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Seraphin
"uf
dem Weg in die Stadt?!"
Seraphin schaute den flatternden Dämon mit einer Mischung aus
Resignation und Hilflosigkeit an. Diesen interessierte das aber herzlich
wenig und das Flügelwesen wurde immer blasser bis es schließlich
ganz verschwand und den grübelnden Schwarzmagier auf dem Gang zurückließ.
Wieso musste dieser Horaxedus gerade jetzt auf dem Weg in die Stadt
sein? Im Grunde hatte Seraphin kein Problem damit das Kastell mal wieder
zu verlassen und scheute sich auch nicht auf neuen Wegen zu wandern,
das wäre ihm ohnehin lieber gewesen. Aber gerade jetzt in die Stadt
schien ihm kein guter Gedanke zu sein. Trotzdem lenkte er seine Schritte
schließlich den Gang hinunter auf dem Weg zur Eingangshalle, denn
die Sache mit dem Stabkampf ging ihm, seitdem er darüber in der
Bibliothek gelesen hatte, nicht mehr aus dem Kopf. Irgendetwas sagte
ihm dass diese Art zu kämpfen wichtig sei und es das Risiko wert
war, auch wenn er nicht wusste warum und was ihn erwartete. Vielleicht
würde dieser Horaxedus es auch ablehnen ihn zu unterrichten, ihm
vielleicht schon nach den ersten Lektionen sagen dass er gänzlich
unfähig sei. Doch selbst wenn, hatte er es wenigstens versucht,
schließlich wären solche Gründe einfach lächerlich,
wenn sie einen dazu bewegen würden in der Sicherheit des Kastells
zu verweilen. Außerdem wünschte Seraphin sich endlich eine
Waffe richtig zu beherrschen, nicht nur damit umzugehen, sondern sie
zu meistern und sie wirklich führen zu können.
Vielleicht mutete es für einen Schwarzmagier sonderbar an das
er sich nicht als erstes der Magie Beliars widmete, anstatt einer "physischen"
Waffe, doch aufgeschoben hieß nicht aufgehoben. Und dieses Kribbeln
in den Fingerspitzen kannte Seraphin zu Genüge und er würde
es genauso wie auch Rhodgar zu beherrschen lernen, irgendwann. Das hatte
er sich ebenfalls vorgenommen, nachdem er mit Staunen diese Kräfte
in Aktion gesehen hatte.
Mittlerweile war er in der Eingangshalle angekommen. Außer ein
paar Goldstücken nahm er nichts mit, vielmehr besaß er ohnehin
nicht. Bei dem Gedanken huschte unwillkürlich ein Lächeln
über seine Züge. Dann öffneten sich die beiden Torflügel
des Kastells und entließen den Schwarzmagier aus ihrer Obhut.
Die zwei Schatten welche hoch über ihm vor der Sonne ihre Kreise
zogen bemerkte Seraphin gar nicht und selbst wenn hätte er ihnen
wohl auch keine größere Beachtung zukommen lassen.
Er würde sich beeilen um diesen Horaxedus schnell einzuholen...
Seraphin
ie
Sonne schien von Himmel und von Zeit zu Zeit geriet sie in ein kleines
Handgemenge mit den vorrüberziehenden Schäfchenwolken. Allerdings
behielt sie dabei immer die Oberhand und der warme Frühlingswind
beeilte sich ihr den nächstens Gegner herzutreiben, bevor er schließlich
sachte durch die blühenden Pflanzen am Wegesrand fuhr und Seraphin
durch das Gesicht strich. Es war ein wundervoller Tag und dem Schwarzmagier
wurde plötzlich klar, wie viele er davon immer nur hinter den dunklen
Mauern des Kastells verbrachte. Er würde in Zukunft öfter
hinausgehen, im Sommer verstand sich das eh von selbst. Und als ob er
ihm zustimmen wollte flatterte in diesem Moment ein kleiner Schmetterling
vorbei. Die schillernden Flügel glänzten farbenfroh und beförderten
das kleine Wesen zur nächsten Blume, auf der es sich vorsichtig
niederließ und sich im warmen Licht der Sonne badete. Die Vögel
sangen in den Bäumen und die Insekten erfüllten die Luft mir
vielstimmigen Geräuschen. Kleine Pollen segelten durch das Licht
und schwebten weiter um sich irgendwo niederzulassen und dort neues
Leben entstehen zu lassen.
