Elpede
lpede
hatte den ganzen Tag im Hafenviertel gewartet und die Taverne beobachtet,
die er mit einigen Banditen überfallen wollte. Jetzt, am frühen
Abend, begann sie sich zu füllen. Zumeist Arbeiter und Tagelöhner,
bei denen nicht viel zu holen war. Aber andererseits war das Risiko,
zu scheitern auch nicht besonders hoch.
Schließlich tauchten sie hinter dem Felsen auf - zwei Boote,
besetzt mit jeweils 4 gut bewaffneten Banditen. elpede sah sich rasch
um. Niemand schien das Nahen der Boote zu bemerken oder zu beachten
- so genau konnte man das nicht deuten. elpede eilte eine kleine Treppe
an der Mauer hinunter an den Steg. Bald schon legten die Boote an und
die Banditen stiegen aus.
elpede sprach kurz mit Drake und nur wenige Minuten später schwärmten
die Banditen aus. Zwei eilten die Treppe an der linken Seite des Hafens
hinauf und sicherten so den Zugang zur Taverne, zwei weitere postierten
sich auf einem Haus direkt an der Hauptstraße, die hinauf ins
Händlerviertel und dann direkt aus dem Südtor der Stadt hinausführte.
Ein Bandit blieb bei den Booten, und elpede schloss sich Drake, Frodo
und einem weiteren Banditen an, der von den anderen Sergio gerufen wurde.
Zu viert und mit gezogenen Waffen betraten sie schließlich die
Hafenkneipe.
Die Kneipe war gut gefüllt, einige Gäste bereits angetrunken,
und so brauchte es ein paar Augenblicke, ehe jemand die vier bewaffneten
Männer bemerkte und laut rufend auf sie deutete. Einen Moment später
war es still, und Frodo kletterte auf einen der Tische.
"Guten Abend, sehr verehrte Damen und Herren, das ist ein Überfall.
Bitte legen Sie Ihre Wertsachen auf den Boden und halten Sie Ihre Waffen
bei sich, die Jungs hier mögen das nämlich gar nicht, wenn
man ´ne Waffe zieht."
Frodo grinste, und elpede sah sich kurz um. Obwohl etliche Leute da
waren, hatte kaum einer eine ordentliche Waffe. Die meisten führten
Knüppel bei sich, oder einen Degen, Schwerter indes sah man keines.
Niemand regte sich. Alle starrten noch immer auf ihn und die Banditen.
"Okay - welchen Teil von "Wertsachen rausrücken"
habt ihr jetzt nicht verstanden?", rief der Wolfszüchter und
zielte mit seinem Bogen auf irgendeine Person in der Menge.
"Wie wäre es, wenn du mal mit gutem Beispiel vorangehst?"
Sergio
etzt
war es also soweit. Die vier bewaffneten Banditen waren in der gut besuchten
Hafenkneipe und hatten noch alles unter Kontrolle. Sergio hatte auf
dem Hof von Elpedes Vorhaben Wind bekommen und sich dem Wolfszüchter
kurzerhand angeschlossen. Mit dem Überfall hier in der Stadt konnte
man der Garde mal wieder einen auswischen. Die Leute hier hatten doch
eh schon genug Kohle.
Jetzt stand Elpede auf einem Tisch in der Mitte des Raumes und zielte
mit dem Bogen auf einen Gast. Sergio hatte sich kurzerhand den Wirt
der Taverne, Kardiff, geschnappt und hielt ihn mit dem Schwert an der
Kehle in Schach. Der Mann blickte ziemlich ängstlich drein. "Mach
jetzt keine Dummheiten", zischte ihm der Bandit zu. "Sonst
bist du schneller tot, als du Hilfe' schreien kannst." Der
Mann, den Elpede bedrohte, rührte sich erst nicht, holte aber dann,
als der Wolfszüchter den Bogen demonstrativ weiter spannte, ängstlich
seine Wertsachen hervor. Na, das schien ja erfolgreich zu verlaufen...
