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Inhalt 06/04

Stabkampf
gepostet zwischen 21.05. und 03.06.2004
  Seraphin

"uf dem Weg in die Stadt?!"

Seraphin schaute den flatternden Dämon mit einer Mischung aus Resignation und Hilflosigkeit an. Diesen interessierte das aber herzlich wenig und das Flügelwesen wurde immer blasser bis es schließlich ganz verschwand und den grübelnden Schwarzmagier auf dem Gang zurückließ.

Wieso musste dieser Horaxedus gerade jetzt auf dem Weg in die Stadt sein? Im Grunde hatte Seraphin kein Problem damit das Kastell mal wieder zu verlassen und scheute sich auch nicht auf neuen Wegen zu wandern, das wäre ihm ohnehin lieber gewesen. Aber gerade jetzt in die Stadt schien ihm kein guter Gedanke zu sein. Trotzdem lenkte er seine Schritte schließlich den Gang hinunter auf dem Weg zur Eingangshalle, denn die Sache mit dem Stabkampf ging ihm, seitdem er darüber in der Bibliothek gelesen hatte, nicht mehr aus dem Kopf. Irgendetwas sagte ihm dass diese Art zu kämpfen wichtig sei und es das Risiko wert war, auch wenn er nicht wusste warum und was ihn erwartete. Vielleicht würde dieser Horaxedus es auch ablehnen ihn zu unterrichten, ihm vielleicht schon nach den ersten Lektionen sagen dass er gänzlich unfähig sei. Doch selbst wenn, hatte er es wenigstens versucht, schließlich wären solche Gründe einfach lächerlich, wenn sie einen dazu bewegen würden in der Sicherheit des Kastells zu verweilen. Außerdem wünschte Seraphin sich endlich eine Waffe richtig zu beherrschen, nicht nur damit umzugehen, sondern sie zu meistern und sie wirklich führen zu können.

Vielleicht mutete es für einen Schwarzmagier sonderbar an das er sich nicht als erstes der Magie Beliars widmete, anstatt einer "physischen" Waffe, doch aufgeschoben hieß nicht aufgehoben. Und dieses Kribbeln in den Fingerspitzen kannte Seraphin zu Genüge und er würde es genauso wie auch Rhodgar zu beherrschen lernen, irgendwann. Das hatte er sich ebenfalls vorgenommen, nachdem er mit Staunen diese Kräfte in Aktion gesehen hatte.

Mittlerweile war er in der Eingangshalle angekommen. Außer ein paar Goldstücken nahm er nichts mit, vielmehr besaß er ohnehin nicht. Bei dem Gedanken huschte unwillkürlich ein Lächeln über seine Züge. Dann öffneten sich die beiden Torflügel des Kastells und entließen den Schwarzmagier aus ihrer Obhut. Die zwei Schatten welche hoch über ihm vor der Sonne ihre Kreise zogen bemerkte Seraphin gar nicht und selbst wenn hätte er ihnen wohl auch keine größere Beachtung zukommen lassen.

Er würde sich beeilen um diesen Horaxedus schnell einzuholen...

Seraphin

ie Sonne schien von Himmel und von Zeit zu Zeit geriet sie in ein kleines Handgemenge mit den vorrüberziehenden Schäfchenwolken. Allerdings behielt sie dabei immer die Oberhand und der warme Frühlingswind beeilte sich ihr den nächstens Gegner herzutreiben, bevor er schließlich sachte durch die blühenden Pflanzen am Wegesrand fuhr und Seraphin durch das Gesicht strich. Es war ein wundervoller Tag und dem Schwarzmagier wurde plötzlich klar, wie viele er davon immer nur hinter den dunklen Mauern des Kastells verbrachte. Er würde in Zukunft öfter hinausgehen, im Sommer verstand sich das eh von selbst. Und als ob er ihm zustimmen wollte flatterte in diesem Moment ein kleiner Schmetterling vorbei. Die schillernden Flügel glänzten farbenfroh und beförderten das kleine Wesen zur nächsten Blume, auf der es sich vorsichtig niederließ und sich im warmen Licht der Sonne badete. Die Vögel sangen in den Bäumen und die Insekten erfüllten die Luft mir vielstimmigen Geräuschen. Kleine Pollen segelten durch das Licht und schwebten weiter um sich irgendwo niederzulassen und dort neues Leben entstehen zu lassen.

