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Inhalt 06/04

Von Goldschmieden und anderen Spinne(r)n
gepostet vom 03. bis 23.06.2004
   
Igor Vectrex

achdem Igor die Tür geöffnet hatte, kam ihm ein leicht modriger Geruch entgegen, sicher hatte lange Zeit niemand diesen Raum betreten. Oh was haben wir denn hier? Etwas krabbelndes, achtbeiniges Etwas lief am Boden entlang. Der Magier hob das possierliche Tierchen auf, das sich nun auf seiner gesamten Handfläche breit machte. Die Spinne hob drohend ihre Vorderfüße... " Ist ja gut, ich tue dir ja nichts", sagte Igor entspannend und entließ sie an einer der Wände und musterte den Raum. Mehrere Arbeitstische waren hier zu sehen auf denen wild verteilt grobe Werkzeuge lagen, der Schmiedeofen mit dem Blasebalg, ein Amboss stand in unmittelbarer Nähe.
Alles was er so erblickte war von einer zentimeterdicken Staubschicht überzogen. Wieder rief er sich einen Dämonen. "Ich wünsche, dass dieser Raum aufgeräumt und gesäubert wird, außerdem benötige ich Feinwerkzeuge zum Goldschmieden und lasst mir ja die Spinnen, die hier hausen, leben", sprach er zu dem Dämon.

Bei dem Gedanken musste Igor grinsen, so eine herangezüchtete Monsterspinne wäre als Wächter bestimmt ideal, um ungebetene Besucher fernzuhalten, zumal hier in baldiger Zeit Schmuckstücke von nicht gar kleinem Wert entstehen sollten. Er verließ den Raum wieder und schloss die Tür hinter sich, als er auch schon ein Rumpeln und das Schwingen von Besen vernahm. Die Dämonen schienen wohl nie zu schlafen.

Igor verlangte es nach dem modrigen Geruch etwas nach Frischluft und so machte er sich auf den Weg in den Innenhof um seine Seele ein wenig baumeln zu lassen. Als er die Tür nach draußen öffnete bot sich ihm ein fulminantes Schauspiel. Der gesamte Innenhof war von den unterschiedlichsten fliegenden Farben getaucht, kleine Glühwürmchen erhellten die Arkadengänge und tanzten wie zu einer Melodie des Mondes, der sie ihm huldigten. Igor ließ seinen Blick schweifen, bis er auf eine Person traf... die Hüterin! Sie war wirklich zurückgekehrt.
Ihm fielen in diesem Augenblick gerade Tonnen von Steinen von seinem Herzen, Beliar hatte seine Gebete anscheinend erhört.

Dort stand sie, an den Brunnen gelehnt und starrte in den Nachthimmel, die bunten tanzenden Lichter um sie herum ließen ihr Gesicht gleich noch mal schöner erscheinen und am liebsten wäre Igor ihr direkt um den Hals gesprungen, aber er war sowieso zu schüchtern dafür und außerdem war sie nicht alleine, der Magier Estragon war neben ihr und etwas weiter auf einer Bank sitzend jemand den Igor noch nie gesehen hatte. Schon von weitem strahlte diese Person eine Macht aus, die zwar nicht sichtbar aber deutlich spürbar war. Er schritt gemächlich auf die Hüterin zu, ein Glück war es dunkel und niemand konnte seine errötenden Wangen sehen, aber dies wäre ihm nun auch egal gewesen.

Ein wenig Mut zusammennehmend sprach er die Hüterin an "Es ist mir mehr als eine Freude euch beinahe unversehrt wiederzusehen, ich habe zu Beliar gebetet um diesen Moment erleben zu können!" Während er sprach verbeugte er sich kurz und sah die vielen kleinen Verletzungen an ihrem Hals und im Gesicht, die sie zweifellos von den Harpyien bekommen hatte. meditate blickte Igor kurz an... oh nein diese Augen... Igor war wie zu Eis erstarrt und besann sich erst wieder als einige Glühwürmchen vor seinem Gesicht flatterten. "Nun, ich mag euch nun nicht weiter stören, Ihr seid sicher sehr erschöpft und wollt ein wenig ruhen" sprach der Magier verlegen und setzte sich unter die Esche. Er hielt seine Hände vors Gesicht und ärgerte sich über seine Unfähigkeit beim Anblick der Hüterin einen klaren Gedanken zu fassen. Sie hatte ihn jetzt schon auf wundersame Weise verzaubert...