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Die Banditen
ie
Sache lief besser, als erwartet. Niemand leistete Widerstand, niemand
brüllte in den Raum, alle folgten brav den Anweisungen der Banditen
und warfen ihre Wertsachen auf den Boden. Frodo sammelte die Beute ein,
während die anderen drei die Menge mit ihren Waffen in Schach und
bei Laune hielt. Viel war hier wirklich nicht zu holen, die meisten
Gäste waren arme Schlucker, die wenig hatten. Frodo war es egal,
er empfand kein Mitleid. Im Gegenteil, sie leisteten sogar eine gute
Tat, denn Saufen war ja bekanntlich keine Lösung - es war Luxus.
Genau wie das Rauchen von Sumpfkraut.
Sumpfkraut? Ach ja, richtig.
"Falls wir vergessen hatten, das zu erwähnen: Wir nehmen
nicht nur diese lecker glänzenden runden Goldmünzchen, wir
nehmen selbstverständlich auch Sumpfkraut!"
Frodo grinste zufrieden, während er weiter die Beute einsackte.
Bald schon hatten sie alle Gäste durch.
"Okay", meinte Drake, "elpede, Sergio, Frodo - ihr geht
rüber in die "rote Laterne", ich halte hier die Stellung.
Beeilt euch. Wenn irgendwas schief geht, treffen wir uns am Strand unterhalb
des Leuchtturms."
Den letzten Satz hatte er geflüstert, dieser war nicht für
alle Ohren bestimmt. Drake blieb an der Eingangstür stehen. Während
hinter ihm die drei anderen Banditen die Mauer entlang zur "roten
Laterne" liefen, die nur wenige Schritte von der Kneipe entfernt
lag.
Sergio
ilig,
aber so unauffällig wie möglich, liefen die drei Banditen
aus der Taverne, über die Straße und hinein in die Rote Laterne,
vor der ausnahmsweise mal nicht der Typ stand, der die Leute mit höchst
dämlichen Sprüchen in das dubiose Etablissement zu lotsen
versuchte.
"Achtung! Das ist ein Überfall! Raus mit den Wertsachen und
keine Mucken", rief Sergio. Alle Gäste inklusive der "Angestellten"
guckten geschockt, hielten aber vor lauter Angst den Mund. Der etwas
kurz geratene Frodo ging wieder mit dem Sack herum und sammelte alles
ein, während Sergio den Besitzer der Laterne in Schach hielt und
Elpede mit seinem Bogen die anderen Leute. Bald hatte Frodo den Sack
recht prall gefüllt und hatte ein fieses Grinsen aufgesetzt.
"Frodo, du bleibst hier, Sergio und ich gehen zu Lehmar",
ordnete Elpede dann an.
Elpede
ergio
und elpede machten sich auf den Weg zum Geldverleiher, der sein Haus
an der Hauptstraße hatte - am Ende des Hafenviertels, kurz bevor
die ersten Häuser das Händlerviertel markierten. So nahe an
der Unterstadt jemanden zu überfallen war ein riskantes Unterfangen,
aber es ging gut. Der Geldverleiher war irgendwie etwas verärgert,
offenbar hatte er Ärger mit einem seiner Kunden gehabt, und seine
Schläger sahen auch nicht wirklich gesund aus, aber die Waffen
der beiden Banditen überzeugten ihn, seine Wertgegenstände
und reichlich Gold zu "spenden" - für einen "guten
Zweck" natürlich. Außerdem trug der Geldverleiher einen
Meisterdegen - eine Waffe, die elpede natürlich nicht einfach bei
ihm ließ.
Mit reichlich Beute bepackt, machten sich die beiden auf den Rückweg
ins Hafenviertel. Niemand hatte sie gestört, niemand hatte versucht,
sie aufzuhalten - insgesamt ein leichtes Unterfangen.
Die Banditen zogen sich binnen weniger Minuten zurück zu den Booten,
diesmal geführt von Sergio. Sie hatten reichlich Gold und Sumpfkraut
erbeutet.
elpede blieb an der Kaimauer zurück. Er übernahm die Nachhut
und wollte sichergehen, dass die Banditen auch wirklich entkamen und
keiner der Bürger auf die Idee kam, die Kaserne zu besuchen. Ein
letztes Mal schaute elpede den Booten nach, bevor sie in der Dunkelheit
verschwanden. Dann machte er das Tuch ab, das sein Gesicht verhüllt
hatte, und eilte über die Hauptstraße hinauf in die Unterstadt.
