Sir Iwein
r hätte
es wissen müssen. Nicht einmal jetzt war ihm Ruhe vergönnt.
Es war ihm nicht vergönnt, diesem wohlklingenden Lautenspiel und
der zugehörigen Stimme des Barden zu lauschen. Stattdessen kamen
gleich drei Milizen auf einmal angehastet und berichteten dem Hauptmann
aufgeregt von ihrem Wehwehchen. Milof, Dragen und Bruns waren es wieder
einmal, diese unfähigen Büttel. Konnte ja nichts Ernstes sein.
Die machten aus jeder Mücke einen Elefanten. Waren zwar kräftig,
doch im Hirn hatten sie kaum etwas, außer vielleicht dieser Dragen.
Bei ihren Worten jedoch hörte der Hauptmann auf und stellte sogar
sein Bier auf einer Mauerzinne ab.
"Schwarzmagier, sagt ihr?", fragte er verwundert und sah die
Soldaten durchdringend an.
Die drei nickten eifrig. "Da drüben, an der Kasernenmauer
überm Galgenplatz, Herr Hauptmann", meinte Milof erregt. "Die
haben einen ehrenwerten Händler bestohlen und sind höchstwahrscheinlich
der bösen Magie mächtig." Wie um die Worte ihres Kameraden
zu bekräftigen, nickten die beiden anderen abermals.
Iwein überlegte kurz, dann schritt er entschlossen los. Wehe ihnen,
wenn sie wieder einmal Stuss erzählt hatten. Doch, wenn wahrlich
Schwarzmagier in der Stadt waren, denen würde er es zeigen, bei
Innos. Dieses Gesindel schaffte es doch immer wieder.
Der Gesang des Barden, obwohl jetzt lauter, interessierte den Ritter
nicht mehr, er war angespannt aufs Äußerste. Die drei Milizen
deuten aus einiger Entfernung auf die beiden Gestalten. Ein Mann und
eine Frau, soweit Iwein es erkennen konnte - wie der Händler auch
schon ausgesagt hatte. Mit einem Wink bedeutete der Hauptmann den Milizen,
ihm zu folgen.
"Lasst nicht zu, dass sie ihre Magie wirken, denn dann ist alles
aus", warnte er sie leise.
Im Moment noch saßen die beiden nichtsahnend auf der Mauer (unfassbar,
auf Iweins Mauer), ließen die Beine hinunterbaumeln und diskutierten
- sicher über irgendwelche dunklen Lehren und Machenschaften. Die
eine war so offensichtlich eine Hexe, das verriet schon ihr beinahe
ganz weißes, langes Haar. Beide waren sie in lange, dunkle Gewänder
gekleidet. Genau jene Roben, die so typisch für die Kastellbewohner
waren, die irgendwo im hohen Norden von Khorinis hausen sollten, um
dort ihren dunklen Ritualen zu frönen.
Mit gezogenen Schwertern, aber dennoch mit einiger Vorsicht, näherten
sich die vier Krieger dem merkwürdigen Paar. Als sie es umstellt
hatten, sodass sie nur noch die Mauerzinnen im Rücken hatten, erhob
Iwein die Stimme.
"Keine Bewegung, Schwarzmagier, Ihr seid enttarnt", sprach
er scharf, doch mit einem unbehaglichen Unterton in der Stimme. Die
beiden waren ihm nach wie vor nicht geheuer. "Ihr werdet des Diebstahls
bezichtigt. Leert Eure Taschen, auf der Stelle! Und keine faulen Tricks,
lasst Eure Runen stecken, oder wir müssen unsere Waffen einsetzen!"
Der Hauptmann wusste genau, was dem Händler gestohlen worden war,
seine Milizen hatten es ihm haarklein unterbreitet. Sollte sich der
Beutel mit dieser Einkaufsliste bei ihnen finden, würden sie bereuen,
sich hier blicken gelassen zu haben...
Rhodgar
"ö?"
Gerade erneut in eine innige Diskussion über die Vor- und Nachteile
einer Kreatur wie dem Zombie verwickelt, sah Rhodgar jetzt beiläufig
den vier Männern entgegen, die da so auf sie zugeschritten kamen.
Was war das? Diebstahl? Der Schwarzmagier wusste nicht, was er tun sollte.