Igor Vectrex

ls Igor in seinem "Arbeitsraum" angekommen war, glaubte er seine Augen betrügen ihn, dies konnte unmöglich der gleiche Raum wie gestern gewesen sein, nicht ein Staubkorn war mehr zu sehen, man hätte vom Boden essen können, der Schmiedeofen war gereinigt und frisches Holz und Kohlestücke befanden sich darin, außerdem waren jede Menge kleine Werkzeuge sorgfältig aneinandergereiht auf einen kleinen Beistelltisch abgelegt worden. Igor erkannte mehrere kleine Hämmer in den verschiedensten Formen, Planschen in verschiedenen Größen, die die Form des Goldbarrens darstellten, mehrere Punzen und handgeschmiedete Stahlmeißel, die man zum Ziselieren des Werkstücks benötigte sowie verschiedenartig geformte, kleine Zangen.

Auch einige neue Gerätschaften fand das geübte Auge des Betrachters, eine Walzmaschine, die die in Planschen geformten Goldstücke plattwalzte sowie eine Drahtwalze mit dem dazugehörigen Zieheisen, einige Löcher waren nur 0,1 mm stark. An einem weiteren Arbeitstisch gab es mehrere Schweifstöcke sowie eine Richtplatte und mehrere rundgeformte Harthölzer um die Werkstücke zu wölben oder weiter zu bearbeiten. Am Ende dieses Tisches sah er ein seltsames Lederkissen, in das eine eiserne Gravierkugel eingespannt war, sie ließ sich in alle Richtungen drehen, darauf war ein Kittstock aufgekittet der die Werkstücke für Gravuren oder Ziselierungsarbeiten festhielt.

Mit kurzen Worten gesagt, eine komplett eingerichtete Goldschmiede. Der Magier wollte gar nicht wissen, woher die Dämonen all die Gerätschaften in so kurzer Zeit herhatten, vielleicht war es ihm aber auch einfach egal. Selbst ein Feldbett für den Notfall war aufgestellt worden. "Na denn mal ran ans Werk" motivierte sich Igor, sah nach oben und bemerkte grinsend die Spinnweben, sowie einige dieser possierlichen Tierchen. Die Dämonen hatten sie in Ruhe gelassen. Sehr schön.

Auf einmal fiel Igor ein, dass er ja noch nie mit Rohgold gearbeitet hatte und es wäre eine Verschwendung, wenn etwas am Anfang nicht gelänge, da hatte er eine Idee. Wenn er zuerst einfach die erbeuteten Goldstücke verwendete, die sowieso schon legiert gewesen waren und damit eigentlich nicht so wertvoll wie seine Nuggets, wäre das nicht so schlimm gewesen. Also griff er in seine Tasche holte eine Handvoll Goldmünzen heraus und legte sie in eine kleine Plansche, bevor er das Feuer im Schmiedeofen schürte. Es war schon ein leicht seltsamer Gedanke Goldmünzen einzuschmelzen, daraus Schmuck herzustellen um diesen dann für mehr Goldmünzen wieder zu verkaufen. Der Kapitalismus war geboren...

Igor Vectrex

gor hatte sich auf dem Feldbett in der Schmiede kurz hingelegt, ihm taten die Füße weh, die ganze Nacht hatte er damit verbracht Ringe aus seinem plattgedrückten Minigoldbarren zu formen und zu bearbeiten. Mit jedem neu angefangenem wurde er besser dabei, seine geschickten Finger bekamen langsam ein Gefühl für das Material und der Magier fand neue Bearbeitungstechniken, beim letzten Ring hatte er sein Löteisen benutzt um die Rundung zu formen und dem Ring ein konkaves Antlitz zu verpassen... dieser Ring war perfekt! Nachdem er vollends ausgeglüht war ging Igor schnell damit zu der Schleifapparatur und begann mit der gröbsten Scheibe das Material auf Glanz zu trimmen. Schnell musste er die Scheibe wechseln, bis er schließlich die feinste aufgespannt hatte. Nach einigen Minuten, die er den Ring nun damit nass geschliffen hatte, funkelte er in der mit Fackeln beleuchteten Schmiede. Wahrlich ein Werk, dass man auch als Ring bezeichnen konnte und sich nun schön an seinem rechten Ringfinger befand. Danach war er auf dem Feldbett eingeschlafen.

