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Inhalt 06/04

  (Fortsetzung von Seite 10)

….Seraphin schlug zu!

Der Stein wurde plötzlich mitten im Fall herumgerissen und zurückgeschleudert. Mit einem nahezu atemberaubenden Tempo raste das Geschoss über die Stadtmauer hinweg, beschrieb einen perfekten Bogen und landete irgendwo neben dem Pfad der aus dem Ost-Tor hinaus in Richtung der Bauernhöfe führte.

"STRIKE!!!"

Seraphin warf den Stab in die Luft und vergaß alles um sich herum. Er bemerkte gar nicht das plötzlich wildfremde Frauen angerannt kamen und ihm einen Kuss auf die Wange drückten. Schulterklopfen und Glückwünsche gingen zusammen mit Jubelrufen und Umarmungen einher und die Menge johlte wie ein einziges Wesen. Dann entdeckte er Lama zwischen dem ganzen Trubel. Und schließlich hatte er sich zu ihm durchgekämpft und blieb vor ihm stehen. Der Soldat lachte ihn an, dann legte er ihm plötzlich die Hand auf die Schulter, als ob sie sich schon seit Jahren kennen würden.

"Du hast es geschafft…" flüsterte er und seltsamerweise verstand Seraphin seine Worte, es schien, als ob sie sich durch einen unsichtbaren Schleier aus dem ganzen anderen Lärm hervorhoben.


"Ja…", antwortete Seraphin, "das habe ich wohl."

Seraphin

eraphin sah Lama hinterher, bis er schließlich im Schatten der Dämmerung verschwand. Im Stillen dankte er dem Soldaten noch mal dafür, dass er ihn aus dem schmutzigen Loch der Garde befreit hatte. Ohne ihn würde er wohl noch immer darin hocken. Allein bei dem Gedanken wurde ihm schon wieder schlecht und er beeilte sich, seinen Geist auf andere Pfade zu schicken. Der Schwarzmagier drehte sich um und hob seinen Stab, den er aus der Situation heraus einfach weggeschleudert hatte, wieder auf. Sein Blick fuhr über das gehärtete Holz und Stolz machte sich in seinem Herzen breit. Er hatte den Stab wiedergeholt, den Stein gefunden und auf Anhieb über die Mauer geschlagen. Mit einem leisen Schmunzeln erinnerte er sich daran, dass er diese Technik schon lange beherrschte und eingesetzt hatte, bevor er Horaxedus traf.

Damals, als sie auf dem Weg zur dunklen Abtei gegen die Skelette und die fliegenden Eisenkugeln kämpfen mussten, hatte er seine Schläge bereits perfektioniert so dass es nun ein leichtes für ihn gewesen war den Stein über die Stadtmauer zu befördern. Egal wie man es drehte und wendete, er hatte die Aufgabe seines Lehrmeisters erfüllt. Jetzt galt es nur noch den Stein wiederzufinden und auf den Priester zu warten. Und er würde warten, zur Not auch draußen schlafen, das war ihm egal. Schließlich war Sommer und die Nächte in selbigem gestalteten sich im Grunde immer Recht warm, außerdem war er seit dem Fall der Barriere schon viel Härteres gewöhnt. Hinzu kam, dass er es nach dem schmutzigen, modrigen Gefangenenaufenthalt bei der Garde regelrecht genoss wieder frische Luft zu atmen. Mit diesem Gedanken kaufte er bei einem der Händler noch ein bisschen Brandwein, falls es wirklich zu kalt werden sollte und machte sich schließlich auf um die Stadt durch das Ost-Tor zu verlassen. Diesmal standen die Idioten vom Vorabend glücklicherweise nicht mehr dort, wahrscheinlich hätten sie es fertig gebracht und ihn aufgrund mangelnder Situationskenntnis gleich wieder eingebuchtet.