Aus der Haut fahren oder sich ganz und gar einem Lachkrampf hingeben?
Er war unentschlossen, und so kam es, dass er vorerst einmal nichts
machte, während er innerlich abwog, was denn die geeignetste Reaktion
in dieser Situation wäre. Denn seitdem er Bekanntschaft mit dem
Lama gemacht hatte, war ihm klar geworden, dass nicht alle Gardler saufende
Döspaddel sein mussten, und das einigen von ihnen durchaus ein
wenig Respekt gebührenden konnte, unter Umständen.
"Du, sag mal Rena, was wollen die von uns?"
Auch hier konnte seine Mitmagierin nur mit den Schultern zucken. Fragend
richtete Rhodgar nun das Wort an jenen, der eben noch so tollkühn
gesprochen hatte.
"Sagt mir, guter Mann, warum werden wir des Diebstahls angeklagt?
Ich meine, wisst ihr überhaupt wen ihr hier vor euch habt? Entweder
muss es wirklich was wichtiges sein, oder ihr seid einfach nur geisteskrank,
so mit uns zu sprechen."
Bei den letzten Worten versuchte er ein wirklich teuflisches Grinsen
aufzusetzen, doch dieser Versuch scheiterte. Stattdessen hatte er sich
nun entschieden, und nicht ein diabolisches, sondern ein wirklich durchaus
belustigtes Grinsen stand ihm nun ins Gesicht geschrieben.
Sir Iwein
wein
stutzte kurz. Der wagte es, ihn schief anzugrinsen? Was ließ diesen
Kerl angesichts vier Schwertern so gelassen bleiben? Die Mine des Ritters
verriet plötzlich Unentschlossenheit und Verwirrung. Die eben noch
so harten Züge des Kriegers begannen weich zu werden. Auch seine
drei Milizen wussten nicht recht, was zu tun war. Dann aber durchfuhr
den Hauptmann ein Geistesblitz, und er richtete sein Schwert auf den
Hexer. Geisteskrank, sagte der Kerl? Ha!
"Sie versuchen, unsere Gedanken zu vernebeln, Männer. Bleibt
standhaft, lasst euch nicht irreführen!", flüsterte er
seinen Kumpanen aus dem Mundwinkel zu, doch sicher hatten die beiden
Schwarzmagier es gehört.
"Schweigt!", rief er dann drohend und richtete sein Schwert
noch bestimmter auf den Fremden, ging jedoch mit dem Körper noch
ein wenig mehr auf Distanz. "Leert Eure Taschen! Ihr habt einen
ehrenwerten Händler am Marktplatz bestohlen und er hat euch auch
noch dabei gesehen. Wenn Ihr unschuldig seid, woran ich zweifle, so
könnt Ihr dies ganz einfach beweisen, indem Ihr jetzt Eure Taschen
leert. Wenn Ihr das nicht sofort tut, werden wir euch niederstrecken,
bei Innos!"
Iweins Stimme überschlug sich vor Erregtheit, während er wild
mit seinem Schwert drohte. Diese Magier trieben ihr Spiel mit ihm. Obwohl
sie so eindeutig im Nachteil waren, fühlte der Ritter sich bedroht
und unsicher. Er fürchtete jeden Augenblick, dass die beiden etwas
Unerwartetes tun würden.
Renata
as
war eine groteske Situation: die beiden Schwarzmagier, die beinebaumelnd
auf dem Mäuerchen saßen, umringt von bewaffneten Milizsoldaten
und konfrontiert mit einem unhaltbaren Vorwurf. Lachhaft das Ganze.
Mit dieser an den Haaren herbeigezogenen Anklage des Offiziers, einen
Händler bestohlen zu haben, konnte doch nur sie gemeint sein, glaubte
Renata. Rhodgar hatte ihres Wissens den Markt gar nicht betreten. Sollte
sich die Milizionäre doch den Inhalt ihrer Taschen vorzeigen lassen
- dann war der Spuk schnell vorbei. Über den Vorwurf selbst und
die Art, wie er vorgebracht wurde, konnte man sich danach ja immer noch
unterhalten. Hauptsache, die etwas nervösen Soldaten machten keine
Dummheiten...