Nur nach wenigen Stunden ist er allerdings wieder aufgewacht, sonderlich bequem war dieses Bett nicht und er stand auf. Der Ring blitzte an seinem Finger und Igor entschied sich dazu seine vorigen "Versuche" alle wieder einzuschmelzen. Bis auf den letzten der ihm wahrlich gelungen war, waren sie alle nur Ramsch. Also schürte er das Feuer wieder an und legte erneut die Plansche mit vielen missglückten Ringen hinein, außerdem die Reste der plattgedrückten Fläche. Als er hochsah erschrak er ganz kurz, eine recht große, schwarze Spinne war gerade dabei mit einem Exemplar ihrer eigenen Spezies zu kämpfen, sehr geschickt vollführte sie dies. Jedes Mal, wenn die leicht kleinere Spinne angriff, hielt sie ihre unbehaarten dicken schwarzen Beine direkt zentral vor sich und ließ alles abprallen.

Igor musterte die Spinne genauer, große Knopfaugen besaß sie, die unabhängig in alle Richtungen schauen konnten und direkt darunter mächtige Werkzeuge, wie zwei große Zangen die die Beute halten konnten, dahinter war ein kleiner Schlund und mehrere kleine, weiße Zähne waren darin zu erkennen "Whoaa", entließ der Magier einen kleinen Schauer der ihm durch den Körper fuhr, es sah schon bedrohlich aus dieses Tier. Dann war es soweit, anscheinend hatte die Spinne keine Lust mehr, die lächerlich wirkenden Angriffe abzuwehren, schlug die Beine ihrer Gegnerin weg, durchbrach ihre Verteidigung mit einem Satz und begann die kleinere Spinne am Kopf anfangend aufzufressen... interessant, zumindest keine Giftspinne, wenn sie sofort frisst... folgerte Igor aus dem Schauspiel. Mann, hatte die einen Appetit und da kam ihm eine Idee.

Der Magier öffnete die Schublade mit der toten Ratte, packte sie am Schwanz und legte sie auf die doch sehr stabilen Seidennetze in einer Ecke des Raums, genau dort wo sein Kittstock mit der Gravierkugel stand. Die Spinne bemerkte die Erschütterung, schleppte ihr Opfer mit und näherte sich dem Rattenkadaver. Wie schnell die krabbeln konnte, Wahnsinn. Sie beäugte das tote Vieh, ließ die andere Spinne lose herumliegen und begann die Ratte zu fressen. Da hatte er seinen Müllbeseitiger doch schon gefunden, langsam wurde ihm diese schwarze Spinne sympathischer, die wie man allerdings bemerken muss außergewöhnlich war, von ihrer Größe mal abgesehen. Igor hatte noch nie eine komplett unbehaarte Spinne gesehen und auch nicht solche Augen. Na ja, er war hier im Kastell und hier liefen die Uhren nun mal halt anders. Er sah der Spinne noch ein Weilchen zu, wie sie die Ratte vertilgte und verließ dann die Schmiede um in der naheliegenden Badestube den Geruch von Schweiß und Rauch loszuwerden...

Igor Vectrex

gor betrat die Schmiede wieder und musste mit Erstaunen feststellen, dass neues Holz und neue Kohle in dem Schmiedeofen aufgelegt war, das musste man den Dämonen ja lassen, sie wussten immer was zu tun war. Sehr gut so konnte er direkt beginnen. Den Goldbarren aus der Plansche befreit, begab er sich wieder zur Walzmaschine und spannte ihn dort ein. Die komplizierte Mechanik, die über zwei Flaschenzüge betrieben wurde, drückte einen Stempel hinunter und gleichzeitig wurde ein Laufband bestehend aus pechüberzogenem Fell über einer schweren Metallplatte bewegt, das Resultat aus diesem Vorgang und der kraftraubenden Bewegung des Antriebsrades war wiedermals ein schönes, plattes, großes Stück Gold. Die Wälzung hatte zudem den Vorteil, dass das Material wesentlich stabiler wurde da die Dichte des Stoffes dabei erhöht wurde.