Nachdem er über die kleine Holzbrücke geschritten war, verlängerte er noch mal im Geiste die Flugbahn des Steines und folgte dem Weg bis zu der Stelle, wo er irgendwo liegen musste. Nach einiger Zeit des Suchens fand er ihn schließlich zwischen ein paar Kräutern und nahm ihn vorsichtshalber erst mal in die Hand. Dann sah er sich nach einem geeigneten Ruheplatz um und es dauerte nicht lange bis sein geschultes Auge den richtigen Ort erblickte. Nicht weit von seinem jetzigen Standort begann ein kleines Wäldchen und durch dieses zog sich ein Wall, bedeckt von trockenem Laub und weicher Erde. Am Fuße des Walls stand eine Tanne deren tiefhängende und breite Äste einen regelrechten Schlupfwinkel boten. Schnell hatte Seraphin sich halb in das Laub eingegraben, den Stein gefolgt von dem Stab dicht neben sich gelegt und den Mantel mit hochgeschlagenem Kragen festzugezurrt.

Ein leises "Plopp" ertönte und die Brandweinflasche war geöffnet und wurde sofort um ein paar Schlucke geleert. Dann zog der Schüler sich seinen Hut tiefer ins Gesicht und harrte zufrieden der Dinge die da kommen mochten…

HoraXeduS

oraxedus staunte nicht schlecht, als er auf der Suche nach einem geeigneten Plätzchen, an dem er auf Seraphin zu warten gedachte, von einem Laubhaufen überrascht wurde. Nicht dass der Schwarzmagier ein ängstlicher Mensch war. Aber er war, und treffender konnte es in diesem Augenblick wohl kaum beschrieben werden, auf der - oder besser gesagt, auf dem Hut.

Wieder einmal ging alles sehr schnell. Der Glasmacher, im Dunkel Ausschau haltend nach einem trockenen und sauberen Warteplätzchen in der Nähe des Osttors der Stadt, wurde von einem Rascheln zu seiner Rechten aufgeschreckt und hielt augenblicklich seinen Kampfstab in Händen. Die Geräusche, in der näheren Finsternis etwa auf Kniehöhe des Magiers auszumachen, konnten von nichts anderem Herrühren als von einer mittelgroßen Molerat und so schlug Horaxedus ohne zu zögern zu, um jedwedem Angriff der Kreatur ein für allemal vorzubeugen. Wie groß war das Erstaunen, als der Schlag des Meisters pariert wurde. Nicht irgendein Viehzeug war es, dass sich im nächtlichen Laub zu schaffen gemacht hatte, sondern Seraphin. Geistesgegenwärtig war es dem Stabkampfschüler in der Finsternis gelungen, den Stab seines Lehrers mit der eigenen Waffe liegend über seinen Kopf hinweg abzuleiten. Horaxedus bekam es gerade eben so hin, seine Verblüffung nicht offen preiszugeben.

Unterdessen rappelte sich Seraphin umständlich vom Boden hoch und klopfte sich die mehr oder minder feuchten Blätter vom Leib. "Ähm, du stehst auf meinem Hut", murmelte er. "Und du", murmelte der andere, "hast eine Fahne von billigem Branntwein!" Seraphin bückte sich, um seine Kopfbedeckung aufzuklauben, dabei rutschte ihm ein Stein aus der Tasche und zerschlug den leeren Branntweinkrug am Boden, dass es nur so klirrte. Horaxedus, der inzwischen mittels eines Lichtzaubers den Überblick über die Situation gewonnen hatte, lächelte. Seraphin hatte nicht nur die Aufgabe, die er ihm gestellt hatte, vor der Zeit gelöst, und sich damit zweifelsohne als Kämpfernatur erwiesen. Er hatte zudem einen Schlag seines Lehrers pariert. Im Dunkeln. Und betrunken. Der Junge hatte Talent und hatte offenbar bereits ein Gefühl für seine Waffe gewonnen.

Etwas lädiert sah er allerdings aus, so bei Licht betrachtet. "Tut's sehr weh?" "Och, naja, geht schon", murmelte der Schüler verlegen. "Seraphin, das sieht echt schlimm aus. Da müssen wir schnell was unternehmen." Gesagt, getan: Horaxedus löschte augenblicklich das Licht.

