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Inhalt 06/03
Sonderausgabe


Das ist Guthwulf
gepostet am 11.05.2003
 
Guthwulf

ame: Guthwulf
Alter: 38
Skils: Einhand 2, Doppelschwert 2, Armbrust 2, Schleichen 2
Waffe: variierend
Kleidung: Zerschlissene Lederrüstung, altes Cape aus dem gleichen Material, breitkrempiger Hut
Erscheinungsbild: Guthwulf ist groß und von hagerem Körperbau, viele Jahre der Arbeit als Kopfgeldjäger unter freiem Himmel haben seine Haut braun und lederartig werden lassen. Sein kurzes, strohblondes Haar wird meistens von einem breitkrempigen Hut bedeckt, unter dem ein verkniffenes, stoppelbärtiges Männergesicht hervorblinzelt.
Geschichte: Kalt und scharf rann der Alkohol die gefühllose Kehle hinunter, goldene Glut, brennendes Lebensfeuer, heiß, ätzend und schmerzlich vertraut. Er war das Zentrum seines Universums, die gleißende Sonne seines gesamten Seins, sein Motor, sein Treibstoff und sein Todesurteil. Er war verflüssigtes Verderben, und doch konnte er ihm nicht entfliehen, musste ihn mit seinen schwieligen, dreckverkrusteten Händen umklammern wie ein Ertrinkender das rettende Seemannstau.
Trübe schwappte der Schnaps in seinem grob gebrannten Tonbecher, der einzig ruhende Pol in einer Welt deren Angeln von den unsichtbaren Händen des Alkohols längst in ein drehendes Schreckenskarussel verwandelt worden war. Den Mann, dessen Gesicht sich in der güldenen Flüssigkeit spiegelte, erkannte er nur vage. Die aufgeweckten, eiskalt blitzenden Augen hatten ihre Kraft längst verloren, waren zu trübe dreinblickenden, stahlgrauen Spiegeln der eigenen Trunkenheit geworden, jahrelange Sonneneinstrahlung hatten die einst makellose Haut eines Frauenhelden schmutzigbraun und faltig werden lassen, in den zerzausten, strohblonden Haaren zeigten sich erste Strähnen eines ausgelaugten, tristen Grautons.
Ja, einst war er ein anderer Mann gewesen. Wolf hatte man ihn genannt, und ein Wolf war er gewesen. Zahllose Krieger hatte er gestellt und besiegt, zahllose Goldmünzen waren in seinen nun leeren Lederbeutel gewandert, die schmutzige Prämie für die schmutzigen Köpfe der Geächteten, mitgeschleppt in einem blutgetränkten Stoffsack. Guthwulf, der Wolf von Gorthar. Pah.
Die Miene des Mannes verzog sich zu einer bitteren Grimasse als er den Rest des Reisschnapses mit einem einzigen Schluck hinunterstürzte. Mieses Gesöff, doch das einzige, was ein Kerl wie er sich leisten konnte. Das Kopfgeld des letzten Auftrages war gering gewesen, reichte nichteinmal für einen segensreichen Rausch des Vergessens. Jetzt holten seine Gedanken ihn ein, quälten ihn mit der Erinnerung an bessere Zeiten, an Zeiten der Jugend, der Kraft und des Reichtums. Er hatte niemals geizen müssen, sein Schwert hatte ihm schneller neues Gold eingebracht als er es hatte ausgeben können. Das war sein Verhängnis gewesen.
Konnten Menschen zuviel Geld besitzen? Verdammt, ja, sie konnten. Wäre er nicht so gottlos gut in seiner Arbeit gewesen hätte er dem Alkohol vielleicht abschwören können. Vielleicht hätte er auf seine Frau gehört. Vielleicht hätte sie ihn dann auch nicht verlassen.
Krachend wurde ein neuer Becher auf den Tisch gestellt, ein paar Tropfen schwappten über den Becherrand. Guthwulf verzog das Gesicht und blinzelte den Wirt unwirsch an. Dieser Narr sollte gefälligst aufpassen, er brauchte jeden einzelnen Schluck dieses widerlichen Zeugs.