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Estragon
er
Magier hatte die Hände in die Hüften gestützt und starrte
unzufrieden auf die Leintücher. Mehre unförmige Zeichen und
Tintenkleckse waren darauf verteilt. So konnte das nichts werden.
Estragon schaute stirnrunzelnd auf die Vorlagen, blätterte in den
Büchern und überflog noch einmal die Textstellen Wort für
Wort.
Dann warf er sie frustriert hin und setzte sich neben seine "Kunst"
und das Tintenfässchen. Fluchend kramte er seine Pfeife vor und
zündete sie sich an.
Das Leinen ist einfach nicht das richtige...zu begrenzt...zu zweidimensional...
urteilte der Magier missmutig und folgte den Rauchschwaden seines verbrennenden
Tabaks.
Man müsste frei und leicht sein, wie der Rauch dort... frei und
ungebunden... ohne Grenzen... aber mit Tinte geht das natürlich
nicht, weil...
Estragon fuhr auf. Das Tintenfass kippte um und bedeckte die Leinen
mit seinem schwarzes Inhalt. Die Brille das Magiers war von gelblichrot
zu smaragdgrün umgekippt. Seine Gedanken jagten fieberhaft. Er
schaute zum Himmel auf. Noch war Tageslicht.
Er packte den Pinsel und sein Schlagholz, das ihm inzwischen als Spazierstock
diente, um sich dem Ausgang zuzuwenden.
Er erreichte sein Zimmer. Ohne zu Zögern schritt er auf seinen
Schreibtisch zu. Dort war ein Mörser und einige Edelsteinsplitter
platziert. Wenige, die er noch aus seinem Vorrat hatte retten können.
Leider war sie schlecht geschliffen und für Arbeiten mit Magie
fast unbrauchbar. Mehr Splitter als alles andere.
Doch für eines waren sie sicher noch zu gebrauchen. Estragon kramte
in seinem Regal herum, wo sich schon ein paar Tiegel und Korkentöpfchen
angesammelt hatten. Diese enthielten farblose Tinte und weitere Edelsteinsplitter.
Er nahm sich die Steingutschale des Mörsers vom Tisch, goss die
farblose Tinte hinein und zog gleichzeitig sein Notizbuch vom Tisch.
Dort hatte er seine bisherigen Nachforschungen feinsäuberlich eingetragen.
Die schlaflosen Nächte boten genug Zeit für derlei Tätigkeiten.
Er haute die Splitter in den Mörser und rührte alles noch
einmal um. Dann sah er auf. Die Balkontür hatte er bei diesem sonnigen
Wetter offen gelassen. Nun, es würde seine Augen und seinem Hirn
nicht viel Freude bereiten, aber er brauchte das Sonnenlicht.
Der Magier stieg mit der Schale und einem Stuhl auf den Balkon. Khorinis
Berglandschaft tat sich vor ihm auf. Bäume wiegten im matten Dunkelgrün
von Tannennadeln. Vögel sangen den Abendgruß und wenige Cyruswolken,
die wie hingetuscht am Himmel hingen, zogen über das Kastell mit
den zeitlosen Bewegungen eines sich immer wiederholenden Zyklus.
Das alles kümmerte Estragon wenig. Er hielt den Blick starr auf
die Schale gerichtet, als könnten seine Augen allein schon den
Zauber vollbringen, den er anstrebt. Doch etwas fehlte noch. Estragon
wandte sich um und kehrte ins Zimmer zurück. Auf dem Schreibtisch
war sein Notizbuch zurückgeblieben. Der Brillenträger zog
es an sich und trat zurück auf den Balkon.
"Nun werden wir sehen, was das bringt", knurrte er und hob
das Buch vor die Augen. Das Sonnenlicht stand direkt auf dem Balkon.