"Wir dürfen keine Zeit verlieren. Nicht allzu fern von hier, südlich der Stadt, gibt es eine Snapperjagd. Einige Herrschaften liegen auf der Lauer und hetzen die Bestie. Ich nehme einfach mal an, dass sie sie noch nicht aufgespürt haben, also los, komm." Der Lehrer beschleunigte seinen Schritt und Seraphin machte sich auf, ihm, wenngleich etwas vom Alkohol benommen, zu folgen. "Um uns die Zeit unterwegs etwas zu vertreiben", sprach Horaxedus, "wirst du zunächst genau hinter mir gehen und abwechselnd links und rechts versuchen, meine Schultern und Hüften mit dem Stab zu treffen. Ich muss Deine Schläge parieren oder ausweichen, darf aber nur nach vorne sehen, dorthin, wohin wir gehen." Seraphin wirkte etwas unsicher, wog aber bereits seinen Kampfstab in den Händen.

"Keine Sorge Seraphin, schlag ruhig zu, locker eben. Und auf halber Strecke tauschen wir dann die Rollen und du darfst vorangehen und parieren."

Seraphin lächelte müde. Seine Freude darauf schien sich irgendwie in Grenzen zu halten.

Seraphin

eraphin sah seinen Lehrer unsicher an, während er hinter ihm her schritt. Was hielt er jetzt von ihm? War Horaxedus zufrieden, weil Seraphin seine Aufgabe gemeistert hatte oder verärgert das er sich einen kleinen Schluck Branntwein gegen die Kälte gegönnt hatte? Oder etwa Beides? Seraphin gab es auf sich darüber den Kopf zu zerbrechen, sein Lehrmeister würde garantiert auch schon mal so manchen Krug geleert haben, da war er sich sicher. Und immerhin hatte er sich nicht hemmungslos dem Wein hingegeben, sondern ihn Schluck für Schluck verschwinden lassen. Und auch das nur, weil er, solange auf Horaxedus hatte warten müssen. Also war er im Grunde Schuld, nicht Seraphin.

Wie löcherig diese Begründung allerdings war sollte dem Stabkampfschüler erst einige Stunden später, zusammen mit der schwindenden Macht des Alkohols auffallen, für den Moment verhalf sie ihm aber zu einem halbwegs guten Gewissen so dass er zufrieden weiterwanderte. Er würde Horaxedus einfach irgendwann auf einen Krug einladen, allein schon als Dankeschön für die Tatsache das der Priester ihm sein Wissen preisgab. Obwohl er im Grunde bis jetzt noch nicht sehr viel erfahren hatte, doch darum ging es ja in seiner nächsten Aufgabe auch.

Die Schultern seines Lehrmeisters schwankten sachte auf und ab, waren also kein schwer zu treffendes Ziel, doch irgendwie scheute sich Seraphin noch davor, einfach feige von hinten einen Mann anzugreifen. "Nun schlag schon zu, willst du was lernen oder nicht?", hörte er Horaxedus Stimme vor ihm über den Pfand schallen. Seraphin spannte sich, dann hob er langsam seinen Stab und holte zu einem direkten Angriff auf die rechte Schulter seines Vordermanns aus.Tock. Holz und Holz trafen aufeinander als sein Schlag präzise geblockt wurde. Der Schüler staunte nicht schlecht, er hatte zwar nicht kräftig aber dafür recht schnell zugeschlagen. Doch er zögerte nicht lange und setzte gleich zum nächsten Angriff an, diesmal auf die linke Hüfte des Priesters. Tock. Wieder hielt Seraphin verblüfft inne als die geringe aber dafür seiner Meinung nach gut gezielte und schnelle Kraft seines Schläge im Nichts verpuffte. Wie machte Horaxedus das ohne sich umzudrehen? Konnte er etwa hören woher der nächste Angriff kam? Und ein anderer, noch viel wichtiger Punkt drängte sich dem Schüler auf. Offenbar war er nicht in der Lage einen Gegner, der ihn im Grunde nicht mal sehen konnte, zu treffen. Das durfte nicht sein.