"Macht drei Goldstücke." Die Stimme des Wirtes klang abwesend, die Bewegungen, mit denen er das Gold vom Tisch klaubte, zeugten jedoch von unersättlicher Gier. Verdammte Hyänen, konnten einem alten Wolf nichteinmal jetzt seine Ruhe lassen. Schweigend trank der Kopfgeldjäger seinen Schnaps, während sich der stickige Schankraum der schäbigen Taverne immer weiter mit dem Abschaum der Stadt füllte. Bald schon verdrängte rauhes Gebrüll die nachmittägliche Stille, derbe Witze und schallendes Gelächter verwandelten die Taverne "Zum klingenden Goldstück" in eine apokalyptische Lärmhölle. Guthwulf bemerkte es nicht, zu sehr war er mit seinen eigenen, zähflüssigen Gedanken beschäftigt.
"Hey, Wolf!"
Augenblicklich rutschte die Welt in ihre Fugen zurück. Instinktive Aufmerksamkeit durchdrang den Schleier der Trunkenheit, sehnige Muskeln spannten sich unmerklich unter der zerschlissenen Lederrüstung, in den stahlgrauen Pupillen blitzte es auf. Mit keiner Bewegung reagierte Guthwulf auf den Zuruf, nichteinmal sein Atemrhythmus beschleunigte sich, und das obwohl er genau wusste, dass Ärger im Verzug war. Im Schankraum wurde es merklich stiller, der Kopfgeldjäger konnte das metallische Klacken schwerer Kampfstiefel auf den morschen Holzbohlen der Taverne deutlich hören. Ihrer Frequenz nach zu urteilen mussten es mindestens drei Personen sein, die sich da ihren Weg durch den Schankraum bahnten. Verdammt, er hätte weniger trinken sollen.
Ein Schatten fiel auf den kreisrunden Tisch, an dem Guthwulf sich niedergelassen hatte. Das durchdringende Aroma von billigem Duftwasser stieg ihm in die Nase. Der Wolf hielt seinen Blick weiter starr auf den geleerten Becher gerichtet.
"Na sieh mal an, wen wir hier haben. Wie lange ist es her, Guthwulf?"
-"Verzieh dich, Kid."
Die Stimme des Kopfgeldjägers klang so kalt und rau wie eh und je. Eine Sekunde lang herrschte tatsächlich Stille, dann jedoch lachte jemand hinter ihm amüsiert auf. Ein junger Mann umrundete den Tisch und setzte sich auf den gegenüberliegenden Stuhl. Braune, schulterlange Haare fielen auf eine Rüstung aus beschlagenem Leder, umrahmten das feingeschnittene Gesicht eines grinsenden Jünglings. Blaue Augen funkelten unter erwartungsvoll gehobenen Brauen. Es war das Funkeln eines Raubtiers bei der Jagd. Die Frage, wer die Beute sein sollte, stellte sich jedoch erst gar nicht.
"Nanana, Wolf, begrüßt man so seinen alten Schüler? Sehr unhöflich von dir."
Guthwulf starrte schweigend auf seinen Becher.
"Du trinkst also immer noch." Kid schüttelte den Kopf in gespieltem Bedauern. "Du bist alt geworden, Wolf. Zu alt."
-"Bist du gekommen, um mich zu verspotten?"
"Das ist gar nicht nötig, schau dich doch an."
Kid erhob sich wieder. Seine Mundwinkel waren verächtlich heruntergezogen. "Ein dreckiger Bettler, mehr bist du nicht. Deine Zeit ist um, Guthwulf. Ich bin nun an der Reihe."
 
-"Lauf zurück zu deiner Mutter Kid. Sie vermisst dich sicher schon."