Die Schale war ein funkelndes Diadem. Ein farbiger Kosmos aus Licht
und schimmernder Bewegung. "Mhmm... die Tinte muss sich bewegen..."
sagte der Magier und bückte sich nieder, warf noch einen Blick
auf seine geschrieben Seiten und Skizzen. Dann pustete er sanft in die
Schale. Die Tinte begann zu zittern. Berge und Täler begannen zu
wandern.
Das Sonnenlicht brach sich in wirren Mustern. Geordnetes Chaos helographierte
aus dem Zentrum der Schale.
"Gut, jetzt die Worte...", hauchte Estragon. Er beugte sich
über den Rand des Gefäßes und fing an, seine Mitschriften
abzulesen.
"Kell mir karcurm. Feng tra minur. So tar beallar."
Er wisperte die Worte, damit die Tinte sich weiterhin bewegte und das
Sonnenlicht brach. Es durchstieß die Haut der Flüssigkeit.
Die Splitter fingen das Licht ein und bündelten es.
Dann veränderte sich plötzlich die Atmosphäre. Ein Wirbel
stieg in dem Steingutbehälter auf. Splitter stiegen auf und fielen
wieder. Blutrote Tränen, goldene Tropfen, smaragdfarbene Blitze
und kobaltblaue Perlen. Alles drehte sich mit dem Strudel. Estragons
Augen weiteten sich aufgeregt hinter den Brillengläsern. Er verstärkte
seine murmelnde Beschwörung. Der Strudel erreichte den Rand der
Schale.
"... kallinor... mitirnor... FANGORA", schrie der Brillenträger
unvermittelt. Die Schale zersprang in tausend Stücke.
Estragon zuckte erschrocken zurück.
Ein paar Augenblicke später öffnete er die Augen und kam aus
dem Stauen nicht mehr raus.
Über den Stuhl schwebte in der Luft eine silberne Flüssigkeit
mitten in der Luft. Sie hatte noch die Form der Schale am unteren Bereich.
Oben war die aufgewühlte Tintenoberfläche zusehen, die sich
langsam beruhigte.
Estragon sah, wie glasklare Splitter aus der schwebenden Flüssigkeit
auf den Stuhl fielen und davon auf den Balkonboden perlten.
"Das glaube ich nicht... "
Mit zitternden Händen zog er den Pinsel aus der Robe und tauchte
ihn in die Flüssigkeit. Sofort sog der Haarkopf sich voll, die
Halbkugel nahm an Volumen ab.
Der Magier lächelte triumphierend
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Der Magier lugte durch das halb geöffnete
Tor des Innenhofes. Dieser lag schon fast im Dunkel der Nacht versunken.
Estragon schaute sich verstohlen um. Augenscheinlich war niemand zu sehen.
Er huschte durch das Tor und kam ungefähr in der Mitte des Weges
zur Esche zum stehen.
Jetzt zog er den Pinsel vor. Stumm betrachtete er ihn eine Weile. Jeder
Krieger braucht sowohl Verstand
als auch Herz
Estragon nickte und trat vor. Er hielt den Pinsel vor sich wie ein Fechter
zu Duellbeginn seine Waffe vorhält.
Nun schloss er die Augen und rief die Symbole, die er aus den Büchern
kannte. Er führte den ersten Schlag. Der Pinsel fuhr durch die Luft.
Silberne Tränen glitzerten in der Luft. Dann fingen sie ihren Sturz
ab, wurden langsamer. Begann zu schweben.
Stahlfarbene Insekten gleich, standen sie in der Luft und vibrierten langsam.
Estragon drehte sich um die eigene Achse, wobei er den Pinsel wie zu einem
Diagonalschlag zum Gegner führt. Der silberne Perlenstreifen folgte
ihm.
Dann verlor Estragon irgendwie die Kontrolle über seine Gedanken.
Alles begann sich zu heben, wie Meeressand, der von einer Welle aufgespült
wird. Er empfand die Kälte des Brunnenwassers, obwohl die magische
Quelle viel zu weit weg war. Er hörte das Gemurmel von Stimmen...
eine Predigt
des Wassermagiers Vatras
Das ist doch unmöglich
Doch noch bevor Estragon sich darüber wundern konnte, roch er den
süßen Duft von Sumpfkraut, das im Pyramidental gerade die Lunge
eines Novizen durchströmte.