Der Schwarzmagier setzte zu nächsten Angriff an, diesmal täuschte er einen Schlag auf die linke Schulter vor, ließ diesen aber ins leere Laufen und nutzte stattdessen die Wucht um das andere Ende des Stabes herumschnellen und in Richtung Hüfte seines Lehrers sausen zu lassen. Tock. Erneut lief die Kraft seines Angriffs ins Leere, trotzdem grinste Seraphin innerlich. Denn es war ihm nicht entgangen das die Reaktion des Priesters diesmal deutlich knapper und weniger sicher ausfiel.

Die Täuschung hatte zumindest ansatzweise funktioniert. Trotzdem, er musste schneller werden und noch während er diesen Gedanken dachte holte er zum nächsten Schlag aus. Tock. Und sofort weiter. Tock. Langsam trat ein verbissener Ausdruck in Seraphins Züge. Tock.

"Bei Beliar…" Tock. "…das kann…" Tock. "…doch …" Tock. "…nicht…" Tock. "…WAHR…" Tock. "…SEIN!"

Zack!

Moment mal. Zack? Nicht Tock? Irritiert wischte Seraphin sich den Schweiß von der Stirn und erkannt seinen Stab der genau auf den Schultern des sich leicht krümmenden Priesters ruhte. "Ich hatte gesagt locker, nicht als wenn du einem schwarzen Troll den Schädel spalten willst", tadelte Horaxedus während er sich die schmerzende Schulter massierte. Seraphin gab eine gemurmelte Entschuldigung von sich doch innerlich frohlockte er als sein Lehrmeister erneut das Wort an ihn richtete. "Du hast mich getroffen, nicht schlecht." Seraphin grinste. "Trotzdem ist es keine Kunst einen Mann von hinten nach dem zehnten Versuch zu erwischen." Das Grinsen des Schülers sackte in sich zusammen. "Aber zumindest ein Anfang…", fügte Horaxedus schließlich wie immer so hinzu, das man nicht erkennen konnte was er dabei dachte. Dann trat er hinter seinen Schüler und begann wieder zu sprechen. "Jetzt gehst du voran und parierst meine Schläge, verstanden?" Seraphin nickte etwas unsicher und setzte sich dann in Bewegung.

Hinter sich spürte er wie sein Lehrmeister ihm in geringen Abstand folgte und richtete während des Laufens wieder das Wort an ihn. "Sagt mal, Horaxedus, was genau wollt ihr bei dieser Snapperjagd?" Einen kurzen Moment herrschte Stille, nur unterbrochen von den vielseitigen Geräuschen des Waldes.

Zack.

Seraphin spürte wie sein Hut sich unter dem Gewicht des Kampfstabes verformte und das Holz schließlich seinen Schädel traf was dieser wiederum mit einem unangenehmen Moment des Schmerzes quittierte. Dann hörte er Horaxedus Stimme hinter sich antworten.

"Red nicht soviel, wehr dich lieber."


 

HoraXeduS

ie beiden Anhänger des runden Langholzes, die ihre Bahn beinahe rund um die Stadt gen Süden gezogen hatten, kamen soeben in einem kleinen Wäldchen, welches etwas unterhalb von Khorinis gelegen war, an. Zweifelsohne hätten die Magier schon vor Stunden dieses Gebiet erreichen können, doch Seraphin, derjenige unter ihnen, der das letzte Stück voraus gegangen war, hatte im Gehen versucht, sich gegen die verdeckt geführten Stabschläge seines Lehrers zu verteidigen, der hinter ihm marschierte. Der Schüler war dabei leidlich erfolgreich gewesen: Zwar zierten schmerzhaft blaue Flecken seine vom Mantel bedeckten Schultern, plagte mancher Bluterguss die Hüfte, doch im Verlaufe ihres Weges hatte sich Seraphin immer weiter auf Horaxedus' unverhoffte, schnell geführte Schläge eingelassen und zunehmend häufiger den einen oder anderen, bisweilen geschmeidig, mitunter etwas glücklich, weithin hörbar pariert.