Ihrer Sache sehr sicher leerte die Magierin die Taschen ihrer Robe und
hielt die wenigen Stücke auf der Handfläche der ausgestreckten
Hand dem Offizier eher scherzhaft zur Begutachtung hin - ganz langsam,
um ja nicht missverstanden zu werden: "Hier, Runensteine und ein
paar wenige Goldmünzen. Was davon soll ich Eurer Meinung nach gestohlen
haben.?" Man hätte glauben können, sie hätte den
Teufel selbst auf ihrer Hand dargeboten, so wie die Männer zurück
wichen.
Sir Iwein
wein
und die Milizen schreckten zurück. "Schon gut, steckt das
weg!", rief er erschaudernd und machte mit seinen Fingern ein Kreuz.
Was die beiden mit diesen Runen anzufangen vermochten, wollte er gar
nicht wissen. "Innos steh mir bei..." Obwohl sich weder der
Beutel noch die Liste bei der Frau gefunden hatten, war der Ritter noch
immer von der Schuld der Schwarzmagier überzeugt. Vielleicht hatten
sie die Dinge ja auch einfach nur ... weggezaubert, genau. Durchsuchen
lassen wollte der Hauptmann sie nicht, das schien ihm zu gefährlich.
"Jetzt Ihr!", drängte er und nickte dem Fremden heftig
zu. Verdammt, was sollte er tun, wenn auch der nichts besaß? Ach
was, dann sperrte er sie einfach wegen Leugnung der Macht Innos' sowie
Amtsanmaßung bei einem seiner Diener ein. Sofort wurde der Hauptmann
seiner Sache wieder sicher und warf dem Dämonenbeschwörer
einen gehässigen, von tiefer Abscheu gezeichneten Blick zu. "Macht
schon."
Rhodgar
atürlich,
Rena hatte nichts weiter vorzuweisen als die Dinge, mit denen diese
Gardler nicht das geringste anfangen konnten, sie sogar fürchtete.
Es hatte den Schwarzmagier im Ernst große Anstrengung gekostet,
ein lautes Herausplatzen zu unterdrücken, als er auf das verzerrte
Gesicht des Innoslers geblickt hatte. Wie hatte es der Gehängte
vor so langer Zeit doch noch mal ausgedrückt? Für diese Gesichter
solltet ihr Zirkusaffen Eintritt verlangen. Passte ja genau, hihi.
So, nun war er an der Reihe. Zuerst gewährte er den Soldaten ein
paar kurze Blicke auf seine Runen, die wie immer am rechten Platz an
seinem Gürtel befestigt waren. Er wollte diesen Mann ja nicht nochmals
der Gefahr des Herzanfalls aussetzen, in dem er ihm seine Runensteine
unter die Nase hielt. Beiläufig griff Rhodgar dann in seine Robentaschen,
in Erwartung, dort nichts finden zu können. Normalerweise trug
er nichts in diesen Behältnissen mit sich herum, und er konnte
sich auch nicht erinnern, diese Gepflogenheit vor ihrem Aufbruch gebrochen
zu haben.
Aber warum bei Beliar konnte er dann in einer der Taschen einen kleinen
Lederbeutel ertasten? Verdammt, das war es, wonach die Soldaten suchten.
Danach zu fragen, wie dieses Ding zu ihm gekommen war, dafür blieb
jetzt keine Zeit. Er musste Zeit gewinnen.
"Wartet, das ist meine magische Tasche, sie ist nahezu unendlich
tief, da haben sich schon so manche Schätze drin verkrochen. Momentchen
noch." Er log quasi das getrübte Blau des Himmels von selbigen
herunter.
Doch es war aussichtslos. Er war niemand, der binnen Sekunden etwas
verschwinden lassen konnte, weder durch geschickte Bewegungen noch durch
eine Form der Magie. Wäre aber verdammt praktisch, so ein Unsichtbarkeitszauber,
gerade jetzt.
"Wartet, wartet... aaah ja, hier haben wir doch was."
Als würde er den Beutel aus Untiefen heraus zerren, holte er ihn
hervor.
"Das ist alles was ich bei mir hab. Und dabei gehört es mir
nicht mal. Komisch, wie kann das denn nur in meine Tasche gewandert
sein? Hast du eine Ahnung, Rena?"