Seraphins Züge entspannten sich und er genoss dieses wunderbare Gefühl, die Luft, welche einfach nur nach Leben roch und dabei vor einzelnen Gerüchen fast überquoll. Es war wunderschön und er wünschte sich plötzlich zum ersten Mal, dass ein Weg kein Ziel hatte, sondern immer weiter führte. Denn im Moment kam es ihm vor als könne er endlos laufen, ja ein Ziel war auf einmal gar nicht mehr wichtig bei einem solch schönen Weg…


Trotzdem war er ihn schon zu oft gegangen um nicht zu spüren, dass er der Stadt langsam näher kam. Es konnten nur noch ein paar Biegungen sein, bevor er sich schließlich auf dem hinabführenden Pfad zum Ost-Tor befand. Und langsam wurden seine Züge wieder ernst, denn mit seinem Ziel kam auch die Gefahr zurück in den Alltag. Die Wachen durften ihn nicht erkennen, sonst war er geliefert. Doch im Grunde konnte niemand wissen, dass er etwas mit dem Überfall auf die Kaserne zu tun hatte. Denn er hatte nicht gekämpft, nur befreit, und selbst der Wärter hatte Sterne gesehen, bevor er sie überhaupt richtig erkannte. Nein, Seraphin konnte nur darauf bauen das sie gut gewesen waren, nämlich so schnell und überraschend, dass die Gardler keine Zeit hatten die eigentliche Quelle des Übels zu erahnen, nämlich die lenkende Macht hinter den Golems und vor den Zellentüren. Der Gedanke dass ihn jemand erkannt haben könnte gefiel Seraphin ganz und gar nicht, doch es war nicht vollständig auszuschließen. Trotzdem war er den Weg zur Stadt, so schön er sich auch erwiesen hatte, garantiert nicht umsonst gegangen und seine stockenden Schritte wurden wieder fester während er sich auf den vor ihm liegenden Pfad konzentrierte. Allerdings blieb er jetzt einen Moment vollständig stehen als er die Gestalt erkannte, welche plötzlich in sein Sichtfeld geriet. Ein dunkelhaariger Mann, scheinbar etwas älter als Seraphin selber, schritt ebenfalls den Weg hinab. Doch er war in schlichte Kleidung gehüllt, also offensichtlich kein Magier.

Seraphin spürte den kleinen Funken Hoffnung, das er Horaxedus gefunden hätte, wieder verglühen und schritt unbeeindruckt weiter. Doch irgendwas irritierte ihn, als ob er etwas übersehen hätte was wichtig war und dieser Umstand veranlasste Seraphin, sich den vor ihm laufenden Mann ein weiteres Mal zu betrachten. Plötzlich machte sein Herz einen Ruck und schlug danach noch eine Spur schneller als normal weiter, als er erkannte was ihm so wichtig erschienen war.
Die Gestalt trug einen Stab! Dieser maß ungefähr eine Manneslänge und steckte in einer ledernen Hülle auf seinem Rücken. Zwar konnten in Khorinis eine Menge Leute mit einem Stab auf dem Rücken herumlaufen, trotzdem war dieser Umstand es zumindest wert den Mann im Auge zu behalten. Vielleicht sollte Seraphin ihn sogar einfach so ansprechen. Schließlich wusste er nun mal nicht wie dieser Horaxedus aussah und wenn er in die Stadt wollte war es nur naheliegend das er mit der Robe ebenfalls das letzte, für Seraphin mögliche, Erkennungsmerkmal abgestreift hatte.


