konnte ja sein, dass er für
die Planung der kühnen Tat noch länger in der Stadt verweilen
musste. Munter pfeifend legte er die Strecke zum Tor schnell zurück
und bald roch er wieder die Luft der Freiheit.
Seraphin
achdenklich
drehte Seraphin die beiden Dietriche in seiner Hand hin und her. Es
war gutes Material und der Händler hatte auch einen guten Preis
dafür verlangt. Aber wenn es um seine Freunde ging konnte er sich
garantiert keine übertriebene Sparsamkeit leisten, erstrecht nicht
bei ihrem Vorhaben. Einen Moment schlich sich der erste Anflug von Zweifel
in seine Gedanken aber er verscheuchte das Gefühl ärgerlich.
Es war längst zu spät, außerdem musste es sein, es gab
gar keine andere Möglichkeit. Sie hatten einen groben Plan, genaueres
würden sie gleich festlegen. Und ein weiteres Mal beruhigte er
sich damit, das die Idee so verrückt war das sie schon wieder klappen
könnte. Nicht könnte, würde. Ganz einfach.
Und irgendwie freute er sich schon darauf, endlich mal wieder ein kleines
Abenteuer. Seraphin grinste. Und diesmal ein sehr viel größeres
Publikum...
Trotz allem musste sie höllisch aufpassen, das Ganze war kein Spiel
und sie riskierten nicht nur ihr, sonder auch das Leben von Rhodgar
und Renata. Und bevor er ihnen durch irgendwelche kindliche Unachtsamkeit
schaden täte würde er lieber persönlich Beliar zum Kampf
herausfordern. Seraphin schaute einen Augenblick in den blauen Himmel
und genoss den Frühlingswind auf seinem Gesicht.
Langsam wurde es Zeit, die anderen würden schon vor dem Ost-Tor
auf ihn warten. Der Schwarzmagier beschleunigte seine Schritte und marschierte
durch die Händlergasse. Mit einem etwas mulmigen Gefühl, aber
auch einer gewissen Vorfreude schritt er gefasst an der Kaserne und
den diensthabenden Wachen vorbei. Er meinte ihre Blicke spüren
zu können und rechnete fast damit das sie ihn jetzt und hier festnehmen
und zu seinen Freunden sperren würden, aber nichts passierte. Der
Moment ging vorbei und Seraphin befand sich schon auf dem Weg aus der
Stadt. Er hielt sich rechts auf dem Weg, der zu dem Hof des Bauern Akil
führte und schon nach kurzer Zeit erblickte er die Anderen. Sie
hatten sich bei den Stufen zu dem angrenzenden Felderplateau eingefunden
und redeten geschäftig miteinander. Als Seraphin hinzu trat hoben
sie die Köpfe und grüßten ihn voller Tatendrang, während
er sich dazugesellte und selber dieses prickelnde Gefühl in seinem
Innersten genoss...
Ceron
in
ihm bekanntes Gesicht erschien am Plateausteg, es war Seraphin. Der
junge schien wohl einfach keine Gelassenheit zu kennen, wild drehte
er seinen Dietrich in den Händen. Dann sprach Ceron endlich, um
dem Schweigen ein Ende zu setzten. "Also, Lehrlinge, Bürger,
Schwarzmagier, wir haben uns hier versammelt um unsere Freunde aus den
Fängen der Rotröcke zu befreien, doch wir brauchen einen Plan.
Als erstes schlage ich vor, dass wir die benötigten Utensilien
verteilen. Hier" er warf die Bürgerkleidung in die Mitte "der
mit der auffälligsten Kleidung zieht sich bitte das über."
Dann blickte er zu Seraphin, er wartete auf den Moment, in dem dieser
ihm die Spruchrolle geben würde, das würde ein magischer Moment
sein, den er noch Jahre später seinen Urenkeln schildern würde.
Seraphin
rfreut
bemerkte Seraphin, das sie noch zwei Mitstreiter dazu gewonnen hatten.