Seraphins Züge entspannten sich und er genoss dieses wunderbare
Gefühl, die Luft, welche einfach nur nach Leben roch und dabei
vor einzelnen Gerüchen fast überquoll. Es war wunderschön
und er wünschte sich plötzlich zum ersten Mal, dass ein Weg
kein Ziel hatte, sondern immer weiter führte. Denn im Moment kam
es ihm vor als könne er endlos laufen, ja ein Ziel war auf einmal
gar nicht mehr wichtig bei einem solch schönen Weg
Trotzdem war er ihn schon zu oft gegangen um nicht zu spüren, dass
er der Stadt langsam näher kam. Es konnten nur noch ein paar Biegungen
sein, bevor er sich schließlich auf dem hinabführenden Pfad
zum Ost-Tor befand. Und langsam wurden seine Züge wieder ernst,
denn mit seinem Ziel kam auch die Gefahr zurück in den Alltag.
Die Wachen durften ihn nicht erkennen, sonst war er geliefert. Doch
im Grunde konnte niemand wissen, dass er etwas mit dem Überfall
auf die Kaserne zu tun hatte. Denn er hatte nicht gekämpft, nur
befreit, und selbst der Wärter hatte Sterne gesehen, bevor er sie
überhaupt richtig erkannte. Nein, Seraphin konnte nur darauf bauen
das sie gut gewesen waren, nämlich so schnell und überraschend,
dass die Gardler keine Zeit hatten die eigentliche Quelle des Übels
zu erahnen, nämlich die lenkende Macht hinter den Golems und vor
den Zellentüren. Der Gedanke dass ihn jemand erkannt haben könnte
gefiel Seraphin ganz und gar nicht, doch es war nicht vollständig
auszuschließen. Trotzdem war er den Weg zur Stadt, so schön
er sich auch erwiesen hatte, garantiert nicht umsonst gegangen und seine
stockenden Schritte wurden wieder fester während er sich auf den
vor ihm liegenden Pfad konzentrierte. Allerdings blieb er jetzt einen
Moment vollständig stehen als er die Gestalt erkannte, welche plötzlich
in sein Sichtfeld geriet. Ein dunkelhaariger Mann, scheinbar etwas älter
als Seraphin selber, schritt ebenfalls den Weg hinab. Doch er war in
schlichte Kleidung gehüllt, also offensichtlich kein Magier.
Seraphin spürte den kleinen Funken Hoffnung, das er Horaxedus
gefunden hätte, wieder verglühen und schritt unbeeindruckt
weiter. Doch irgendwas irritierte ihn, als ob er etwas übersehen
hätte was wichtig war und dieser Umstand veranlasste Seraphin,
sich den vor ihm laufenden Mann ein weiteres Mal zu betrachten. Plötzlich
machte sein Herz einen Ruck und schlug danach noch eine Spur schneller
als normal weiter, als er erkannte was ihm so wichtig erschienen war.
Die Gestalt trug einen Stab! Dieser maß ungefähr eine Manneslänge
und steckte in einer ledernen Hülle auf seinem Rücken. Zwar
konnten in Khorinis eine Menge Leute mit einem Stab auf dem Rücken
herumlaufen, trotzdem war dieser Umstand es zumindest wert den Mann
im Auge zu behalten. Vielleicht sollte Seraphin ihn sogar einfach so
ansprechen. Schließlich wusste er nun mal nicht wie dieser Horaxedus
aussah und wenn er in die Stadt wollte war es nur naheliegend das er
mit der Robe ebenfalls das letzte, für Seraphin mögliche,
Erkennungsmerkmal abgestreift hatte.