Dann entfachte der Magier neues Feuer im Ofen und begab sich daran zwei gleichgroße, runde Scheiben von etwa 6 cm Durchmesser herauszuschneiden, natürlich nicht ganz rund, das würde beim Bördeln danach passieren, zuerst nahm er beide Scheiben und wölbte sie etwa zu 17 Grad in den dafür vorgesehen Hartholzschalen, dafür gab es einen speziellen Rundhammer den er auch verwendete. Nachdem dies vollbracht war erhitzte er die gebogenen Teile und bördelte die Ränder rund, damit keine scharfe Kante übrig blieb, die umgebogenen Seiten wurden mit dem Löteisen fixiert, die eigentliche Tasselscheibe war fertig. Er wiederholte den Vorgang mit der Zweiten und bemühte sich sehr sie genau gleich groß zu machen, was ihm durch ständige Vergleiche auch gelang.

Nun kam der schwierige Teil, er spannte eine Scheibe auf seinem Kittstock ein und überlegte sich ein Ornamentmotiv, die Golems bei der Befreiung in der Stadt hatte er noch gut in Erinnerung und so fing er an das Abbild eines Golems mittels einem sehr kleinen Stahlmeißel, einer sog. Punze in das Gold zu treiben. Es fiel Igor leichter als er gedacht hatte, aber Gold war ein weiches Material und sehr schön zu verarbeiten. Nach stundenlanger, kreativer Kleinstarbeit konnte man zufrieden mit der Gravur sein, außer dem Golem in der Mitte hatte er einen kreisrunden Rand in Runenschrift graviert:

Du bist das Wesen aus Stein
Der lebendige Fels
Geboren aus meiner Macht allein
Gehst du anderen an den Pelz...

Das kam genau mit der Rundung der Scheibe aus und war durchaus schön anzusehen. Mittlerweile graute aber auch schon wieder der Morgen, hatte er solange daran gesessen? Es fiel deswegen auf, weil dieser Kellerraum einige Lüftungsschlitze enthielt, durch die die Morgensonne strahlte und auch die große schwarze Spinne ließ sich unter den feinen Seidenfäden blicken...

 

Igor Vectrex

och Igor war nicht wirklich müde, außerdem wollte er dieses Werk fertig stellen, also nahm er sich die gravierte Tasselscheibe und schleifte mit einer Rundfeile den Grat auf der Oberfläche ab, bevor er sich die zweite Tasselscheibe vornahm. Was sollte bloß als zweites Motiv herhalten? Was kannte er denn genau? Ein Dämon! Ja die kannte er ja nun zu Genüge, also gravierte er einen großen Dämon mit furchterregend langen Klauen in die weiche Goldoberfläche und natürlich durfte auch auf dieser Scheibe keine kreisrunde Runenschrift fehlen, die da lautete:

Allein Kraft meiner Gedanken bist du mein
sollen deine Geschicke meine Gegner blenden
Du bist Schöpfer von Schmerz und Seelenpein
niemals wirst du dich gegen mich wenden...

Nachdem auch bei dieser Tasselscheibe der Oberflächengrat durch die Gravur weggefeilt war konnte man sich Gedanken machen welchen Werkstoff man als zweiten verwendete. Der Magier sah sich nochmals in dem Raum um. Ein paar Unterschränke waren noch zu inspizieren, schließlich war dies hier vorher einmal eine normale Schmiede, da musste doch irgendwo noch etwas zu finden sein. Im ersten Unterschrank befand sich ein Zettel "Rohstahl" und darunter einige längliche Stücke dessen, damit konnte er aber nichts anfangen, im zweiten Schrank waren einige Brocken Messing verteilt die später vielleicht noch gebraucht wurden. Im dritten schließlich waren Kupfer und Zinn zu finden.