Unschlüssig beobachtete Seraphin den Mann weiterhin während er ihm in Richtung Stadttor folgte…

HoraXeduS

chlicht gestrickte Gemüter, dies war wohl die passende Bezeichnung für all jene, die in ihrem Leben, oder vielleicht auch nur in einer gegenwärtigen Phase desselben, nicht einen einzigen ernsthaften Gedanken über das hinaus verschwendeten, was ihnen bevorzugt in ihrem leider allzu begrenzten Kopf umherschwirrte. Nun, vermutlich wäre niemand, der den Glasmacher Horaxedus einmal kennengelernt oder auch nur eine Weile heimlich beobachtet hatte, ohne weiteres auf den Gedanken verfallen, ihn als schlicht gestrickt einzuschätzen. Doch die geradlinige Art und Weise, auf die er sein gesamtes Leben abwickelte, wenn er ein Ziel vor Augen hatte, hätte ein interessierter Beobachter zumindest als Sturheit bezeichnen können. Und so marschierte in eben dieser Nacht der derart leicht zu durchschauende Magier dem Osttor von Khorinis entgegen, getragen von nur einem einzigen Gedanken, dem er seit Tagen bereits sein Leben unterordnete. Einen Mann zur Strecke zu bringen, der seinen Namen der zweifelhaften Fähigkeit verdankte, den Tod eines Menschen vorhersagen zu können. Knarguf den Illaner.

Schlicht gestrickte Gemüter, so lehrt es die Beobachtung über Jahrtausende, sollten tunlichst nicht von ihrem geraden Weg abgelenkt werden. Denn die Umleitung des Geradlinigen, ein Widerspruch in sich, kann zu unvorhergesehenen Verhängnissen führen. Ganze Königreiche wurden bereits ausgelöscht, nur weil törichte, heißblütige Jünglinge die Vermählung der angebeteten, zarten Prinzessin mit dem schlicht gestrickten, schwitzenden, feisten, alternden Kaiser des mächtigen Nachbarreiches verhindern wollten. Vergebliche Liebesmüh, ein ums andere Mal.

Doch offenbar, kurz vor der Stadt Khorinis, gab es einen Mann, der die ehernen Regeln des schlichten Gemüts, vermutlich gar ohne Bedacht, auf eine ernsthafte Probe stellte. Mitten in der Nacht ausgerechnet den Schwarzmagier Horaxedus von seinem einmal eingeschlagenen Weg abzubringen, kann in den allermeisten Fällen jedenfalls getrost als töricht bezeichnet werden und eben zu unvorhergesehenen Verhängnissen führen.

Der Kampfstab, den der Glasmacher üblicherweise wie eine Art Wanderstab verwendete, hing in einen breiten Lederriemen gewickelt auf dem Rücken des Magiers. Wollte man nicht bereits am Stadttor von Khorinis des Magiertums verdächtigt werden, reichte es nun mal nicht aus, allein die düstere, Beliar geweihte Robe gegen schlichte Bürgerkleidung zu tauschen. Die Torwachen der Stadt waren einfältig, doch waren sie nicht so dumm, einen kräftigen Mann, gestützt auf einen mannshohen Stab, für einen altersschwachen Wanderer zu halten, der von Magie keinen schwarzen Schimmer hatte.

Was sich nun also in der Dunkelheit unweit des Stadttores abspielte, ist kurz erzählt. Denn wer jemals versucht hat, einem Mann durch die Finsternis einer bewölkten Nacht zu folgen, welcher der Kunst des Schleichens mächtig ist, wird verstehen, dass es zumindest schwierig zu nennen ist, den Verfolgten nicht aus den Augen zu verlieren, wenn dieser völlig unvermittelt aus dem zügigen Schritt heraus einfach unbemerkt hinter einem beliebigen mittelstarken Baum stehen bleibt. Im vorliegenden Fall hatte der Verfolger jedenfalls kein Glück. Und dann kam auch noch Pech dazu. Der Verfolgte war Horaxedus. Und es ging wirklich ziemlich schnell.