Freilich hat der zunehmende Erfolg der Abwehrtätigkeit des Schülers beim Wandern um die Stadt herum die Gesamtanzahl der mehr oder minder schmerzhaft eingeschlagenen Treffer auf seinem Körper keinesfalls gemindert. Denn je mehr sich Seraphin auf Meidbewegungen und eigene Stabführung konzentriert hatte, desto weniger hatte er auf den Weg geachtet und damit sein Training unfreiwillig verlängert.

"Irgendwo hier muss es sein", sagte Horaxedus und schaute durch die Wipfel der umstehenden Bäume hinauf in den sonnigen Himmel. Der Hutträger an seiner Seite senkte seinen Kampfstab und vermied es, ob absichtlich oder nicht, sich augenblicklich die schmerzenden Körperpartien zu reiben. Stattdessen stand er schweigend da und schaute sich ebenfalls um, allerdings eher in Bodennähe. "Es gibt eine Höhle hier in der Nähe, in der vor langer Zeit ein schwarzer Snapper gehaust hat", konnte sich der Lehrmeister noch gut an die damalige Jagd erinnern. "Nehmen wir mal an, es haben sich seitdem wieder irgendwelche Viecher dort eingenistet. Dann wäre es kein Wunder, wenn die muntere Jagdgesellschaft noch immer nach Snappern Ausschau hielte, denn der Ort ist wirklich sehr versteckt gelegen."

Seraphin fragte nicht noch einmal, warum sein Lehrer an dieser Jagd teilnehmen wollte. Er ahnte wohl, dass er erneut keine erschöpfende Antwort erhalten würde. Der Glasmacher fuhr fort: "Üblicherweise bestehen Jagdgesellschaften der hohen Herren bei einer solchen Jagd aus kaum mehr als vier Personen. Es wäre zwar ungefährlicher, mehr Jäger dabei zu haben, doch gönnen sich die wohlhabenden Oberstädter einander gegenseitig weder Beute noch Trophäe." Der Schüler nickte zustimmend, bevor Horaxedus weitersprach. "Also haben wir eine gute Chance, ihn annähernd unbemerkt zur Strecke zu bringen. Wenn es geht, will ich ihn lebend." "Lebend?!", rief Seraphin erschrocken aus.

Der Stabkampfmeister begann augenblicklich zu lachen. Wahrscheinlich war es wirklich an der Zeit, den Schüler etwas näher einzuweihen. "Wir jagen zwar eine Bestie, doch ist es nicht der Snapper, auf dessen Fährte wir uns bewegen." Seraphin schaute ernst und fragend zu Horaxedus hinüber. "Sondern?" "Der den wir jagen, hört auf den Namen Knarguf. In der Stadt und landauf, landab rufen sie ihn eigentlich nur 'den Illaner'."

Der Glasmacher bemerkte die Zweifel seines Schülers. Auch er schien niemand zu sein, der Spaß an der Jagd auf einen Menschen hatte, und so erläuterte er abschließend: "Knarguf ist mit dem Schwertfisch im Bunde. Die Menschen, die er auf dem Gewissen hat, dürften schon lang auf kein Kerbholz mehr passen." Schließlich wandte sich der Lehrer noch einmal Seraphin zu: "Ich werde Deine Ausbildung weiterhin fortführen, auch wenn Du es vorziehen möchtest, Knarguf nicht mit mir in diesem Wäldchen aufzuspüren. Du kannst gerechterweise nichts schlechtes von ihm wissen, und ich habe leider nicht die Zeit, dir mein Wissen hier und jetzt zu offenbaren, da die Zeit drängt. Zudem dürfte auch immer noch ein Snapper hier unterwegs sein, groß genug, um immerhin die Aufmerksamkeit der eitlen Oberstädter erregt zu haben. "Wie auch immer du dich entscheidest", Horaxedus hielt vorsichtig den Finger vor die Lippen, als habe er von irgendwoher ein Geräusch wahrgenommen, "sei schnell und vor allem leise. Wie es scheint, sind wir bereits dichter an der Jagd als ich dachte."