Guthwulf brauchte das Geräusch von aus der Scheide fahrendem Metall gar nicht hören um zu wissen, was nun kam. Ruckartig sprang er auf, die Hände unter den Tisch gepresst, um das schwere Holzstück kraftvoll umzuwerfen. Kid taumelte zurück, doch er war nicht allein. Aus den Augenwinkeln sah Guthwulf das Blitzen der Schwertklinge. Instinktiv sprang er zurück, sein rechter Fuß ruckte nach oben, trat dem keuchenden Kontrahenten mit schwerem Stiefel in die Magengegend. Die Welt begann sich zu drehen. Unter dem Einfluss des Alkohols wurden Bewegungen zu verwaschenen Farbschlieren, Personen zu schemenhaften Gestalten, doch der alte Kopfgeldjäger würde so schnell nicht aufgeben. Seine behandschuhte Hand glitt von der vertrauten Wolfskopfform des Schwertknaufs zum Griff der Waffe. Schleifend fuhr sie aus der abgewetzten Lederscheide, keine Sekunde zu früh, denn schon musste der Wolf sich gegen die heftigen Attacken eines weiteren Angreifers erwehren. Guthwulf parierte die Hiebe mit dem Instinkt eines Veteranen, sein Blickfeld war stark verengt, in seinem Kopf hatte sich ein ganzer Schwarm Schlupfwespen eingenistet, die seinen Geist in eine dröhnende Messingglocke verwandelten. Verdammter Reisschnaps! Mit Bier wäre ihm so etwas nicht passiert.
Etwas Scharfes streifte den Arm des Kopfgeldjägers, veranlasste ihn dazu, herumzuwirbeln und zu einem geduckten Hieb auszuholen. Diesmal traf sein Schwert auf weicheren Widerstand, ein abgehackter Schrei durchdrang den Kampflärm, warmes Blut sprudelte über das glänzende Klingenblatt. Blitzschnell zog der erfahrene Kämpfer die Waffe aus dem Körper des sterbenden Mannes, doch seine Füße stießen dabei gegen ein Tischbein. Diesmal half auch kein Ausfallschritt, einem schweren Mehlsack gleich polterte Guthwulf zu Boden. In seinem Kopf tanzte der Teufel des Alkohols seinen hysterischen Freudentanz, während der Kopfgeldjäger sich auf den Rücken rollte. Ein schwarzer Schemen stürmte schreiend auf ihn zu, versuchte ihm seine Waffe aus der Hand zu prellen, doch Guthwulf zog ihm mit einem kraftvollen Tritt die Beine unter dem Körper weg. Während der Schatten krachend auf die Bretter ging, traf etwas verdammt Hartes den Wolf an der Schulter. Schmerz rollte einer Sintflut gleich durch seinen Arm, seine Hand wurde taub, konnte das Schwert nicht mehr halten. Ein weiterer Schlag traf den Jäger in der Seite, am Oberschenkel, dann an der Schläfe. Die Welt löste sich in einer Milliarde feuriger Sterne auf, ein jeder ein eigenes Universum der Pein. Die Hiebe prasselten nun einem Trommelfeuer auf Guthwulf ein, er wurde hochgehoben und durch den Schankraum geworfen. Holz splitterte und brach unter der Wucht seines Aufpralls, dann waren die Schemen wieder über ihm, setzten ihr brutales treiben fort. Der alte Kopfgeldjäger schmeckte Blut. Schmerz spürte er nicht mehr, sein Körper fühlte sich an wie ein unförmiger Sack aus blutigem Fleisch und zertrümmerten Knochen. Jeder Atemzug war eine Herausforderung, ein fast aussichtsloser Kampf gegen den stärker werdenden Wunsch, loszulassen. Guthwulf ließ nicht los. Sein ganzes Leben lang hatte er nicht losgelassen, hatte sich mit der störrischen Verbissenheit eines Raubtieres durch jede Widrigkeit geschlagen, die die Welt für ihn bereitgehalten hatte. Diese Tracht Prügel bildete da keine Ausnahme.
Als die Schläge schließlich verebbten, war der Kopfgeldjäger zu keiner Bewegung mehr fähig. Er spürte nicht, wie ihm seine Widersacher Schwertgurt, Bogen und Köcher abnahmen, sah aber, wie jemand ihm seine Waffe unter spöttischem Gelächter vor die zugeschwollenen Augen hielt.
"Es ist vorbei Guthwulf. Dein Revier ist verloren. Ein neuer Wolf führt nun das Rudel."
Kids Stimme klang fern, so unendlich fern.
"Wir sehen uns in der Hölle, alter Lehrmeister."