Moment mal Kupfer und Zinn ergab Bronze wie er gelernt hatte, allerdings musste man vorsichtig sein denn Bronze neigte dazu sich beim Guss zu entmischen und das sollte ja nicht passieren. Man unterschied die Bronze in Glockenmetall, einmal das Glockengut etwa zu 80% aus Kupfer und 20% aus Zinn und die Glockenspeise zu etwa 60% aus Kupfer und 40% aus Zinn sowie dem Kanonenmetall dass aus 90% aus Kupfer und nur noch aus 10% Zinn bestand. Je höher der Kupferanteil war desto elastischer und zäher wurde das Material genauso wie die chemische Beständigkeit wuchs. Der Magier entschied sich für die Glockenspeise und füllte dementsprechend zwei Planschen, die Einschmelzung jedoch dauerte noch länger als bei Gold, da es die Reinstoffe waren und kein bereits halblegiertes Metall wie seine Münzen, deren Schmelztemperatur dadurch niedriger war.

Sehr vorsichtig goss er also die 40% Zinn in das flüssige Kupfer und wartete, bis sich die Flüssigkeiten chemisch gebunden hatten, bloß nicht rühren, das wäre fatal gewesen. Aber er schien Glück gehabt zu haben, sprach für die Qualität des Materials. Igor nahm die Plansche mit dem Gemisch heraus und stellte sie auf den Arbeitstisch, eine kleine Marmorplatte, die in das Holz eingearbeitet war schien prädestiniert dafür zu sein. In einer weiteren Schublade fand der Magier eine kleine Schöpfkelle und ein kleines Schabinstrument mit Holzgriff. Damit goss er die Gravuren der Tasselscheiben aus und streifte die Fugen mit dem Schaber glatt, bevor die flüssige Bronze eine Verbindung mit dem Gold eingehen konnte. Durch den höheren Kupferanteil ergab sich eine schöne rötliche Färbung.

Nach weiteren zwei Stunden waren beide Tasselscheiben fertig und ausgekühlt, sodass Igor sie schleifen konnte bis sie glänzten. Er war sehr zufrieden mit seiner Arbeit, denn die fertigen Scheiben konnten sich sehen lassen, rotgolden spiegelte sich das Licht der Fackeln auf der schimmernden Oberfläche und nicht ein Grat war mehr zu spüren. Der Magier legte die beiden Meisterwerke auf die Richtplatte und merkte erst jetzt wie müde er doch war, als er wieder mal hoch sah. Die Spinne schien ihn die ganze Zeit beobachtet zu haben, denn sie verharrte fest an dem Punkt, wo er sie zuletzt wahrgenommen hatte und ihre Augen musterten die Werkbank und ihn gleichzeitig, aber Igor war zu müde um das zu bemerken und er begab sich auf das Feldbett um kurz auszuruhen, denn das komplizierteste an seinem Vorhaben kam ja noch, eine Kette, die die beiden Tasselscheiben verbinden sollte...

Igor Vectrex

angsam gewöhnte sich Igor wohl an das bescheidene Feldbett denn er hatte ruhig und entspannt geschlafen, sein Schmiedefeuer glimmte noch und sein neues Werk näherte sich der Vollendung. Zum ersten Mal musste er nun die Drahtwalze bedienen, aber so wirklich schwierig schien es nicht, auch bei der Apparatur konnte man in etwa die Größe bzw. Stärke des Drahts einstellen, er nahm sein restliches Gold und führte es zum Einlauf der Maschine, danach bewegte er auch hier ein Antriebsrad welches allerdings noch etwas schwerer ging als das der Walzmaschine. Hier benötigte man schon richtig Kraft, doch einmal angetrieben wurde es mit der zeit leichter. Um den Draht jetzt noch richtig zu runden musste man ihn durch das Zieheisen führen, welches vorher erhitzt wird, mit einer speziellen Flachzange packte Igor also den Anfang des Drahtes und zog einen schön langen 1mm runden Golddraht heraus, das war ja wirklich einfach.