Seraphin

eraphin schaute seinen Lehrmeister unschlüssig an. Dann nickte er. "Wer auch immer dieser Mann ist, ich sehe keinen Grund an euren Worten zu zweifeln. Ich werde euch unterstützen soweit es mir möglich ist, Horaxedus", gab er zu verstehen. Der Priester sah ihn noch einmal prüfend an, dann spähte er wieder angespannt durch das Unterholz und ehe Seraphin reagieren konnte war er bereits verschwunden. Während der Schüler es um ihn herum Rascheln hörte fiel ihm auf das es da ein nicht gerade kleines Problem gab. Verflucht, er wusste doch gar nicht wie dieser Knarguf aussah? Sollte er jetzt wahllos jeden Mann den er entdeckte niederstrecken, mal davon abgesehen dass es ziemlich fraglich war ob er nicht schon beim ersten Versuch von dem jeweiligen Gegner in Beliars Reich geschickt wurde? Aber so wie es aussah hatte er keine Gelegenheit mehr mit Horaxedus zu reden. Und der Priester baute auf seine Unterstützung, folglich konnte er die Sache auch nicht einfach schweigend ausharren. Scheinbar saß er eh schon mittendrin.
Seraphin zwang sich innerlich zur Ruhe und ging die Situation noch mal im Kopf durch. Er saß irgendwo in einem Wald, ein gutes Stück von den Stadtmauern Khorinis entfernt. Mit ihm sein Lehrmeister sowie Priester im Zirkel, der einen Mann namens Knarguf dem Illaner suchte welcher angeblich etliche unschuldige Menschenleben auf seinem Gewissen haben sollte. Offensichtlich ein Killer also. Dieser Mann hatte sich nun mit einer kleinen Jagdgemeinschaft von Bürgern hier eingefunden um einen Snapper zu jagen, ein Prachtexemplar von schwarzen Snapper wie es aussah. Seraphin hatte bis jetzt immer nur von der normalen Variante gehört, aber wenn er bedachte wie sich ein Schwarzer Troll von einem einfachen Bergtroll unterschied so konnte er sich ungefähr einen schwarzen Snapper vorstellen. Auch wenn ihm das Bild von dieser Vorstellung nicht sehr gefiel. Nein, überhaupt nicht um ehrlich zu sein.
Zusammengefasst ergab das also vier Männer um ihn herum, einer von ihnen ein Killer, welche allesamt einen schwarzen Snapper jagten, ebenfalls ein ziemlicher Killer, und Horaxedus, welche es sich zur Aufgabe gemacht hatte, den ersten Killer zu erwischen. Und mittendrin befand sich Seraphin, ohne zu wissen, wo der Snapper war, wie dieser aussah, ohne zu wissen, wo Knarguf war, wie er aussah und ohne irgendeine Ahnung, wo sich jetzt sein Lehrmeister befand und wie er aus diesem Schlamassel wieder herauskommen sollte. Na, wenn das mal keine Herausforderung war. Aber von denen hatte es schon weitaus viele gegeben in seinem Leben und bisher hatte sich jede Herausforderung im Nachhinein nur als Geschenk für die Zukunft erwiesen, innen drin eine gehörige Überraschung, verpackt mit Erfahrung und überreicht vom Schicksal. Wenn man daran glaube mochte. Er jedenfalls nicht.