Die Gestalten entfernten sich, ließen einen zerstörten Schankraum voller zerbrochenen Stühlen, gesplitterten Tischen und einem schwer verletzten alten Mann zurück. Verletzt, nicht tot. Vielleicht hatten die jungen Burschen gerade den größten Fehler ihres Lebens gegangen. Während Guthwulfs Sinne schwanden dachte er daran, dass Kids Worte sich erfüllen würden. Sie würden sich in der Hölle sehen. Und er würde dafür sorgen dass die Hölle des jungen Kriegers ein Ort auf dieser Welt sein würde…
 
Guthwulf erwacht
gepostet am 11.05.2003
  Guthwulf

angsam lüftete sich der Schleier der alles bedeckenden Dunkelheit, Risse bildeten sich in der unendlichen Welt der Schwärze, schmale Lichtlanzen durchstießen die Decke der Bewusstlosigkeit, rissen den erschöpfte darunter schlummernden Geist aus seiner Apathie, zogen ihn unerbittlich höher, immer weiter dem glitzernden Meeresspiegel der realen Welt entgegen. Mit dem Bewusstsein kam der Schmerz. Blitzende Wellen der Pein zuckten durch jede Faser des zerschlagenen Menschenkörpers, gleißende Tentakel der Agonie peitschten den schlaftrunkenen Geist fast wieder in die Ohnmacht während jeder Nerv, jeder Muskel und jedes Organ mit schmerzhafter Nachdrücklichkeit nach Ruhe verlangten. Guthwulfs Augen öffneten sich. Langsam, fast als müsste jeder Millimeter sorgfältig durchdacht werden, schoben sich die faltigen Lider nach oben, gaben schmale, schlitzförmige Ausschnitte zweier stahlgrauer Pupillen frei. Eine kleine Stubenfliege krabbelte über das stoppelbärtige Kinn des regungslos auf der groben Stoffmatratze liegenden Mannes, erklomm ohne Eile den kantigen Hügel des rechten Wangenknochens, während ihr kleiner Saugrüssel sich an den winzigen Schweißtropfen labte, die das sonnengebräunte Antlitz des alten Kriegers benetzten. Guthwulf spürte das Insekt seinen Hals hinunterwandern, doch er machte sich nicht die Mühe, nach ihr zu schlagen. Nicht dass er es gekonnt hätte. Jedes seiner Glieder fühlte sich an wie ein aufgedunsener Sack voller Schmerz, sein Schädel pochte, seine Kehle war trocken. Er brauchte ein Bier. Langsam drehten sich die Augäpfel in ihren schattigen Höhlen, unterzogen die nähere Umgebung einer genauen Musterung. Der Raum, in dem das einfache Bett stand, auf dem er lag, war klein und ganz aus dicken, grobschlächtigen Holzbohlen gezimmert. In der Nähe der Tür befand sich eine kleine Kommode, deren hölzerne Schubladen von dem goldenen Licht gesprenkelt wurden, welches durch das rechteckige Fenster an der gegenüberliegenden Wand zu finden war. Irgendwo zwitscherte ein Vogel. Sein melodischer Gesang und das leise, verhaltene Wispern des Windes waren die einzigen Geräusche, die den erwachten Wolf begrüßten. Guthwulf versuchte sich aufzurichten. Vorsichtig spannte er Arm- und Bauchmuskeln, wartete geduldig bis der brennende Schmerz auf ein erträgliches Maß abschwoll, stützte sich dann langsam auf die Ellbogen, bevor er sich unter nicht unbeträchtlicher Pein in eine sitzende Haltung erhob. Als er sich erschöpft an die Zimmerwand am Kopfende seines Bettes lehnte bemerkte er erst, dass er bei der gesamten Prozedur die Zähne mit aller Kraft aufeinander gebissen hatte. Zischend ließ er die angehaltene Luft aus seinen Lungen entweichen, lehnte sein verschwitztes Haupt gegen das braune Hartholz und gönnte sich einige Sekunden der Ruhe, bevor er es wagte, an sich herunterzusehen. Einen Augenblick später wünschte er sich, er hätte es bleiben lassen. Irgendjemand hatte fast seinen gesamten Körper in faserige Leinen gebunden. Beide Arme sowie das linke Bein waren bandagiert, der Brustkorb war in besonders dicke Verbände gewickelt, deren schmutzigweißer Stoff an mehreren Stellen rötlich schimmerte. Hier schien sich auch das Zentrum seines Universums der Agonie zu befinden. Guthwulf gab ein unwirsches Brummen von sich. Diese Söhne einer räudigen Hündin hatten ihn verdammt übel erwischt. Solange er zurückdenken konnte hatte er sich nicht einmal annähernd so schwach gefühlt wie an diesem Morgen. Würde ne ganze Weile dauern bevor der olle Wolf wieder auf die Jagd gehen konnte. Tja, Schicksal, besser man fand sich damit ab. Ein metallisches Klacken riss Guthwulf aus seinen Gedanken. Jemand drehte den Schlüssel in der Tür, dann wurde die Klinke heruntergedrückt, gefolgt von einem entsetzten Schrei. "Bei allen Göttern, legt Euch wieder hin!"