"Warum folgst du mir?"

Gerne hätte der am Boden Liegende spontan geantwortet, dass er einen Stabkämpfer namens Horaxedus suchte, den er ersuchen wollte, ihm den Umgang mit dem Langholz näher zu bringen. Leider aber hatte der Gesuchte das Ende seines Kampfstabs derart fest auf den Kehlkopf des Suchenden gedrückt, dass kaum mehr als ein leises Hüsteln zu vernehmen war.

Der Glasmacher stand aufrecht und neigte leicht den Kopf zur Seite, als er die Waffe vom Hals des anderen nahm. Wie ein Bandit sah er ja gerade nicht aus, der Verfolger. Er trug eine schwarze Robe und sehr helles, lang gebundenes Haar, das zum Vorschein gekommen war, als die Bewegungen der beiden Männer sich ruckartig und zumindest für einen von ihnen überraschend gekreuzt hatten. Irgendwo in der Nähe lag ein Hut.

"Antworte mir", sprach Horaxedus mit ruhiger, fester Stimme. "Und bleibe am Boden."

Seraphin

ei Beliar, wie dumm war er eigentlich?

Die Sterne welche Seraphin plötzlich mit geschlossenen Augen sah zeigten ihm einmal mehr was Unvorsichtigkeit für Folgen haben konnte. Und so was schimpfte sich Ex-Kurier für die Feuermagier. Er hatte mit der Zeit wohl wirklich nachgelassen. Langsam versuchte der Schwarzmagier die neue Situation zu erfassen und seine Rolle in derselbigen wurde ihm sehr schnell bewusst als er merkte, wie etwas Hartes seinen Kehlkopf beängstigend zusammendrückte. Vorsichtig öffnete Seraphin die Augen und versuchte seinen Bezwinger auszumachen, allerdings gestaltete sich dieses Vorhaben recht schwer und als er beim ersten Mal mit einem schmerzhaften Stoß in die Halsgegend bestraft wurde beließ er es dabei. Seinen Kopf wieder mit dem Stab zurückdrängend und auf abstand haltend richtete der Schatten über ihm das Wort an Seraphin.

"Warum folgst du mir?" Schallte es ruhig, aber bestimmt zu ihm herunter. "Ich… such…uff, ich… such.. e…" Verdammt, wie sollte er denn schon antworten, wenn der Typ ihm seinen Hals auf Grashalmbreite zusammenquetschte? Das schien seinem Bezwinger langsam auch einzuleuchten und er verringerte den Druck ein wenig. Aber wirklich nur soviel das er gerade sprechen konnte, nicht mehr und nicht weniger. Ein weiteres Mal ertönte die Stimme über ihm in festem Ton. "Antworte mir. Und bleibe am Boden." Seraphin hatte nicht wirklich etwas anderes vorgehabt, in solchen Situationen war es immer das Dümmste den Helden spielen zu wollen. Zumindest das hatte er von seiner Zeit als Kurier noch behalten. Jetzt versuchte er seinerseits die Stimme zu erheben, allerdings hatte er das Gefühl einen Blutfliegenstachel quer im Hals stecken zu haben. "Mein Name ist Seraphin, ich bin auf der Suche nach einem Mann namens Horaxedus." Bei dem letzten Wort schien sich etwas in den Zügen seines Gegenübers zu verändern, sofern Seraphin diese aus seiner jetzigen Position beobachten konnte. Allerdings ließ er sich davon nicht ablenken und sprach weiter. "Er heißt, er sei ein Meister im Kampf mit dem Stab und als solcher auch in der Lage, dieses Können weiterzureichen. Nun, aus diesem Grund suche ich ihn, denn es wäre mir eine Ehre als sein Schüler zu gelten.