Unschlüssig beobachtete Seraphin den Mann weiterhin während
er ihm in Richtung Stadttor folgte
HoraXeduS
chlicht
gestrickte Gemüter, dies war wohl die passende Bezeichnung für
all jene, die in ihrem Leben, oder vielleicht auch nur in einer gegenwärtigen
Phase desselben, nicht einen einzigen ernsthaften Gedanken über
das hinaus verschwendeten, was ihnen bevorzugt in ihrem leider allzu
begrenzten Kopf umherschwirrte. Nun, vermutlich wäre niemand, der
den Glasmacher Horaxedus einmal kennengelernt oder auch nur eine Weile
heimlich beobachtet hatte, ohne weiteres auf den Gedanken verfallen,
ihn als schlicht gestrickt einzuschätzen. Doch die geradlinige
Art und Weise, auf die er sein gesamtes Leben abwickelte, wenn er ein
Ziel vor Augen hatte, hätte ein interessierter Beobachter zumindest
als Sturheit bezeichnen können. Und so marschierte in eben dieser
Nacht der derart leicht zu durchschauende Magier dem Osttor von Khorinis
entgegen, getragen von nur einem einzigen Gedanken, dem er seit Tagen
bereits sein Leben unterordnete. Einen Mann zur Strecke zu bringen,
der seinen Namen der zweifelhaften Fähigkeit verdankte, den Tod
eines Menschen vorhersagen zu können. Knarguf den Illaner.
Schlicht gestrickte Gemüter, so lehrt es die Beobachtung über
Jahrtausende, sollten tunlichst nicht von ihrem geraden Weg abgelenkt
werden. Denn die Umleitung des Geradlinigen, ein Widerspruch in sich,
kann zu unvorhergesehenen Verhängnissen führen. Ganze Königreiche
wurden bereits ausgelöscht, nur weil törichte, heißblütige
Jünglinge die Vermählung der angebeteten, zarten Prinzessin
mit dem schlicht gestrickten, schwitzenden, feisten, alternden Kaiser
des mächtigen Nachbarreiches verhindern wollten. Vergebliche Liebesmüh,
ein ums andere Mal.
Doch offenbar, kurz vor der Stadt Khorinis, gab es einen Mann, der
die ehernen Regeln des schlichten Gemüts, vermutlich gar ohne Bedacht,
auf eine ernsthafte Probe stellte. Mitten in der Nacht ausgerechnet
den Schwarzmagier Horaxedus von seinem einmal eingeschlagenen Weg abzubringen,
kann in den allermeisten Fällen jedenfalls getrost als töricht
bezeichnet werden und eben zu unvorhergesehenen Verhängnissen führen.
Der Kampfstab, den der Glasmacher üblicherweise wie eine Art Wanderstab
verwendete, hing in einen breiten Lederriemen gewickelt auf dem Rücken
des Magiers. Wollte man nicht bereits am Stadttor von Khorinis des Magiertums
verdächtigt werden, reichte es nun mal nicht aus, allein die düstere,
Beliar geweihte Robe gegen schlichte Bürgerkleidung zu tauschen.
Die Torwachen der Stadt waren einfältig, doch waren sie nicht so
dumm, einen kräftigen Mann, gestützt auf einen mannshohen
Stab, für einen altersschwachen Wanderer zu halten, der von Magie
keinen schwarzen Schimmer hatte.
Was sich nun also in der Dunkelheit unweit des Stadttores abspielte,
ist kurz erzählt. Denn wer jemals versucht hat, einem Mann durch
die Finsternis einer bewölkten Nacht zu folgen, welcher der Kunst
des Schleichens mächtig ist, wird verstehen, dass es zumindest
schwierig zu nennen ist, den Verfolgten nicht aus den Augen zu verlieren,
wenn dieser völlig unvermittelt aus dem zügigen Schritt heraus
einfach unbemerkt hinter einem beliebigen mittelstarken Baum stehen
bleibt. Im vorliegenden Fall hatte der Verfolger jedenfalls kein Glück.
Und dann kam auch noch Pech dazu. Der Verfolgte war Horaxedus. Und es
ging wirklich ziemlich schnell.