Gespielt fragend schaute er seine Freundin an, doch sie erwiderte seinen
Blick nur mit einem stummen Schütteln des Kopfes. Die Situation
war viel zu ernst, um jetzt Späße zu treiben.
Sir Iwein
ie
ein Schießhund passte Iwein auf, während der Schwarzmagier
Anstalten machte, umständlich in seiner Tasche herumzukramen. Die
Knöchel des Ritters standen weiß hervor, so fest umklammerte
er sein Schwert, bereit, sofort zu reagieren, sollte sein Gegenüber
etwas Dummes wagen. Dann endlich brachte der Fremde einen Beutel zum
Vorschein. Es klimperte ein wenig, als er ihn emporhob. Ah, Gold! Der
Hauptmann lächelte siegessicher.
"Gebt das her!", sprach er barsch und grapschte rasch mit
seiner linken Hand nach dem Beutel. Sein Schwert ließ er zurück
in die Scheide gleiten. Dann wühlte er fieberhaft in dem Beutel
herum. Einige Goldstücke waren darin, nicht viele, dennoch eine
nicht unbedeutende Menge Geld in diesen Tagen - der Zorn und die Aufregung
des Händlers war nur allzu verständlich. Und dann entdeckte
Iwein auch das Beweismittel. "In der Tat, äußerst komisch,
nicht wahr, mein Herr? Wie gelangt das nur in Euren Besitz?", säuselte
er mit gespielter Verwunderung, während er triumphierend die Liste
zum Vorschein brachte. Wie erwartet, waren einige Lebensmittel darauf
verzeichnet, Brot, Wurst, Äpfel - ein Einkaufszettel des Händlers
also. Er hielt die Liste dem Schwarzmagier unter die Nase.
"Ich werde es euch sagen. Jener unschuldige Händler befand
sich gerade am Marktplatz und hatte vor, noch einige Einkäufe für
sich und seine Familie bei den anderen Verkäufern zu tätigen.
Als er dann jedoch bezahlen wollte, musste er feststellen, dass sein
Geldbeutel einfach verschwunden war, mitsamt seiner Einkaufsliste darin.
Dann jedoch erinnerte er sich an diese merkwürdigen Kunden, die
vorhin an seinen Stand gekommen war. Die eine hatte ihn abgelenkt, während
der andere sich seiner Geldbörse bemächtigt haben musste.
Er rief die Miliz, und wir fackelten nicht lange und stellten die Langfinger.
Ende der Geschichte."
So viel Genugtuung bereitete Iwein diese Geschichte, dass er gar keinen
Hehl daraus machte. Angst und Unentschlossenheit, die er zuvor noch
verspürt hatte, waren wie weggeblasen. Seine Stimme wurde wieder
streng. "Ihr seid wegen Diebstahls verhaftet, alle beide. - Milof,
Dragen, Bruns! Bindet ihnen die Hände! Habt Ihr noch etwas zu sagen,
ehe Ihr in den Kerker wandert?"
Renata
ass
irgend etwas nicht in Ordnung war, drängte sich Renata schon auf,
als Rhodgar so theatralisch in der Robentasche herumfuhrwerkte. Wie
schwerwiegend dies war, wurde klar, als er den kleinen Lederbeutel aus
der Tasche zog. Zwar lächelte er noch, aber nur noch mit den Lippen,
die Augen sahen ernst zu ihr hinüber. Sie hatte begriffen: das
war es also - die wohl älteste Finte der Welt, ein untergeschobener
Diebstahl.
Rhodgar ließ das Beutelchen an dessen Schnur baumeln. Mit "Hey,
das ist doch mein Geldbeutel...", wollte die Magiern sich das Corpus
Delicti greifen, "wie kommt der in Deine...." endete sie dann
aber ziemlich lahm, als der Hauptmann ihr zuvorkam und den Beutel buchstäblich
aus Rhodgars Hand und an sich riss. Das würde ihr sowieso niemand
abnehmen. Sie wusste bereits, bevor der Hauptmann den Beutel öffnete,
dass er die gesuchte Einkaufsliste darin finden würde.
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Verraten. Verraten und der Garde ausgeliefert.