  Seraphin legte eine Pause ein und nur die Geräusche des Waldes durchbrachen die angespannte Stille. Mittlerweile war er sich ziemlich sicher, Horaxedus gefunden zu haben. Vielleicht hoffte er es auch nur, denn wenn nicht befand er sich jetzt in einer ziemlich misslichen Lage. Aber plötzlich verringerte sich der Druck auf seinen Hals und der Stab wanderte langsam nach oben. Einen Moment passierte nichts, dann ertönte die Stimme wieder, diesmal scheinbar allerdings eine Spur freundlicher. "Steht auf, Seraphin." Seraphin zögerte noch kurz, dann erhob er sich endgültig und sah seinen Gegenüber zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht. Dieser reichte ihm seinen Hut und Seraphin beförderte die geliebte Kopfbedeckung schnell wieder an ihren angestammten Platz. Dann klopfte er sich den Mantel sauber und hob seinen Stab auf. Die kleine Schwellung an seinem Hinterkopf würde hoffentlich am nächsten Tag verschwunden sein und er biss die Zähne zusammen während er vorsichtig darüber tastete.

Schließlich erhob sein Gegenüber wieder die Stimme. "Ihr braucht nicht länger zu suchen, Seraphin. Ihr habt mich gefunden, auch wenn es mir ein wenig Leid tut das unsere erste Begegnung so stattfinden musste. Darf ich mich vorstellen, Horaxedus, Meister des Stabkampfes und Priester Beliars." Mit diesen Worten streckte der Mann ihm seine Hand entgegen und Seraphin begrüßte ihn jetzt mit einem festen Druck. Dann lächelte er und antwortete. "Es freut mich, euch endlich gefunden zu haben werter Horaxedus. Und die kleine Beule nehme ich euch wirklich nicht übel, zeigt sie mir doch wie stark diese Kunst ist, wenn man sie erst einmal richtig beherrscht." Bei den letzten Worten schien sein Gegenüber ihn genau zu beobachten und Seraphin spannte sich jetzt wieder als er sein Anliegen endlich vortrug. "Denn das ist mein eigentlicher Wunsch, wie ihr euch sicher denken könnt. Ich bitte euch, bringt mir den Kampf mit dem Stab bei. Es wäre mir eine Ehre euer Schüler zu sein…" schloss Seraphin und schaute den Priester erwartungsvoll an.

Die Geräusche des Waldes schienen plötzlich eine Spur eindringlicher zu werden und eine Windböe fuhr zwischen den beiden Männern hindurch, verwirbelte sich schließlich im Unterholz. Dann, nur kurz und fast nicht zu erahnen, doch trotz allem vorhanden, erschien ein Lächeln auf Horaxedus Gesicht.

Und plötzlich hatte Seraphin das Gefühl die nächsten Wochen würden alles andere als langweilig werden…

HoraXeduS

chweigend gingen die beiden Magier nebeneinander in Richtung der Stadt. Und während der eine, Seraphin, noch immer hoffte, seine Anfrage nach Stabkampfausbildung möge positiv beschieden werden, hatte der andere, Horaxedus, den Kopf voller Gedanken, die zu sortieren er eigentlich überhaupt keine Zeit hatte. Beliar hatte offensichtlich Humor, ihm einen Mann mit Hut zuschicken, und das ausgerechnet nach wochenlangem Kastellaufenthalt. Ausgerechnet jetzt, wo es galt, eilig zu handeln, wurde ihm ein Schüler geschickt. Nun, immerhin wollte dieser nicht Magie von ihm lernen. Das wäre sicher für beide nicht ganz ungefährlich gewesen.

Noch immer geduldete sich Seraphin, der dem Glasmacher an Alter und Größe annähernd ebenbürtig war, warf jedoch hin und wieder einen verstohlenen Seitenblick auf den anderen, als wolle er ihm die Bereitschaft, es mit ihm zu versuchen, förmlich aus dem Gesicht herauslesen.