"Warum folgst du mir?"
Gerne hätte der am Boden Liegende spontan geantwortet, dass er
einen Stabkämpfer namens Horaxedus suchte, den er ersuchen wollte,
ihm den Umgang mit dem Langholz näher zu bringen. Leider aber hatte
der Gesuchte das Ende seines Kampfstabs derart fest auf den Kehlkopf
des Suchenden gedrückt, dass kaum mehr als ein leises Hüsteln
zu vernehmen war.
Der Glasmacher stand aufrecht und neigte leicht den Kopf zur Seite,
als er die Waffe vom Hals des anderen nahm. Wie ein Bandit sah er ja
gerade nicht aus, der Verfolger. Er trug eine schwarze Robe und sehr
helles, lang gebundenes Haar, das zum Vorschein gekommen war, als die
Bewegungen der beiden Männer sich ruckartig und zumindest für
einen von ihnen überraschend gekreuzt hatten. Irgendwo in der Nähe
lag ein Hut.
"Antworte mir", sprach Horaxedus mit ruhiger, fester Stimme.
"Und bleibe am Boden."
Seraphin
ei
Beliar, wie dumm war er eigentlich?
Die Sterne welche Seraphin plötzlich mit geschlossenen Augen sah
zeigten ihm einmal mehr was Unvorsichtigkeit für Folgen haben konnte.
Und so was schimpfte sich Ex-Kurier für die Feuermagier. Er hatte
mit der Zeit wohl wirklich nachgelassen. Langsam versuchte der Schwarzmagier
die neue Situation zu erfassen und seine Rolle in derselbigen wurde
ihm sehr schnell bewusst als er merkte, wie etwas Hartes seinen Kehlkopf
beängstigend zusammendrückte. Vorsichtig öffnete Seraphin
die Augen und versuchte seinen Bezwinger auszumachen, allerdings gestaltete
sich dieses Vorhaben recht schwer und als er beim ersten Mal mit einem
schmerzhaften Stoß in die Halsgegend bestraft wurde beließ
er es dabei. Seinen Kopf wieder mit dem Stab zurückdrängend
und auf abstand haltend richtete der Schatten über ihm das Wort
an Seraphin.
"Warum folgst du mir?" Schallte es ruhig, aber bestimmt zu
ihm herunter. "Ich
such
uff, ich
such.. e
"
Verdammt, wie sollte er denn schon antworten, wenn der Typ ihm seinen
Hals auf Grashalmbreite zusammenquetschte? Das schien seinem Bezwinger
langsam auch einzuleuchten und er verringerte den Druck ein wenig. Aber
wirklich nur soviel das er gerade sprechen konnte, nicht mehr und nicht
weniger. Ein weiteres Mal ertönte die Stimme über ihm in festem
Ton. "Antworte mir. Und bleibe am Boden." Seraphin hatte nicht
wirklich etwas anderes vorgehabt, in solchen Situationen war es immer
das Dümmste den Helden spielen zu wollen. Zumindest das hatte er
von seiner Zeit als Kurier noch behalten. Jetzt versuchte er seinerseits
die Stimme zu erheben, allerdings hatte er das Gefühl einen Blutfliegenstachel
quer im Hals stecken zu haben. "Mein Name ist Seraphin, ich bin
auf der Suche nach einem Mann namens Horaxedus." Bei dem letzten
Wort schien sich etwas in den Zügen seines Gegenübers zu verändern,
sofern Seraphin diese aus seiner jetzigen Position beobachten konnte.
Allerdings ließ er sich davon nicht ablenken und sprach weiter.
"Er heißt, er sei ein Meister im Kampf mit dem Stab und als
solcher auch in der Lage, dieses Können weiterzureichen. Nun, aus
diesem Grund suche ich ihn, denn es wäre mir eine Ehre als sein
Schüler zu gelten.