Nun kam die mühseligste Kleinarbeit überhaupt, mittels Stechbeitel wurden gleich lange Stücke geschlagen die man dann unter Erhitzung zu einem kleinen Oval bog, die Enden verlötete und dann hieß es jede einzelne Öse zu feilen, dafür war die ovale also und zum Abschluss leicht gegenseitig zu verdrehen, daran saß er sicher ganze drei Stunden um eine Kette von etwa 30 cm herzustellen, aber die ließ sich ja nun nicht mehr schleifen, zumindest nicht an jeder Stelle gleich. Der Magier suchte die Regale ab, bis er einen rechteckigen Behälter mit einer Flüssigkeit vorfand, deren Geruch auf eine alkoholische Verbindung vermuten ließ und ohne lange zu überlegen legte er die Kette hinein. Nun nahm er die Tasselscheiben nochmals und lötete jeweils einen kleinen Pinn auf die Rückseite der Scheiben an denen die Kette später befestigt werden sollte, sowie kleine dünne Steckvorrichtungen um sie später am Stoff der Kleidung befestigen zu können.

Nach einer kurzen Verschnaufpause und ein paar Streckübungen holte er die Kette aus ihrem Bad und er hatte sich nicht getäuscht, sie erstrahlte in Glanz, ein Wunder der Chemie. Kurz unter Wasser noch mal abgewaschen war sie bereit um an die Scheiben gelötet zu werden... der letzte Arbeitsschritt... seine Tasselscheiben waren fertig mit schönen Gravuren die rötlich zwischen dem Gelbgold hervorstachen, ein Werk auf das man stolz sein konnte... aber zum Verkaufen viel zu schade.
Hatte er nicht etwas versprochen? Ja, er hatte. Mit etwas Wehmut im Herzen rief er sich einen Dämon, der sich kurz darauf materialisierte.

"Bringe dieses kleine Meisterwerk in das Gemach des neuen Hohepriesters Olirie und richte ihm aus er solle es als Geschenk eines treuen Schüler Beliars als Zeichen seiner Anerkennung annehmen "... So soll es geschehen, Sterblicher... hallten die Worte des Dämons in Igors Schädel und schon flatterte er davon. Da gingen sie hin, seine schönen Tasselscheiben in denen man sich beinahe spiegeln konnte.

Igor Vectrex

in neuer Schmöker für kunstvollere Schmiedetechniken war schnell gefunden und eröffnete dem Magier einiges was er noch nicht wusste. Er las über eine sehr alte Technik des Einlegens (Intarsie) mit einer bestimmten Fassungsart, das Cloisonne. Auch sehr interessant klang das opus interrasile, einer Durchbruchsarbeit. Beide Techniken in einem Stück einzusetzen klang nach einer neuen Herausforderung, derer Igor sich bald widmen würde, vorerst wollte er die Schmiede erst mal wieder aufräumen.

So ging er schnell in den Keller, räumte alle Werkbänke auf, sammelte alle Metallreste und warf sie in eine Plansche. Seine fertigen Stücke legte er demonstrativ auf einen Auslagetisch nahe der Tür und blickte mal wieder nach oben, nichts zu sehen von der Spinne, aber das Rattengerippe fiel in seinen Blick, da ließe sich doch bestimmt noch was draus machen, irgendwie fehlte es dem Raum an einem gebührenden Schmuckstück. Der Magier hatte eine Idee und schmolz das Gemisch aus allen Metallresten in der Hoffnung, dass es sich überhaupt vermischen würde und nahm vorsichtig das Gerippe aus den Seidennetzen, jeder Knochen war erhalten und noch an seinem Platz, selbst die Zähne waren noch dran.

Als das undefinierbare Gemisch aus Gold, Bronze, Kupfer und Zinn leicht zähflüssig war, tauchte er das Gerippe hinein und holte es einige Augenblicke später wieder heraus, ein leichter Metallfilm, der schnell anzog, überzog nun das Gerippe. So wiederholte er diesen Vorgang jedes Mal, wenn das Metall leicht abkühlte bis die einzelnen Rippen etwa einen halben Zentimeter dick waren, nun hatte er eine Metallratte, die leicht silbrig glänzte, selbst ein neues Gesicht war entstanden. Er stellte das metallene Gerippe auf eine Werkbank damit es dort auskühlen konnte und verließ die Schmiede wieder.