Er schlug die Augen auf.
Das erste Zeichen war fertig und hin in blauvioletten Haken und Bögen
vor ihm. Er starrte es mit offenem Mund an.
Das zweite Zeichen folgte sogleich. Estragon ließ wieder seine
Gedanken treiben. Diesmal verkrampfte er gar nicht, sondern fuchtelte
einfach drauf los. Zwei schnelle Hiebe im Vertikalen und ein Wirbel
an der Hüfte nach oben. Dann drehte er sich zurück und stach
zwei Mal zu. Die silbernen Linen sausten umher, folgten dem Pinselkopf,
erstarrten in der Luft und verfärbten sich zu feurigem Granat,
weichem Azur, hellem Indigo, feinem Safran, milchigem Topas und hartem
Mintgrün.
Das erste Zeichen war derweil wie bläulicher Nebel verweht. Dabei
ertönte ein weicher Klang, wie von unzähligen Fideln und Schalmeien.
Estragon setzte ab, das zweite Zeichen war geschaffen. Doch er beachtete
es kaum. Seine Brille war gleitendes Weiß. Er wirbelte immer schneller.
Der Pinsel schnitt und wedelte umher. Die Zeichen wurden prächtiger
und ausladender.
Doch nun erklang auch ihre Melodie. Eine dustere Tonfolge, voll Schmerz
und Zweifel. Estragon wurde sich bewusst, dass die Zeichen nicht mehr
den Vorlagen, sondern ganz seinen Gefühlen entstammten. Und diese
sprachen von nichts Gutem. Nicht kraftvoll, sondern zögernd. Nicht
souverän, sondern zitternd. Nicht gewiss, sondern nervös.
Und nicht mutig, sondern trauernd.
Estragon wollte diese Musik nicht hören, doch sie erklang. Sie
schallte immer lauter. Und er zeichnete weiter. Der Innenhof wurde erleuchtet
von tiefen Farben und schimmernden Formen. Wie Nebelgeister jagten sie
sich und die Schatten der Eschenkrone bewegte sich zuckenden über
die Wände des Hofes.
Estragon konnte nicht aufhören. Sein Herz pumpte all die gegeißelten
Empfindungen aus dem Fleisch. Der Magier tanzte nun durch den Innehof.
Renata
twas
war los im Innenhof. Gleich Irrlichtern zuckten kleine Blitze zwischen
den Säulen des Arkadenganges entlang und lockten die Magierin aus
der Halle. Erst im Näherkommen konnte sie erkennen, dass es mehr
war als diese Blitze, der ganze Innenhof schien in einer Art Seifenblase
eingehüllt, über deren stofflose Oberfläche farbiges
Licht schwamm, Lichtrinnsale und Lichtseen bildete, die verwirbelten,
ineinander flossen und sich an anderer Stelle neu bildeten.
Dieses Schauspiel hielt den Blick erst einmal so sehr gefangen, dass
ihr der Schatten, der sich in der Mitte unterhalb dieser Lichtkuppel
bewegte, erst beim dritten oder vierten Hinsehen auffiel. Aber auch
dann traute sie ihren Augen nicht. War das wirklich der kühle Magier
Estragon, der sich da wie in Trance mit erhobenen Armen einer imaginären
Musik folgend mal hin und her wog, mal sich langsam drehte? Im Schein
des wirbelnden und sich windenden Lichts warf er bizarre Schatten, mal
verzerrt, mal klar begrenzt.
Je länger Renata hinschaute, desto mehr glaubte sie auch dem Rhythmus
in Gedanken folgen zu können, von dem Estragon angetrieben wurden.
Nicht, dass sie Musik gehört hätte, aber die Bewegungen des
Tänzers in der Mitte formten eine Art Muster, Wellen, gleich einer
Melodie, deren sich wiederholende Tonfolgen ein Ornament zu zeichnen
schienen. Ornamente, die immer klarer wurden, so klar, dass sie am Ende
tatsächlich den Klang vernahm.
Ein Wunder inmitten einer mit Wundern angefüllten Festung, ein
Wunder, groß genug, dass es auch Schwarzmagier zum Staunen bringen
konnte.
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