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Seraphin legte eine Pause ein und nur die
Geräusche des Waldes durchbrachen die angespannte Stille. Mittlerweile
war er sich ziemlich sicher, Horaxedus gefunden zu haben. Vielleicht hoffte
er es auch nur, denn wenn nicht befand er sich jetzt in einer ziemlich
misslichen Lage. Aber plötzlich verringerte sich der Druck auf seinen
Hals und der Stab wanderte langsam nach oben. Einen Moment passierte nichts,
dann ertönte die Stimme wieder, diesmal scheinbar allerdings eine
Spur freundlicher. "Steht auf, Seraphin." Seraphin zögerte
noch kurz, dann erhob er sich endgültig und sah seinen Gegenüber
zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht. Dieser reichte ihm seinen Hut
und Seraphin beförderte die geliebte Kopfbedeckung schnell wieder
an ihren angestammten Platz. Dann klopfte er sich den Mantel sauber und
hob seinen Stab auf. Die kleine Schwellung an seinem Hinterkopf würde
hoffentlich am nächsten Tag verschwunden sein und er biss die Zähne
zusammen während er vorsichtig darüber tastete.
Schließlich erhob sein Gegenüber wieder die Stimme. "Ihr
braucht nicht länger zu suchen, Seraphin. Ihr habt mich gefunden,
auch wenn es mir ein wenig Leid tut das unsere erste Begegnung so stattfinden
musste. Darf ich mich vorstellen, Horaxedus, Meister des Stabkampfes
und Priester Beliars." Mit diesen Worten streckte der Mann ihm
seine Hand entgegen und Seraphin begrüßte ihn jetzt mit einem
festen Druck. Dann lächelte er und antwortete. "Es freut mich,
euch endlich gefunden zu haben werter Horaxedus. Und die kleine Beule
nehme ich euch wirklich nicht übel, zeigt sie mir doch wie stark
diese Kunst ist, wenn man sie erst einmal richtig beherrscht."
Bei den letzten Worten schien sein Gegenüber ihn genau zu beobachten
und Seraphin spannte sich jetzt wieder als er sein Anliegen endlich
vortrug. "Denn das ist mein eigentlicher Wunsch, wie ihr euch sicher
denken könnt. Ich bitte euch, bringt mir den Kampf mit dem Stab
bei. Es wäre mir eine Ehre euer Schüler zu sein
"
schloss Seraphin und schaute den Priester erwartungsvoll an.
Die Geräusche des Waldes schienen plötzlich eine Spur eindringlicher
zu werden und eine Windböe fuhr zwischen den beiden Männern
hindurch, verwirbelte sich schließlich im Unterholz. Dann, nur
kurz und fast nicht zu erahnen, doch trotz allem vorhanden, erschien
ein Lächeln auf Horaxedus Gesicht.
Und plötzlich hatte Seraphin das Gefühl die nächsten
Wochen würden alles andere als langweilig werden
HoraXeduS
chweigend
gingen die beiden Magier nebeneinander in Richtung der Stadt. Und während
der eine, Seraphin, noch immer hoffte, seine Anfrage nach Stabkampfausbildung
möge positiv beschieden werden, hatte der andere, Horaxedus, den
Kopf voller Gedanken, die zu sortieren er eigentlich überhaupt
keine Zeit hatte. Beliar hatte offensichtlich Humor, ihm einen Mann
mit Hut zuschicken, und das ausgerechnet nach wochenlangem Kastellaufenthalt.
Ausgerechnet jetzt, wo es galt, eilig zu handeln, wurde ihm ein Schüler
geschickt. Nun, immerhin wollte dieser nicht Magie von ihm lernen. Das
wäre sicher für beide nicht ganz ungefährlich gewesen.
Noch immer geduldete sich Seraphin, der dem Glasmacher an Alter und
Größe annähernd ebenbürtig war, warf jedoch hin
und wieder einen verstohlenen Seitenblick auf den anderen, als wolle
er ihm die Bereitschaft, es mit ihm zu versuchen, förmlich aus
dem Gesicht herauslesen.