  Bevor Guthwulfs Hirn die Information dieser Botschaft überhaupt verarbeiten konnte, stürmte eine dickliche, in ein grobes Leinenkleid und eine dazu passende schmutzige Kittelschürze gekleidete Frau in den Raum und drückte den Wolf unter einem ganzen Schwall wütend-besorgter Worte zurück auf die Stoffmatratze. Während sie seine Bandagen untersuchte, konnte der Kopfgeldjäger nicht umhin, sie von Kopf bis Fuß zu mustern. Sie war jünger als er, auch wenn sie ihre besten Jahre offensichtlich bereits hinter sich hatte. Blaue Wasseraugen blitzten aus einem rundlichen Gesicht hervor, welches früher einmal schön gewesen sein mochte, im Laufe des Lebens jedoch ein wenig zuviel Speck angesetzt hatte. Eine weiße Kopfhaube bedeckte einen festen Knoten schwarzen Haares, von dem lediglich zwei gewissenhaft herausgekämmte Locken zu sehen waren, welche die Pausbacken der Frau zwei stummen Wachen gleich flankierten. Der füllige Körper war der einer leidenschaftlichen Köchin, doch die geschickten, schmalen Finger ließen Guthwulf vermuten, dass er sich hier in der Gesellschaft einer Schneiderin befand. "Da hats Euch aber ziemlich erwischt guter Mann..." Die Frau hatte während der Begutachtung der Wunden nicht eine Sekunde lang aufgehört zu reden. "...ein Wunder dass Ihr überhaupt noch lebt. Ei ei nun seht Euch mal das an...hmmm...die Wunden verheilen gut. Ihr habt Glück, bei mir gelandet zu sein." Die Dame hatte sich erhoben, kramte kurz in der Kommodenschublade und kehrte schließlich mit frischem Verbandszeug zurück. Schweigend ließ der in die Jahre gekommene Kopfgeldjäger sie gewähren, als sie die Bandagen mit vorsichtiger Routine von seinem hageren Leib löste und sie anschließend durch neue Leinentücher ersetzte. Ihre Bewegungen waren schnell und sorgfältig, die Verbände straff, doch nicht schmerzend. "Bewegt den rechten Arm." Guthwulf tat, wie ihm geheißen und streckte seinen Arm waagerecht von sich. Die Bandagen behinderten ihn dabei nicht, im Gegenteil schienen sie ihn zu unterstützen. Die Frau nickte, dann hob sich ihr Blick zum ersten Mal seit sie den Raum betreten hatte. Warme, aufgeweckte Augen zwinkerten dem abgehalfterten Krieger schelmisch zu. "Das klappt doch schon ausgezeichnet. Bald werdet ihr auch wieder aufstehen können. Achja, mein Name ist Adana." Adana. Ein hübscher Name, auch wenn der Wolf sich nichts aus Religion machte. Für ihn war Adanos nicht mehr als ein leeres Wort, er hatte sich nie mit den Lehren der Götter auseinandergesetzt und wusste daher auch nicht über ihren Ursprung Bescheid. "Guthwulf." Der Kopfgeldjäger schüttelte die dargebotene Hand. Das Lächeln der Frau verbreiterte sich. "Ich muss gestehen, zu Anfang war ich nicht sicher, ob ich Euch wieder zusammenflicken kann. Ihr besitzt jedoch gutes Heilfleisch." -"Aye." Guthwulf sah sich noch einmal im Zimmer um. Tür, Kommode, Fenster, Frau. Kein Schrank. "Wo sind meine Sachen?" -"Die hab ich gewaschen. Total verdreckt und voller Blut waren sie. Liegen in der Küche, ich werd' sie Euch geben wenn Ihr wieder laufen könnt." Das Lächeln der Frau war unermüdlich. Langsam begann der Wolf sich wohl zu fühlen. Trotzdem, eine wichtige Frage war noch immer offen. "Warum habt Ihr mir geholfen?" Adana war damit