Unten im Keller merkte er gar nicht, dass es ein richtig warmer Tag war und so befand er sich auf erstem Weg in sein Zimmer um die Robe anzuziehen, die einiges luftiger war als seine Hose um sich danach im Refektorium eine Karaffe kalten Früchtetees, zwei Gläser und ein Tablett zu bestellen mit dem er sich in den Innenhof begab und sein kaltes Getränk genoss. Der Magier Estragon war bereits hier mit einer für ihn sonderlichen Beschäftigung, er malte auf große Leinentücher irgendwelche Schriftzeichen. Der sonst so ernst wirkende Pfeifenraucher schien sehr vertieft dabei zu sein, als würde er dabei in sein Innerstes hineinhorchen und seine Umwelt gar nicht wirklich bemerken. Igor sagte nichts um ihn nicht zu stören, sondern warf einen Blick in den Himmel, die Sonne blendete zwar, doch irgendwie war ein kleiner dunkler Punkt darin zu sehen, der vorher nicht da war. Wie seltsam, dachte der Goldschmied, als wäre ein Stück hinausgestochen aus der Sonne wie bei dem opus interrasile...

Igor Vectrex

ie sehr bleiche Haut Igors vertrug nicht soviel Sonne, denn sie brannte bereits recht stark und seine Hose war auch schon längst trocken, deswegen zog er seine Robe wieder an, die noch zusammengelegt auf einer Bank gelegen hatte. Nach der körperlichen Ertüchtigung am Morgen sehnte es ihn wieder mal nach ein wenig geistiger Arbeit, er hatte doch noch eine sehr interessante Lektüre in der Schmiede liegen. Um ein wenig seine bisher erlernten Fähigkeiten zu vertiefen und verinnerlichen schlich er also lautlos in die Schmiede und schnappte sich den Schmöker um im Refektorium bei einer Tasse Tee zu lesen. Die Liebes- und Fluchrituale übersprang er diesmal, denn Liebeszauber waren viel zu anstrengend, denn sie mussten regelmäßig erneuert werden, viel zu viel Arbeit. Und verfluchen wollte er auch keinen - noch nicht.

Stattdessen entdeckte er ein viel interessanteres Kapitel - Nekromantie. Ein Ritual reizte ihn besonders, die Wiederbelebung von toten Überresten, wenn das nicht mal spannend war. Das Ritual selbst war nicht mal schwer, man benötigte einen Platz mit einem Pentagramm auf das die Knochen gelegt werden sollten, etwas Staub aus magischem Erz und man musste diesen Text lesen können, es war ein Gesang in der dunklen Sprache Beliars. Die Bibliothek hatte nicht viel über diese alte Sprache ausgespuckt, nur etwas über die Aussprache hatte er gefunden, nicht eine einzige Übersetzung. Aber was sollte es, damit verhielt es sich ähnlich wie bei Schriftrollen, ein nicht Magiebegabter versuchte auch nicht zu ergründen wie das funktionierte, er bediente sich ihrer einfach, genauso sollte er hier auch verfahren.

Mit einem dämonischen Grinsen verließ Igor das Refektorium, das wollte er doch mal ausprobieren und lief wieder in die Schmiede. Der kleine Beistelltisch schien ideal zu sein, etwa 40 mal 40 cm war seine Fläche. "Ja, das müsste gehen!" sagte er zu sich selbst. Nun würde er doch den Rohstahl gebrauchen können, der hier noch in Massen gelagert war. Der Magier war nun nicht mehr zu bremsen, er schmolz einiges von den länglichen Stahlstücken ein, in seiner größten Plansche die er besaß und ließ ihn abkühlen, danach noch leicht warm presste er ihn in der Walze platt und hatte nun eine etwa 30 mal 30 cm Fläche. Mit einer großen Punze und einem Hammer stach er ein kreisrundes Objekt heraus, dass inmitten immer wieder an den richtigen Stellen durchbrochen wurde, das Pentagramm nahm langsam Formen an. Endlich war es soweit, auf einer Seite lötete Igor noch einige Spitzen an und hielt sein Werk unter Wasser, damit es gehärtet war. Anschließend nahm er seinen dicksten Hammer und trieb es in den Beistelltisch bis die Oberfläche wieder glatt war. Nun ähnelte das Ganze einem Opfertisch, das Pentagramm glänzte silbrig in dem schwarzen Holz. Ein Dämon musste her, der sich auch kurz darauf materialisierte...

(Fortsetzung auf Seite 8)