"Wir nähern uns der Stadt, dort liegt bereits das Tor", sagte Horaxedus und hielt inne. Seraphin nickte wissend, eben wie ein Mann, der lieber Dinge erfährt, von denen er nicht zuvor bereits wusste. Doch fuhr der Glasmacher sogleich fort. "Ich muss dringend etwas in Khorinis erledigen. Versteh mich bitte nicht falsch, aber Dein Hut und so..." Wieder nickte Seraphin, diesmal bedächtiger, als schiene er zu überlegen, wie er sich in der gebotenen Kürze noch dem Stabmeister als Begleiter in die Stadt anbieten konnte. Leider aber hatte er 'richtig unauffällig' momentan einfach nicht kurzfristig im Programm, also versuchte er etwas anderes. "Werdet Ihr lange bleiben? Ich könnte sonst einfach warten, wenn Ihr Euch entscheidet, mir die Ausbildung..." "Nein, Serpahin. Du bist mein Schüler. So billig kommst du mir nicht davon, dass du dich hier draußen auf die faule Haut legst, während ich in der Stadt dringende Erledigungen besorge." Daraufhin wandte er sich wieder um und setzte seinen Weg in Richtung des nahen Tores fort. Der Schüler eilte sich, seinen Schritt wieder aufzunehmen.

"Um ein Stabkämpfer sein zu können, muss man vor allem mal ein Kämpfer sein." Horaxedus schaute auf das Stadttor während er sprach. Je näher sie ihm kamen, desto deutlicher erschienen dessen Konturen, ebenso wie die der davor postierten Stadtwache. "Bist du ein Kämpfer, Seraphin?" "Ich glaube, ja."

Horaxedus blieb erneut stehen, das Tor und die Wachen waren kaum einen Steinwurf entfernt. Langsam nahm der Glasmacher seinen schlichten Kampfstab vom Rücken. Dann trat er auf dem Pfad einige Schritte beiseite in Richtung Stadtmauer und blickte dabei auf den Boden, gerade so als suche er etwas. Schließlich bückte er sich und hob etwas auf, was er sogleich auf seiner geöffneten Hand dem Behüteten präsentierte.

Seraphin betrachtete den nicht ganz faustgroßen Stein, der außer einer unauffälligen bräunlichen Struktur in seiner ansonsten grauen Oberfläche keinerlei Besonderheiten aufwies. Sogleich schloss sich die Hand des Glasmachers wieder um den Stein und Horaxedus warf ihn kräftig steil über sich in die Luft, und noch bevor das Wurfgeschoss seinen Höhepunkt über dem Werfer erreicht hatte, hatte der Stabkämpfer bereits seine Waffe mit beiden Händen am selben Ende umschlossen und vollzog eine weite Ausholbewegung mit dem Stab. Zum Glück war Seraphin ein guter Beobachter, denn als der Stein sich im Fallen bedrohlich dem Kopf des Lehrers näherte, trat dieser blitzschnell einen Schritt zur Seite und ließ das angehobene Ende seines Langholzes seitwärts nach vorne schwingen. Es folgte ein hörbares Krachen und der Stein war aus seiner senkrechten Bahn gebracht. Stattdessen flog er in hohem Bogen und atemberaubender Geschwindigkeit sehr sehr weit über die Stadtmauer. Zu weit jedenfalls, um den Einschlag bis hier her zu hören.

Horaxedus schob sich den unversehrten Stab wieder auf den Rücken und wandte sich an seinen Schüler, der die Vorführung interessiert beobachtet hatte. "Am Anfang ist der Stein nicht immer leicht zu treffen. Willst du es mal versuchen?" Seraphin nickte und der Lehrer lächelte zufrieden: "Weil dir, wie ich sehe, nur noch ein passender Stein zum Üben fehlt, schenke ich dir einen. Nimm bitte den, den ich gerade benutzt habe, denn er ist offensichtlich gut geeignet."