"Wir nähern uns der Stadt, dort liegt bereits das Tor",
sagte Horaxedus und hielt inne. Seraphin nickte wissend, eben wie ein
Mann, der lieber Dinge erfährt, von denen er nicht zuvor bereits
wusste. Doch fuhr der Glasmacher sogleich fort. "Ich muss dringend
etwas in Khorinis erledigen. Versteh mich bitte nicht falsch, aber Dein
Hut und so..." Wieder nickte Seraphin, diesmal bedächtiger,
als schiene er zu überlegen, wie er sich in der gebotenen Kürze
noch dem Stabmeister als Begleiter in die Stadt anbieten konnte. Leider
aber hatte er 'richtig unauffällig' momentan einfach nicht kurzfristig
im Programm, also versuchte er etwas anderes. "Werdet Ihr lange
bleiben? Ich könnte sonst einfach warten, wenn Ihr Euch entscheidet,
mir die Ausbildung..." "Nein, Serpahin. Du bist mein Schüler.
So billig kommst du mir nicht davon, dass du dich hier draußen
auf die faule Haut legst, während ich in der Stadt dringende Erledigungen
besorge." Daraufhin wandte er sich wieder um und setzte seinen
Weg in Richtung des nahen Tores fort. Der Schüler eilte sich, seinen
Schritt wieder aufzunehmen.
"Um ein Stabkämpfer sein zu können, muss man vor allem
mal ein Kämpfer sein." Horaxedus schaute auf das Stadttor
während er sprach. Je näher sie ihm kamen, desto deutlicher
erschienen dessen Konturen, ebenso wie die der davor postierten Stadtwache.
"Bist du ein Kämpfer, Seraphin?" "Ich glaube, ja."
Horaxedus blieb erneut stehen, das Tor und die Wachen waren kaum einen
Steinwurf entfernt. Langsam nahm der Glasmacher seinen schlichten Kampfstab
vom Rücken. Dann trat er auf dem Pfad einige Schritte beiseite
in Richtung Stadtmauer und blickte dabei auf den Boden, gerade so als
suche er etwas. Schließlich bückte er sich und hob etwas
auf, was er sogleich auf seiner geöffneten Hand dem Behüteten
präsentierte.
Seraphin betrachtete den nicht ganz faustgroßen Stein, der außer
einer unauffälligen bräunlichen Struktur in seiner ansonsten
grauen Oberfläche keinerlei Besonderheiten aufwies. Sogleich schloss
sich die Hand des Glasmachers wieder um den Stein und Horaxedus warf
ihn kräftig steil über sich in die Luft, und noch bevor das
Wurfgeschoss seinen Höhepunkt über dem Werfer erreicht hatte,
hatte der Stabkämpfer bereits seine Waffe mit beiden Händen
am selben Ende umschlossen und vollzog eine weite Ausholbewegung mit
dem Stab. Zum Glück war Seraphin ein guter Beobachter, denn als
der Stein sich im Fallen bedrohlich dem Kopf des Lehrers näherte,
trat dieser blitzschnell einen Schritt zur Seite und ließ das
angehobene Ende seines Langholzes seitwärts nach vorne schwingen.
Es folgte ein hörbares Krachen und der Stein war aus seiner senkrechten
Bahn gebracht. Stattdessen flog er in hohem Bogen und atemberaubender
Geschwindigkeit sehr sehr weit über die Stadtmauer. Zu weit jedenfalls,
um den Einschlag bis hier her zu hören.
Horaxedus schob sich den unversehrten Stab wieder auf den Rücken
und wandte sich an seinen Schüler, der die Vorführung interessiert
beobachtet hatte. "Am Anfang ist der Stein nicht immer leicht zu
treffen. Willst du es mal versuchen?" Seraphin nickte und der Lehrer
lächelte zufrieden: "Weil dir, wie ich sehe, nur noch ein
passender Stein zum Üben fehlt, schenke ich dir einen. Nimm bitte
den, den ich gerade benutzt habe, denn er ist offensichtlich gut geeignet."
Seraphin schluckte, während Horaxedus fortfuhr. "Ich weiß
noch nicht, wie lange ich in der Stadt bleibe, vielleicht 1-2 Tage.