Den einen kannte er schon von dem damaligen Sumpffest, erstaunlicherweise
war er jetzt sogar Lehrling im Kastell. Er hatte Ormus nur kurz gegrüßt,
zuerst mussten sie das hier hinter sich bringen. Den anderen hatte er
vorhin zum ersten Mal gesehen, er schien mit Deadreamer befreundet zu
sein, sein Name war Ponder und meinte ebenfalls helfen zu wollen. Umso
besser, nun waren sie ganze 6 Mann. Seraphin hatte Cerons kurzer Ansprache
gelauscht und gab ihm Recht. Schnell holte er die zweite Spruchrolle
hervor und drückte sie ihm in die Hände, dann wandte er sich
zu den Anderen und hob zu sprechen an.
"Nun, da wir alle endlich beisammen sind, sollten wir unser Vorgehen
genau absprechen. Denn wenn wir erst mal in der Stadt sind kommt alles
ganz darauf an, dass wir uns vertrauen können und jeder seine Aufgabe
erfüllt. Ich sage es noch mal, das Ganze wird ziemlich gefährlich,
wer hier aussteigen will hat die letzte Chance."
Einen Moment sah er sich um, doch niemand erhob die Stimme. Seraphin
nickte zufrieden.
"Gut, dann sind wir jetzt alle aufeinander angewiesen. Und ich
danke euch, das ihr mir bei diesem Unterfangen helft, ohne euch hätte
ich so gut wie keine Chance unsere gemeinsamen Freunde zu retten. Sie
werden es euch zu danken wissen, ganz sicher."
Ein freundliches, aber entschlossenes Grinsen zierte plötzlich
die Mienen der Anwesenden.
"Gut, hier ist also der Plan. Rhodgar und Rena werden in den Zellen
der Kaserne festgehalten, wie ihr euch sicher denken könnt. Allerdings
sind sie damit im Herz der Garde und viel zu gut bewacht, als dass ich
einfach da rein marschieren und die Zellentür knacken könnte.
Hier kommt ihr nämlich ins Spiel. Ich brauche eure Hilfe, um die
Garde lange genug abzulenken und sie zu befreien. Für diesen Zweck
werden wir uns der Magie Beliars bedienen..."
Er ließ die Worte einen Moment wirken und sog dann grinsend die
Luft ein.
"Ich habe von der Hüterin zwei Golem-Spruchrollen erhalten,
mit denen sollte es möglich sein genug Unruhe zu stiften und uns
die nötige Zeit zu verschaffen um im allgemeinen Chaos zu verschwinden.
Die Aufgabe mit den Golems werden Ceron und Ray hier übernehmen.
Es ist für sie das erste Mal, und ich bitte euch noch einmal, seid
vorsichtig mit den Kräften die ihr da entfesselt, wir wollen keine
Morde oder Rache begehen sondern nur die Unsrigen befreien. Allerdings
sind die Männer von der Garde ja hartgesottene Burschen, eine geprellte
Rippe stecken die locker weg. Also zeigt es ihnen ruhig wenn sie zu
nahe kommen."
Seraphin zwinkerte Ceron und Ray schelmisch zu.
"Die Vorarbeit wird Igor Vectrex leisten. Er geht als erstes in
den Innenhof und wird versuchen, die Gardler mit seinen Bardenkünsten
solange abzulenken, bis Ceron auf das Dach der Kaserne gestiegen ist
und den ersten Golem beschwört. Unterdessen wird Ray in der Händlergasse
und auf dem Marktplatz den zweiten Golem ins Spiel bringen und für
eine Menge Unruhe sorgen. In der Kaserne lenkt als Ceron die Gardler
ab und auf dem Marktplatz Ray. Natürlich kann Ceron die Gardler,
wenn sie denn soweit sind, auch auf den Marktplatz locken, das ist mir
gleich. Hauptsache, er wütet lange genug im Innenhof, das Ormus,
Ponder..." Seraphin nickte dem Bürger kurz zu, "...und
ich in den Zellentrakt gelangen. André wird seinen täglichen
Rundgang machen und nur der Wärter stünde uns im Weg, den
wir drei eigentlich ausschalten können sollten. Ab da an muss alles
schnell gehen, ich befreie Rhodgar und Renata, Ponder und Ormus stehen
Schmiere, Igor Vectrex versucht im allgemeinen Chaos unterzutauchen
und Ray und Ceron müssen solange Unruhe stiften bis wir allesamt
in dem Durcheinander entkommen konnten. Dann fliehen wir ins Kastell,
wer getrennt wird folgt und sucht sich alleine den Weg."