Von einem der Händler? Ihre Überlegungen, was der Hintergrund
für diesen Verrat sein konnte, wurde von dem letzten Satz des Hauptmannes
unterbrochen. "Wagt es nicht" fuhr sie den Mann an "denkt
nicht mal daran, uns zu fesseln. Ihr seid so bl... blauäugig, dass
Ihr Euch derart leicht hinters Licht führen lasst. Ihr habt kein
Recht, uns wegen dieses lahmen Tricks festzunehmen oder gar zu fesseln.
Und bei Beliar: tut nicht so herablassend. Also Hände weg."
Das letzte ging in Richtung der drei Gardisten, die tatsächlich zurückzuckten.
Rhodgar
"ch
kann mir schon vorstellen, wer das gewesen sein könnte. Dieser
Händler humpelt nicht zufällig, und hat bereits das Greisalter
erreicht?"
Natürlich, jetzt verstand er auch was der Alte mit "Ihr werdet
das noch bereuen" gemeint hatte. Schlimm schlimm, er hatte sich
von einem einfachen Bürger, einem besonders senilen noch dazu,
foppen lassen.
"Ich für meinen Teil werde mit euch kommen. Doch triff diese
Dame keine Schuld."
Fragende Blicke wurden ihm nun entgegen geworfen. Er richtete seine
Augen auf Rena. Sie wollten sagen "Lass mich das machen".
"Ja, ich habe den Händler bestohlen, doch wider euren Anschuldigungen
war ich dabei alleine. Es war mir ein Leichtes in seine Gedanken einzudringen.
Ich werde mit euch kommen, allerdings, wie meine Freundin es schon so
treffend formuliert hat, bleibt mir mit euren Stricken weg, oder ihr
werdet es noch bereuen. Können wir dann?"
Sir Iwein
enigstens
waren sie so schlau, dem Ritter ihre Ausreden zu sparen. Doch bei Iwein
Gnade zu erbetteln war ebenso aussichtslos.
"Ich soll sie ziehen lassen? Damit sie demnächst mit einer
ganzen Gruppe von Nekromanten hier aufkreuzt und euch zu befreien versucht,
Chaos stiftet, die Stadt in Aufruhr versetzt? Nein, ich werde nicht
zulassen, dass Euren Brüdern im Norden Nachricht von euch zukommt,
so wahr ich hier vor euch stehe. Ihr beide seid schuldig, da helfen
auch Eure verdrehten Geständnisse nicht weiter."
Dann zögerte Iwein kurz.
"Nun gut. Kommt freiwillig mit, und ich werde euch die Stricke
ersparen. Seht das als Zeichen meines guten Willens für Eure verdorbenen
Seelen, Ungläubige."
Die drei Milizen umringten die Schwarzgewandeten, und mit Iwein an der
Spitze schritten sie schließlich ins Kasernengebäude. Als
sie durch Andrés Bürozimmer kamen, meinte Iwein mit stolz
geschwellter Brust: "Zwei Schwarzmagier gefangen genommen, Lord
André. Sie haben einen Händler bestohlen."
Der Kommandant nickte zufrieden und sprach sein Lob aus. "Sperrt
sie sogleich ein, Iwein. Und bringt dem Händler sein Geld wieder"
Iwein nickte und marschierte dann würdevoll, gefolgt von den Gefangenen
und seinen Milizen, zum Zellentrakt.
Um letzte Fluchtmöglichkeiten zu verhindern, wollte er selbst Sorge
dafür tragen, dass keiner der beiden so bald diesen Kerker wieder
verlassen würde. Knarrend öffnete er eine der Zellentüren,
die mit eisernen Gitterstäben gesichert waren.
"Angenehmen Aufenthalt. Vielleicht wird er ja kürzer als geplant,
wenn Ihr mit uns kooperiert. Wenn Ihr uns irgendetwas über das
Kastell zu sagen habt, nur raus damit. Und denkt gar nicht erst an einen
Ausbruch, Ihr würdet es bereuen."
Mit verächtlicher Geste schloss Iwein die Gittertüren hinter
den beiden. Wenn sie in getrennten Zellen saßen, wurde einer der
beiden vielleicht mit der Zeit gesprächig. Klackend drehten sich
die Schlösser.