Seraphin schluckte, während Horaxedus fortfuhr. "Ich weiß noch nicht, wie lange ich in der Stadt bleibe, vielleicht 1-2 Tage. Wenn du mir also zeigen willst, dass du die Übung beherrschst, solltest du den Stein genau von seinem jetzigen Platz aus wieder zurück über die Stadtmauer geschlagen haben, noch bevor ich die Stadt wieder verlasse. Als Beweis soll es mir genügen, dass der Stein wieder hier draußen liegt." Seraphin schwieg.

"Eines noch, Seraphin. Weißt du, es ist wichtig, dass ein Kämpfer für diese Übung unbedingt seinen eigenen Stab benutzt, um ein Gefühl für diese Waffe zu bekommen. Also nimm genau diesen Stab, den du jetzt trägst, und keinen anderen als diesen, hörst du?" Mit diesen Worten nahm Horaxedus seinem Schützling dessen Stab aus der Hand und wandte sich zum Gehen. "Bis bald", rief er noch einmal zum Gruß, doch warf er keinen Blick zurück.

Das letzte, was er dann für heute von seinem Lehrer sah, konnte Seraphin schließlich auch nicht mehr umhauen: Horaxedus drückte tatsächlich den Stab seines Schülers nach kurzem Gespräch einer der beiden Torwachen in die Hand und betrat dann zügig die Stadt.

Seraphin

eraphin stand mit offenem Mund da und sah dem in die Stadt davonschlendernden Horaxedus hinterher. Erst nachdem der Priester aus seinem Blickfeld verschwunden war realisierte er langsam, was eigentlich passiert war. Abwechselnd betrachtete er seine jetzt leeren Hände, dann die Stadtwache mit ihrem neuen Besitz, dann wieder seine Hände, dann das Ost-Tor durch das Horaxedus verschwunden war. Und dann die Stadtmauer und den imaginären Punkt dahinter wo irgendwo der faustgroße Stein gelandet sein musste. Langsam begann er ernsthaft an dem Verstand des Priesters zu zweifeln. War der zu lange bei den Sumpflern gewesen oder einfach nur so durchgeknallt? Hatte der Kerl doch einfach dem Wachen seinen Stab gegeben und verlangte jetzt von ihm einen Stein irgendwo in Khorinis zu suchen!
Aber natürlich, das war jetzt ja auch wirklich kein Problem, was regte er sich eigentlich so auf….

Kopfschüttelnd versuchte Seraphin noch einmal Sinn und Zweck dieser Handlung nachzuvollziehen, ab dem dritten Mal gab er dann mit der Erkenntnis auf, dass das Ganze wohl entweder absolut bescheuert war oder aber einen tieferen Sinn beherbergte der seiner unreinen Seele scheinbar vorerst verborgen bleiben würde. Dann holte er einmal tief Luft und sammelte sich. Offenbar blieb ihm nichts anderes übrig als sich zu der Stadtwache zu begeben, zum einen, weil er nur so die Aufgabe bestehen konnte, zum anderen, weil er keinesfalls seinen Stab an ein paar versoffene Gardler zu verlieren gedachte. Das einzige Problem dabei war nur, das er sich noch vor kurzem erst ziemlich unbeliebt bei ihnen gemacht und folglich in nächster Zeit die Gesellschaft der treuen Königsvasallen meiden wollte. Doch scheinbar führte kein Weg daran vorbei, also tröstete er sich mit der Tatsache das ihn bei der Befreiungsaktion eigentlich Niemand erkannt haben durfte und er somit in ihren Augen nicht mehr als ein schlichter Wanderer war. Der seinen Stab zurück wollte. Was für ein Blödsinn…

Das Stadttor kam langsam näher und mit ihm die vier in roten Rüstungen gekleideten Gestalten, welche sich in der Regel einen Spaß daraus machten ihre kleine Machtposition auszunutzen und fremden Wanderern das Leben schwer zu machen. Genau das war es zumindest was Seraphin gerade durch den Kopf ging. Außerdem fragte er sich, wie sie wohl reagierten, wenn ein fremder Wanderer ihnen einen Stab in die Hand drückte und kurz darauf ein zweiter fremder Wanderer kam, der behauptete, das der erste fremde Wanderer ihm völlig sinnloser weise seinen Stab weggenommen hätte damit er ihn jetzt wiederbesorgte um einen Stein, der irgendwo in Khorinis herum lag, damit über die Mauer wieder zurückzuschlagen.