beschäftigt, die schmutzigen Bandagen zusammenzurollen. Als sie antwortete, sah sich nur einmal kurz von ihrer Arbeit auf. "Ihr brauchtet Hilfe. Ich bin kein Unmensch, Herr Guthwulf, ich kann es nicht leiden, Männer auf dem Boden verbluten zu sehen, vor allem nicht, wenn sie vor meiner Haustür liegen. Und ausserdem...könnte es sein, dass ich Eure Hilfe benötige." Die Augen des Kopfgeldjägers verengten sich. "Meine Hilfe?" Die Frau schüttelte den Kopf und erhob sich. "Darüber sprechen wir ein anderes mal. Ihr habt fast eine ganze Woche lang geschlafen, und Ihr benötigt noch einige weitere Tage der Ruhe. Schlaft jetzt, und kuriert Eure Wunden. Ich werde Euch mit allem versorgen, was nötig ist um Euch wieder gesund werden zu lassen. Gute Nacht, Wolf." Die Tür wurde zugeschoben, die Schritte verhallten. Zurück blieb ein erschöpft-verwirrter Guthwulf. Wolf. Sie hatte ihn Wolf genannt. Das konnte ja noch heiter werden.  
Guthwulf schlägt zu
gepostet am 04.06.2003
  Bullit

"ch parierte den Angriff mit einer schnellen Bewegung, um mich dann kräftig nach vorn zu werfen!" Lautstark dröhnte die alkoholschwangere Stimme des gorthanischen Soldaten durch den stickigen Schenkenraum, als der junge Krieger damit begann, mit den Händen ein imaginäres Schwert gegen unsichtbare Feinde zu führen. Das Bier des Welpen spritzte über den Rand seines Kruges, bildete schaumige Flecken auf den groben Fußbodenbrettern. "Tannenberg musste zurückweichen, aber ich hab ihm keinen Spielraum gelassen. Fast hätte er mich am Arm erwischt, doch ich wich mit einem Satz zur Seite, um die Attacken fortzusetzen." Ein schiefes Grinsen erschiwn auf den jugendlichen Zügen des Raufbolds. "Ich konnte die Angst in seinen Augen sehen." Die beiden Schankdirnen, die sich während der gesamten Geschichte an die Brust des Prahlhanses drückten, staunten mit offenen Mündern über den ach so heroischen Mut des angeheiterten Soldaten. Zumindest solange, bis eine leise, rauhe Männerstimme die ausgelassene Atmosphäre zerplatzen ließ. "Wie viele Ringe hatte Tannenberg an seinen Fingern?" Der junge Soldat hielt inne, drehte den Kopf, wischte sich das strähnige haar aus der Stirn und musterte die hagere, in einer schattigen Raumecke sitzende Gestalt. Durch die rauchverhangene Schenke konnte der unerfahrene Krieger nicht mehr als einen dunklen Schemen erkennen, vage Umrisse eines langen Mantels, die schwarzen Linien eines breitkrempigen Hutes und das rötliche Glühen eines schiefen Tabakstengels. Der Soldat straffte seine Haltung. "Was?" Die Gestalt bewegte sich um keinen Millimeter. Es schien, als hätte der Wirt eine sprechende Holzstatue an diesen Tisch gesetzt, um seine Gäste zu unterhalten. Leider war die Art der Unterhaltung alles andere als amüsant. "Wie viele Ringe hatte Tannenberg an den Fingern?" Der Soldat nahm einen tiefen Schluck aus seinem Bierkrug, um die Schattengestalt dann gereizt anzufunkeln. "Ich bin nicht dazu gekommen, sie zu zählen, Bursche. Ich hatte einen Kampf zu bestehen. Aber davon versteht ein Bauer wie du ohnehin nichts." Stille war in der Schenke eingekehrt. Die Augen aller Besucher ruhten nun auf dem hageren Mann, verfolgten mit gespannter Erwartung, wie er sich mit langsamen, fast apathischen