Der Schwarzmagier erhob sich langsam aus seiner Deckung und huschte hinter den nächsten Baum. Mittlerweile war die Sonne fast untergegangen. Der Moment eines jeden Tages in dem sich alle Farben zu zwielichtigem Grau wandeln und die Zeit anderen Gesetzen zu gehorchen scheint. Seraphin packte unbewusst seinen Stab fester. In den letzten Tagen hatte er sich immer mehr an das Langholz gewöhnt als es ohnehin schon der Fall war. Angespannt versuchte er in dem umliegenden Grau irgendetwas auszumachen, Schatten, Geräusche, einfach irgendetwas das ihm weiterhalf. Er meinte Schritte hören zu können, gemurmelte Worte und das vereinzelte Geräusch von knarrendem Leder oder eine Klinge die sirrend durch die Luft fuhr und doch nichts erwischte - geboren aus der Unruhe desjenigen, welcher sie führte. Er meinte die Anspannung des Jägers zu spüren welcher in diesem Moment nur wenige schritte mit angezogener Bogensehne an ihm vorbeilief, flach atmend und sich der Gefahr welche von seiner Beute ausging durchaus bewusst. Dann war er wieder vorbei und Seraphin beeilte sich hinter seinem Rücken die nächste Deckung aufzusuchen. Vielleicht war geradeeben sogar Knarguf persönlich an ihm vorbeigelaufen aber das konnte er nicht einschätzen. Er musste Horaxedus wiederfinden um ihn nach irgendeinem äußeren Merkmal des Illaners zu fragen, schließlich konnten sie nicht einfach jeden der Männer niederstrecken, dafür war das Risiko einfach zu groß. Noch größer als wie es das jetzige schon war.
Hektisch atmend versuchte Seraphin irgendetwas zu erspähen aber seine Chance Horaxedus zu finden war vernichtend gering. Jedenfalls, solange er keine unnötigen Geräusche machen durfte. Hinzu kamen jetzt auch noch vereinzelte Nebelschwaden welche sich wie Geister durch das Unterholz schlichen und einem nicht vorhandene Schatten vorgaukelten - oder vorhandene verborgen. Dann durchschnitt plötzlich ein nervöser Ruf die Luft. "Verdammt, wo ist dieses Mistvieh?!" Seraphin zuckte erschrocken zusammen als er den Besitzer der Stimme nur wenige Schritte von seinem Standort irgendwo im Nebel ortete. "Halt dein Maul Resan! Jetzt weiß er, wo wir sind aber wir nicht wo er herumschleicht, du Idiot!", schallte es wütend aus dem Nebel zurück. Offenbar waren sich die Jagdherren nicht ganz grün. Der mit dem Name Resan murmelte noch irgendetwas, ziemlich unhöfliches vor sich hin, dann herrschte wieder angespannte Stille und die Schritte entfernten sich. Und andere kamen näher. Oder doch nicht? Seraphins Hand schloss sich plötzlich stärker um den Stab.
Irgendetwas schlich nur wenige Manneslängen neben ihm durch das Gebüsch, etwas verdammt Großes. Dann ertönte ein kurzes Schnauben und Seraphin verharrte wie angegossen. Ihm war als würde sich jedes einzelne Haar auf seinem Körper sträuben und sein Verstand sich gegen diesen Anblick wehren wollen während er den riesigen Schatten mit leise stampfenden Schritten nur wenige Meter vor ihm durch den Nebel schleichen sah. Kleine, tückische Augen schienen ihn kalt zu mustern und ein Hauch von boshafter Intelligenz streifte seinen Geist und ließ ihn innerlich erschauern. Nach einer kleinen Ewigkeit war schließlich auch die wippende Schwanzspitze der Bestie wieder im Nebel verschwunden und Seraphin sackte zitternd an dem Baum herab während sein Herz jetzt fast doppelt so schnell und schmerzhaft weiterschlug. Den ersten Killer hatte er damit wohl schon mal ansatzweise gesehen, zum Glück war das andersherum nicht der Fall gewesen. Die Herren Jäger würden noch ihre wahre Freude an ihrer Beute haben. Mein Gott, wussten sie auch wirklich was sie da jagten? Irgendwie drängte sich Seraphin plötzlich der Verdacht auf, dass das nicht der Fall war…