Seraphin atmete tief aus und schaute in die Runde.
"Irgendwelche Fragen?"
Ray
"lle
Fragen sind gestellt, Seraphin!" sagte Ray entschlossen nach einem
prüfenden Blick in die Runde, weil alle anderen schwiegen und den
Plan mal erst verdauten.
Noch einmal vergewisserte er sich, dass die Rolle auch ja da war. Dann
brach die kleine Gruppe zu einem ungewissen Unterfangen auf.
Auf dem Weg zum Stadttor sagte Seraphin noch einmal zu Ray: "Beschwöre
deinen Golem, sobald du Waffenlärm aus der Kaserne hörst,
nicht früher!"
"Klar. Ich verstecke mich am Marktplatz, wo Ceron schon sein Versteck
hatte: Auf den Dächern. Ich kann über die Mauern unbemerkt
dort rein klettern, wie Ceron es getan hat."
Das Stadttor tauchte vor ihnen auf. Es konnte losgehen!
Igor Vectrex
lles
war vorbereitet. Der Plan ins winzigste Detail abgesprochen und jeder
war auf seinem Posten. Seraphin, Ponder und Ormus standen gut sichtbar
für den Barden auf dem Marktplatz, Ray lag beobachtend auf dem
Haus eines Händlers, damit ihn keiner sah wenn er den Golem beschwören
wollte. Ceron verbarg sich in einer dunklen Ecke der vor der Kaserne.
Jetzt kam es drauf an, der Barde setzte eine lustige Miene auf und schritt
munter pfeifend durch den Torbogen in den Innenhof der Kaserne, als
links von ihm eine befehlsgewöhnte Stimme rief "Halt, Bürger
wohin willst du?...Hier ist kein Platz für Gesindel!" Es war
Lord Andre. Wieder einmal kotzte den Barden diese Arroganz einfach nur
an, konnten die Rüstungsträger denn nie normal grüßen.
Es fiel ihm schwer seine Fassung zu behalten und nicht zu explodieren
aber er entschied sich dann sein höflichstes Grinsen aufzusetzen
und verbeugte sich so tief er konnte vor diesem, diesem....ach... er
fand kein Wort dafür wie er diesen Kerl nennen sollte. "Ich
hatte vor ein wenig für die Milizen zu spielen Lord Andre, ich
habe sie noch nie auf dem Marktplatz gesehen und ich dachte mir ein
wenig Ablenkung täte der Moral eurer Männer gut...wisst ihr
ich mag nicht prahlen wollen, aber ich bin ein talentierter Barde...
Also erlaubt Ihr es mir?" Andre überlegte kurz und willigte
schließlich ein "Hier hast du 20 Goldstücke und jetzt
schwirr ab, ich hab zu arbeiten" sagte er grob.
Sehr gut, das hatte schon mal geklappt, Igor Vectrex stellte sich nun
in eine Ecke des Innenhofs aber gerade noch soweit, dass er den Marktplatz
von hier sehen konnte und rief die Milizen zusammen "Hört
her, Ihr tapferen Soldaten Innos', der gnädige Lord Andre erlaubte
mir ein paar Stücke für euch zu spielen und euch ulkige Geschichten
zu erzählen, also legt die Schwerter ab und hört mir zu!"
In den Gesichtern der Milizen zeigte sich reges Interesse, aber wohl
eher weil sie eine Pause machen durften. Also begann der Barde erst
mal mit Geschichten vom Festland und nach einiger Zeit lagen die Milizen
am Boden vor Lachen... er sah nach rechts in das Büro, wo Lord
Andre gerade heraustrat, er unterbrach den Barden kurz und kündigte
an dass er jetzt seinen Rundgang mache. Perfekt! Das war genau der Augenblick
auf den alle gewartet hatten und der Barde begann ein Loblied an Innos
anzustimmen:
(Fortsetzung Seite 17)
|
|