Renata
ie
Zelle war winzig. Rohes Mauerwerk und eine Tür mit eingelassenen
Gitterstäben. An einer Wand eine Pritsche, in einer Ecke ein Eimer.
Nachdem die Schritte des Hauptmannes und der Miliz verklungen waren,
bekam der Eimer erst einmal einen Tritt, dass er scheppernd durch die
Zelle flog. Was war nur dran an dieser Stadt, dass jeder Besuch hier
anders endete, als er geplant war. Was mochte diesen Händler geritten
haben, die beiden Schwarzmagier der Garde auszuliefern. Oder besser:
Rhodgar der Garde auszuliefern, schien zumindest er doch zu wissen,
wer dieser Intrigant war. Und jetzt saßen sie hier fest, jeder
in einer Zelle, ohne Möglichkeit, Kontakt mit dem Kastell oder
Freunden aufzunehmen.
"Kannst du mich hören?", rief sie durch die Gitteröffnung
der Zellentür auf den Gang hinaus, nicht zu laut, um keine Wache
herbeizurufen. Keine Antwort. "Rhodgar, hörst du mich?"
Igor Vectrex
estern
war ein lausiger Tag gewesen, irgendwie hatte Igor Vectrex auch überhaupt
keine Lust aufzustehen und er ging erst spät abends einmal auf
den Marktplatz und kaufte sich ein paar Früchte. Auf dem Rückweg
zur Herberge fielen ihm die beiden Schwarzmagier auf die an der Kasernentreppe
gesessen haben, und es bot sich ihm ein ganz anderes Bild als das was
die Bürger in Khorinis diesen Leuten anheften wollten. Sie schienen
sich fröhlich und angeregt zu unterhalten, ja auch das ein oder
andere Lächeln huschte über ihre Lippen. Er ging in die Herberge
zurück, da er nicht wollte dass sie mitbekamen wie er sie beobachtet
hat. Er konnte beim besten Willen nichts Unheimliches an den beiden
Robenträgern entdecken, der Barde konnte durch eines der Fenster
den Marktplatz und die Kaserne überblicken und sah wie sich ein
Schatten von hinten an die Magier schlich, er humpelte ein wenig. Igor
Vectrex erkannte den Mann, es war einer der Händler und dazu einer
von der schlimmsten Sorte Händler, die er kannte. Der Barde konnte
sehen dass er etwas in die Tasche des Magiers glitten ließ, der
allerdings aufgrund der angeregten Unterhaltung nichts davon mitbekam,
ein zufriedenes Grinsen trug der Mann im Gesicht als er sich davonmachte.
Kurze Zeit darauf waren vier Leute der Garde auf die Magier zugegangen
und nach einer kurzen Auseinandersetzung und Durchsuchung wurden beide
abgeführt. "Was für ein linkes Spiel" dachte sich
Igor Vectrex und fragte sich ob er den beiden nicht irgendwie helfen
konnte. Er fasste den Entschluss sich am anderen Tag zu den Kerkern
zu schleichen, irgendwas würde ihm schon einfallen um die Wache
zu umgehen.
Am nächsten Tag beobachtete der Barde die Kaserne, indem er sich
tarnend auf die Kasernenmauer setzte und mit seiner Flöte spielte.
Jetzt war ein guter Augenblick gekommen, er konnte genau sehen wie die
Wache sich ein nicht erlaubtes Nickerchen gönnte und falls ihn
doch jemand sieht könnte er ja sagen er spiele mit dem Gedanken
sich der Garde anzuschließen. Zu seiner Sicherheit hatte er vorher
mit seinem Freund Ponder ausgemacht, dass er doch ein bestimmtes Lied
anspielen solle, wenn einer der Wachen in die Kaserne kommen würde.