Er verscheuchte den Anflug von Angst und konzentrierte sich wieder auf die wabernden Nebelschwaden. Er musste Horaxedus finden, irgendwie. Langsam bereute er es schon fast noch vor wenigen Minuten nicht einfach umgedreht und die Angelegenheiten seines Lehrmeisters auch seine Angelegenheiten sein zu lassen. Doch jetzt galt es irgendwie heile aus der ganzen Sache herauszukommen. Nur das Seraphin mit jedem weiterem Moment immer mehr befürchtete, dass das für ihn nicht der Fall sein würde. Der Nebel schien immer dichter zu werden und ihn ersticken zu wollen, die Bäume nach ihm zu greifen während er stinkenden Atem aus einem geschuppten Maul hinter sich zu spüren glaubte. Ganz dicht. Zu dicht. Ärgerlich überzeugte er sich davon das hinter ihm nichts anderes als zwielichtige Schatten und verdorrtes Buschwerk war, bevor er wieder weiterschlich und sich die nächste Deckung hinter einem Baumstamm suchte. Verdammt, wo war Horaxedus nur? Das durfte doch alles nicht wahr sein…
Angestrengt schickte er seine Blicke auf die Suche nach dem Priester. Direkt vor seinen Augen befand sich eine kleine Lichtung nur bedeckt von ein paar Blättern und heruntergefallenen Zweigen. Plötzlich schien sich der Nebel regelrecht zu teilen als ein Mann auf den freien Platz schritt und einen Moment verharrte. Er trug einen langen Umhang aus schwarzem Wolfsfell und in seiner rechten Hand ruhte eine Armbrust. Der Jäger musste an die fünfzig Lenze zählen, sein mittelanges Haar kräuselte sich schon in einem silbernen Grau über die breiten Schultern. Und anders als bei Seraphin war bei ihm offensichtlich das Alter dafür verantwortlich. Vorsichtig duckte der Schwarzmagier sich noch weiter hinter seine Deckung. Plötzlich, als ob der Beobachtete es spüren würde, ruckte sein Kopf in einer erschreckend schnellen Bewegung herum und sein Blick durchforstete das Unterholz in seiner Nähe. Irgendetwas gefror als Seraphin als er in diese Augen sah. Kalt, fast Tod ruhten sie in dem steinernen Gesicht ihres Besitzers und die harten Züge sahen aus als, ob sie sich niemals zu einem Lächeln verzogen hatten. Jedenfalls zu keinem echten. Dann ging der Moment vorüber und so schnell wie er gekommen war verschwand der Jäger wieder mit großen Schritten im Nebel und ließ nur ein seltsames Gefühl in Seraphins Innerstem zurück.
Nachdem er sich überzeugt hatte dass auch wirklich Niemand da war begab der Schwarzmagier sich langsam aus dem Schatten des Stammes und überquerte die Lichtung. Doch auf halbem Wege stockte er plötzlich als irgendwo aus dem Nebel ein Ruf ertönte. "Er ist hier, ich hab ihn gesehen!" Seraphin horchte angespannt. Dann folgten plötzlich das sirrende Geräusch einer losgelassenen Bogensehne und splitternde Äste gepaart mit einem ohrenbetäubenden Brüllen. "Hast du ihn erwischt, Gerond?!" "Ich glaube schon, hier ist Blut, aber…" "Aber WAS?!" "Ich finde ihn nicht. Ich muss nicht richtig getroffen haben, scheiße." Seraphin spürte plötzlich wie sein Atem stockte als er einen weiteren Schatten mit schnellen Schritten an ihm vorüber eilen sah. "Deine Schuld, jetzt hol ich ihn mir." Kam es gehässig aus dem Nebel zurück. "Na viel Spaß, das Vieh ist riesig sage ich dir." "Was meinst du damit? Hat unser großer Bogenschütze jetzt etwa schon Angst von einem einzelnen Snapper? Uhhh…" "Halt dein stinkendes Maul Resan, der hier ist anders…"

(Fortsetzung auf Seite 12)