Wenn du mir also zeigen willst, dass du die Übung beherrschst,
solltest du den Stein genau von seinem jetzigen Platz aus wieder zurück
über die Stadtmauer geschlagen haben, noch bevor ich die Stadt
wieder verlasse. Als Beweis soll es mir genügen, dass der Stein
wieder hier draußen liegt." Seraphin schwieg.
"Eines noch, Seraphin. Weißt du, es ist wichtig, dass ein
Kämpfer für diese Übung unbedingt seinen eigenen Stab
benutzt, um ein Gefühl für diese Waffe zu bekommen. Also nimm
genau diesen Stab, den du jetzt trägst, und keinen anderen als
diesen, hörst du?" Mit diesen Worten nahm Horaxedus seinem
Schützling dessen Stab aus der Hand und wandte sich zum Gehen.
"Bis bald", rief er noch einmal zum Gruß, doch warf
er keinen Blick zurück.
Das letzte, was er dann für heute von seinem Lehrer sah, konnte
Seraphin schließlich auch nicht mehr umhauen: Horaxedus drückte
tatsächlich den Stab seines Schülers nach kurzem Gespräch
einer der beiden Torwachen in die Hand und betrat dann zügig die
Stadt.
Seraphin
eraphin
stand mit offenem Mund da und sah dem in die Stadt davonschlendernden
Horaxedus hinterher. Erst nachdem der Priester aus seinem Blickfeld
verschwunden war realisierte er langsam, was eigentlich passiert war.
Abwechselnd betrachtete er seine jetzt leeren Hände, dann die Stadtwache
mit ihrem neuen Besitz, dann wieder seine Hände, dann das Ost-Tor
durch das Horaxedus verschwunden war. Und dann die Stadtmauer und den
imaginären Punkt dahinter wo irgendwo der faustgroße Stein
gelandet sein musste. Langsam begann er ernsthaft an dem Verstand des
Priesters zu zweifeln. War der zu lange bei den Sumpflern gewesen oder
einfach nur so durchgeknallt? Hatte der Kerl doch einfach dem Wachen
seinen Stab gegeben und verlangte jetzt von ihm einen Stein irgendwo
in Khorinis zu suchen!
Aber natürlich, das war jetzt ja auch wirklich kein Problem, was
regte er sich eigentlich so auf
.
Kopfschüttelnd versuchte Seraphin noch einmal Sinn und Zweck dieser
Handlung nachzuvollziehen, ab dem dritten Mal gab er dann mit der Erkenntnis
auf, dass das Ganze wohl entweder absolut bescheuert war oder aber einen
tieferen Sinn beherbergte der seiner unreinen Seele scheinbar vorerst
verborgen bleiben würde. Dann holte er einmal tief Luft und sammelte
sich. Offenbar blieb ihm nichts anderes übrig als sich zu der Stadtwache
zu begeben, zum einen, weil er nur so die Aufgabe bestehen konnte, zum
anderen, weil er keinesfalls seinen Stab an ein paar versoffene Gardler
zu verlieren gedachte. Das einzige Problem dabei war nur, das er sich
noch vor kurzem erst ziemlich unbeliebt bei ihnen gemacht und folglich
in nächster Zeit die Gesellschaft der treuen Königsvasallen
meiden wollte. Doch scheinbar führte kein Weg daran vorbei, also
tröstete er sich mit der Tatsache das ihn bei der Befreiungsaktion
eigentlich Niemand erkannt haben durfte und er somit in ihren Augen
nicht mehr als ein schlichter Wanderer war. Der seinen Stab zurück
wollte. Was für ein Blödsinn
Das Stadttor kam langsam näher und mit ihm die vier in roten Rüstungen
gekleideten Gestalten, welche sich in der Regel einen Spaß daraus
machten ihre kleine Machtposition auszunutzen und fremden Wanderern
das Leben schwer zu machen. Genau das war es zumindest was Seraphin
gerade durch den Kopf ging. Außerdem fragte er sich, wie sie wohl
reagierten, wenn ein fremder Wanderer ihnen einen Stab in die Hand drückte
und kurz darauf ein zweiter fremder Wanderer kam, der behauptete, das
der erste fremde Wanderer ihm völlig sinnloser weise seinen Stab
weggenommen hätte damit er ihn jetzt wiederbesorgte um einen Stein,
der irgendwo in Khorinis herum lag, damit über die Mauer wieder
zurückzuschlagen.