Ponder hatte ihn schon lange gesucht und wollte ihm mitteilen was er
gesehen hatte, aber er wusste ja auch nicht dass der Barde selbst auch
Augenzeuge war. So setzte er sich auf und ging durch den Torbogen, kurz
vor der Wache verlangsamte er sein Tempo, linste so leise wie er konnte
um die Tür zu seiner Linken. "Perfekt!, niemand zu sehen"
und er huschte in den Raum. Dort angekommen wandte er sich weiter nach
links und sah auch schon die Kerkerräume und die beiden Magier,
ein jeder in einer anderen Zelle. Der Barde stellte sich vor eine der
beiden Zellen und versuchte leise zu sprechen "Ich grüße
euch, Magier...verzeiht ich habe mitbekommen was gestern passiert ist...dies
ist ein abgekartetes Spiel gegen euch und ich wollte mir erlauben meine
Hilfe anzubieten". Der Magier musterte den Barden von oben bis
unten und sah ihm danach direkt in seine smaragdgrünen Augen, als
ob er durch Glas schauen würde. Jetzt wo er hier so stand ist ihm
die Kühnheit seines Tuns erst mal richtig bewusst geworden, wenn
er jetzt erwischt würde, könnte er alles vergessen was er
noch vorhatte. Er wartete auf eine Regung des Magiers, der ihn immer
noch ansah, als ob er in dem Angesicht des Barden Ehrlichkeit oder Lügen
lesen könnte. "Möglicherweise kann er das sogar"
dachte sich Igor Vectrex...
Rhodgar
in
wahrlich ereignisreicher Tag, man konnte es nicht anders ausdrücken.
Erst wurden Rhodgar und Rena von diesem Greis aufs Kreuz gelegt, festgenommen
und jeweils in eine Kerkerzelle geworfen... und jetzt wurde er selbst
noch von wildfremden Leuten angequatscht. Ja, hatte der denn gar keine
Angst? Graute es ihm nicht vor der schwarzen Robe, edel und in Khorinis
ungefähr sooft gesehen wie ein Drache in Bonsaigrößte?
Dieses finstere Kleidungsstück schützte normalerweise stets
vor nervigen Fragereien und Anpöblungen, wenn man sich mal in die
Stadt wagte. Ja, galt das denn alles nicht mehr, hatte die schwarze
Magie denn bereits all ihren Schrecken verloren?
Bei den letzteren Worten des Mannes war Rhodgar allerdings hellhörig
geworden. Hatte er sich den Bürger vorher gänzlich gelangweilt
angeschaut, so war seine Aufmerksamkeit spätestens dann geweckt
worden, als ihnen dieser Kerl ihre Hilfe anbot. Entweder war er, genau
wie der Obermotz von Soldat vorhin, komplett durchgeknallt, sich mit
dem Dunkelsten weit und breit einzulassen, oder hinter seiner Fassade
versteckte sich etwas, was sein Rückgrat so enorm stärkte.
Konnte ja nicht schaden, mal anzuhören, was dem so im Sinn schwebte.
"So, du willst also mit dem so ziemlich Schlimmsten hier einen
Pakt eingehen, in dem du uns hier raus hilfst? Wie niedlich. Wie kommst
du denn auf den Gedanken, wir würden deine Hilfe benötigen?
Schon mal darüber nachgedacht, dass wir doch so schlimme Gestalten
sind, die sich in Fledermäuse und alles verwandeln, und einfach
zum Fenster rausflattern?"
Natürlich blanker Unsinn, doch Rhodgar gab dem Mann keine Gelegenheit,
eventuelle Einwände hervorzubringen.
"Wir können jederzeit hier von hier verschwinden. Mit einem
einzigen Fingerschnippen, ganz einfach. Aber es ist bestimmt lustiger,
wenn du ein bisschen mitspielen würdest. Also, wie willst du uns
denn helfen?"
Die letzteren Worte würden in den Ohren des Mannes umherschwirren,
und je nach Beschaffenheit seiner Mentalität allerlei Reaktionen
hervorrufen. War er nur ein feiger Hund, der sich nur für ein paar
Bier aus seinem Loch traute, so würde er sofort wieder Land gewinnen
wollen. Wäre er aber, und das vermutete Rhodgar nämlich, anders
als die anderen Bürger, würde den falschen Stolz in dem Unterton
des Schwarzmagiers heraus hören, dann würde er ihnen seinen
Vorschlag unterbreiten. Darauf allerdings ruhten all Rhodgars Hoffnungen
, denn ehrlich gesagt hatte er momentan noch keine Vorstellung, wie
sie hier heraus gelangen könnten.