Mittlerweile stand Seraphin fast direkt vor den Wachen und fuhr kopfschüttelnd aus seinen Gedanken hoch. Er würde es einfach probieren müssen, mehr konnte er nicht tun. Entweder würden sie seine Lage verstehen, oder... na ja, oder eben nicht. Der vorderste Wachmann sah ihn jetzt an und Seraphin blieb, die Augen auf seinen Stab in den Händen des Milizen gerichtet, vor ihm stehen. "Nun…" räusperte er sich und auch die anderen Milizen sahen jetzt von ihrem unheimlich wichtigen grimmig in die Gegend starren oder gelangweilten Däumchendrehen ab und wandten ihre Aufmerksamkeit dem schwarzbemäntelten Wanderer zu. "Nun…" begann Seraphin von neuem, "was auch immer dieser Mann vorhin zu euch gesagt hat, als er euch den Stab gab, es ist in jedem Fall meiner und ich würde euch bitten ihn mir wieder auszuhändigen."
Er hätte sich schlagen können, das klang so plump, aber was sollte er schon groß anderes sagen? Die Gardler würden ihn auslachen, wenn er erzählte, dass das Ganze nur eine Prüfung war für einen scheinbar all zu dummen Stabkampfschüler war.

Aufmerksam suchte Seraphin das Gesicht seines Gegenübers nach irgendeiner Reaktion ab und verspürte plötzlich den dringenden Wunsch, Horaxedus für diesen Unsinn zu Rede zu stellen.

Sofern es ihm erst einmal gelang seinen Stab wiederzukriegen…

Die Stadtwache

ie Fänger der Schwarzmagier, die Helden von Khorinis, Milof, Dragen und Bruns standen vor dem Osttor und hielten Wache bei ihnen war noch ein vierter, völlig belangloser und unbekannter Milize dessen Augen nach oben gerollt waren was Dank der ausschweifenden Heldengeschichten der drei Kollegen mittlerweile Dauerzustand war. Mitten im schönsten prahlen wie sie die gefährlichen Anhänger Beliars festgesetzt hatten kam ein seltsam gekleideter Mann zu ihnen und drückte Milof einen Stab in die Hand. Verschwörerisch beugte er sich zu ihnen und begann zu sprechen.

"Seht ihr den Mann dort drüben mit dem komischen Hut? Den habe ich in der toten Harpyie getroffen, total betrunken der gute. Aber worum es geht, er hat behauptet, dass ihr Milizen unfähig seid. Ihr könntet nicht mal auf diesen Stab aufpassen, geschweige denn auf die Stadt, das wollte er mir auch sogleich beweisen. Nun denn, einen schönen Tag wünsche ich noch."

Der dunkel gekleidete Wanderer schritt schnell durch das Tor und war bald aus dem Sichtfeld der Soldaten verschwunden. Kurz darauf kam der Hutmann tatsächlich auf sie zu und faselte den Dreien und ihrem unwichten und total nebensächlichem Kameraden etwas von wegen: "Das is mein Stab" vor, na dem würden sie eine Lektion erteilen.

Milof fing an. "So so, das ist also dein Stab? Nun der Wanderer hat ihn mir gerade eben geschenkt womit er mein Eigentum ist."

Der unbekannte, nebensächliche und eh total überflüssige vierte Milizsoldat hieb sich mit der Hand an die Stirn "jetzt geht das wieder los" stöhnte er.

Dragen stimmte ein. "Oder willst du etwa behaupten das dieser Mann dir den Stab gestohlen hat? Das wäre ja eine äußerst schwere Anschuldigung die du hoffentlich beweisen kannst."

(Fortsetzung auf Seite 10)