Mittlerweile stand Seraphin fast direkt vor den Wachen und fuhr kopfschüttelnd
aus seinen Gedanken hoch. Er würde es einfach probieren müssen,
mehr konnte er nicht tun. Entweder würden sie seine Lage verstehen,
oder... na ja, oder eben nicht. Der vorderste Wachmann sah ihn jetzt
an und Seraphin blieb, die Augen auf seinen Stab in den Händen
des Milizen gerichtet, vor ihm stehen. "Nun
" räusperte
er sich und auch die anderen Milizen sahen jetzt von ihrem unheimlich
wichtigen grimmig in die Gegend starren oder gelangweilten Däumchendrehen
ab und wandten ihre Aufmerksamkeit dem schwarzbemäntelten Wanderer
zu. "Nun
" begann Seraphin von neuem, "was auch
immer dieser Mann vorhin zu euch gesagt hat, als er euch den Stab gab,
es ist in jedem Fall meiner und ich würde euch bitten ihn mir wieder
auszuhändigen."
Er hätte sich schlagen können, das klang so plump, aber was
sollte er schon groß anderes sagen? Die Gardler würden ihn
auslachen, wenn er erzählte, dass das Ganze nur eine Prüfung
war für einen scheinbar all zu dummen Stabkampfschüler war.
Aufmerksam suchte Seraphin das Gesicht seines Gegenübers nach
irgendeiner Reaktion ab und verspürte plötzlich den dringenden
Wunsch, Horaxedus für diesen Unsinn zu Rede zu stellen.
Sofern es ihm erst einmal gelang seinen Stab wiederzukriegen
Die Stadtwache
ie
Fänger der Schwarzmagier, die Helden von Khorinis, Milof, Dragen
und Bruns standen vor dem Osttor und hielten Wache bei ihnen war noch
ein vierter, völlig belangloser und unbekannter Milize dessen Augen
nach oben gerollt waren was Dank der ausschweifenden Heldengeschichten
der drei Kollegen mittlerweile Dauerzustand war. Mitten im schönsten
prahlen wie sie die gefährlichen Anhänger Beliars festgesetzt
hatten kam ein seltsam gekleideter Mann zu ihnen und drückte Milof
einen Stab in die Hand. Verschwörerisch beugte er sich zu ihnen
und begann zu sprechen.
"Seht ihr den Mann dort drüben mit dem komischen Hut? Den
habe ich in der toten Harpyie getroffen, total betrunken der gute. Aber
worum es geht, er hat behauptet, dass ihr Milizen unfähig seid.
Ihr könntet nicht mal auf diesen Stab aufpassen, geschweige denn
auf die Stadt, das wollte er mir auch sogleich beweisen. Nun denn, einen
schönen Tag wünsche ich noch."
Der dunkel gekleidete Wanderer schritt schnell durch das Tor und war
bald aus dem Sichtfeld der Soldaten verschwunden. Kurz darauf kam der
Hutmann tatsächlich auf sie zu und faselte den Dreien und ihrem
unwichten und total nebensächlichem Kameraden etwas von wegen:
"Das is mein Stab" vor, na dem würden sie eine Lektion
erteilen.
Milof fing an. "So so, das ist also dein Stab? Nun der Wanderer
hat ihn mir gerade eben geschenkt womit er mein Eigentum ist."
Der unbekannte, nebensächliche und eh total überflüssige
vierte Milizsoldat hieb sich mit der Hand an die Stirn "jetzt geht
das wieder los" stöhnte er.
Dragen stimmte ein. "Oder willst du etwa behaupten das dieser
Mann dir den Stab gestohlen hat? Das wäre ja eine äußerst
schwere Anschuldigung die du hoffentlich beweisen kannst."
(Fortsetzung auf Seite 10)
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