Igor Vectrex
er
Barde sah den Magier an und fragte sich ob das so ne Art Probe sein
soll. Glaubte sein Gegenüber wirklich, er würde die Geschichten
der Bürger glauben die man sich über die ach so unheimlichen
Schwarzmagier erzählt? Er hatte die beiden Zelleninsassen gestern
gesehen und unheimlich waren sie ihm auf jeden Fall nicht erschienen,
außerdem war sein Vater ja selbst ein Schwarzmagier gewesen, auch
wenn er es erst spät erfahren hatte. Igor Vectrex senkte seinen
Blick ein wenig um den durchdringenden Blick seines Gegenübers
auszuweichen und sprach zu dem Magier "Wenn ihr meint ich glaube
an die Geschichten die man sich hier in der Stadt von euch erzählt,
welcher Teufel sollte mich geritten haben, dieses hier zu tun?... Wenn
ich Euren Stolz damit angegriffen habe zu meinen, dass Ihr Hilfe benötigt
so tut es mir untertänigst leid...bei aller Hochachtung die ich
vor euch habe, ich glaube euch aber nicht dass Ihr ohne Hilfe hieraus
kommt...wieso sollte ein Mann Eurer Gilde länger als fünf
Minuten in einer maroden, dreckigen Zelle wie dieser verbringen?...
Meine Gründe? Fragt ihr, nun lasst euch sagen, dass mir dieser
Konflikt der Garde und dem Zirkel selber persönlich nahe geht aber
das ist wirklich nicht die Zeit um jetzt darüber zu debattieren,
meint Ihr nicht?" Die ganze Zeit pflegte der Barde eine freundliche
Stimme beizubehalten denn das was er gesagt hatte, könnte den Magier
auch vielleicht leicht in Rage versetzen, oder er würde die Ehrlichkeit
hinter seinen Worten sehen und dementsprechend reagieren. Wie auch immer
entweder wurde er jetzt von dem Magier gebrutzelt oder wenn er noch
lange hier rum stand doch noch von einer Wache erwischt...
Rhodgar
"arharhar."
Rhodgar ließ seiner Genugtuung darüber, dass er den Mann
sofort richtig eingeschätzt hatte, freien Lauf, auch wenn es für
seinen Gegenüber so scheinen müsste, als lache der Schwarzmagus
über ihn.
"Gut, ich habe dich also richtig eingeschätzt. Natürlich
kommen wir hier nicht so ohne weiteres weg. Hmm... du schaust mir nicht
gerade wie jemand aus, der diese Eisentür aus ihren Angeln zu heben
vermag."
Der Fremde zog eine Augenbraue hoch, ließ dann etwas wie "natürlich
nicht" oder so vernehmen, den Blick schon wieder abgewandt.
"So höre denn. Wenn du dich wirklich als loyal erweisen willst,
dann sage ich dir jetzt was zu tun ist. Ich sage das nur einmal, merks
dir lieber, denn die Situation ist viel zu prekär, als dass du
dir einen Fehler erlauben dürftest. Bin nicht gerade scharf darauf,
mich bei der nächstbesten Gelegenheit zur Erheiterung der Meute
am Galgen baumelnd zu erleben. Also, gut zuhören. Du wirst dich
ins Kastell aufmachen. Am besten holst du dir Verstärkung, denn
der Weg birgt allerlei Gefahren, und..." Ein kurzes Räuspern.
"... du siehst mir nicht gerade wie jemand aus der zum Kämpfen
geboren ist. Aber wenn es dir gelungen ist, den Weg nach Norden zu finden,
und schließlich vor den Toren unserer finsteren Feste aufzutauchen,
und wenn du dann noch eingelassen wirst, dann wird man dir sofort weiterhelfen
können. Du musst im Geiste nur einen Dämonen zu dir rufen,
dem wirst du dann dein Anliegen vortragen und verlangen, zum Schwarzmagier
Seraphin geführt zu werden. Ja? Seraphin, S-e-r-a-p-h-i-n."
Das der Mann mit denen mit einem Dämonen als Konversationspartner
verbundenen Kopfschmerzen wohl schwer zu kämpfen haben würde,
verschwieg Rhodgar vorsichtshalber. Er wollte ja nicht, dass sein Gegenüber
es sich noch anders überlegte.
(Fortsetzung auf Seite 15)
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