Bewegungen von seinem Tisch erhob, um dann langsam an den Kneipentresen heranzutreten. Den Kopf hielt er leicht gesenkt, so dass sein Antlitz weiterhin in der Dunkelheit der Hutkrempe verborgen blieb. Leder knarzte, Stahl klickte, als der hochgewachsene Kerl sich mit einem Ellenbogen seitlich auf der Theke aufstützte. Behandschuhte Finger glitten an den schmalen, von bräunlich-blonden Bartstoppeln umrahmten Mund, zogen den qualmenden Tabakstummel zwischen den Lippen hervor, um ihn mit provokativ langsamen Bewegungen direkt vor dem Tonkrug des Soldaten auszurücken. Der Kopf wurde gehoben, und stahlgraue Augen nagelten den Blick des gorthanischen Gardisten mit der Unerbittlichkeit von Kriegslanzen fest. "Du hast nicht gegen Tannenberg gekämpft." Es war deutlich zu sehen, wie es im Gesicht des Soldaten zu arbeiten begann. Brennende Wut kämpften mit mißtrauischer Furcht, der Gedanke an Rache für diese Beleidigung stand gegen die Bedenken, dass der hagere Kerl nicht so selbstsicher auftreten würde, wenn er nicht das eine oder andere vom Kämpfen verstünde.
 

Der Alkohol gab schließlich den Ausschlag. "Nennst du mich etwa einen Lügner?" Die Stimme des jungen Kriegers war zischend geworden, als er sich vorlehnte, die eine Hand auf der Theke, die andere am Knauf seines Schwertes. "Aye." Die gelassene, einsilbige Antwort erstaunte nicht nur den Soldaten, sondern sorgte auch dafür, dass die beiden Schankdirnen zusahen, sich in eine der Raumecken zu begeben. Der gorthanische Krieger sog wütend die rauchige Schankluft in seine Lungen, um dann wuchtig auf die Theke zu schlagen. "Hör mal, Väterchen! Entweder du entschuldigst dich, mich der Lüge bezichtigt zu haben, oder..." Ansatzlos zuckte die hand des hageren Mannes nach vorn, schloss sich um den Nacken des Prahlhanses, um dessen Kopf dann kraftvoll gegen die Tresenplatte krachen zu lassen. Das lederne Cape flappte, als der ältere Kerl sich um den ächzenden Soldaten drehte, in seinen Rücken kam und die zuckende Schwerthand des Recken anschließend gnadenlos auf bis zu den Schulternblättern hinaufzudrücken. Der Gardist schrie auf, die Tavernenbesucher wichen erschrocken zurück. Allein der hochgewachsene Mann blieb völlig ruhig. "Und jetzt erzählst du mir was wirklich in der Burg los war, Welpe." Der Soldat stöhnte auf. Ein feiner Speichelfäden rann aus dem Mundwinkel das auf die Thekenplatte gepressten Gesichts. "Wir haben...die Burg gestürmt..." -"Wer ist > wir < ?" "General Telarons Truppen...dieser dunkle Kerl...und einige Freiwillige." Unter der Hutkrempe blitzte es auf. "Sprich weiter." Wieder ein schmerzhaftes Ächzen, dann bemühte sich der Gardist um weitere Worte. "Der...Widerstand war heftig...der Feind konnte entkommen...wir haben....vierzehn Mann verloren..." -"Wohin flohen sie?" "Das...weiß ich nicht." Der Druck auf den Schwertarm verstärkte sich in gleichem Maße, wie die Schreie des Soldaten an Intensität zunahmen. "Nein bitte! Ich weiß nur dass sie im Wald verschwanden! Das ist die Wahrheit, mehr weiß ich nicht! Arrrgh..." Der Mann nickte langsam, zog die Hände zurück und gab dem Gardisten einen leichten Stoß mit dem Stiefel. Haltlos polterte der junge Krieger zu Boden, um sich stöhnend den Arm zu massieren. "Bleib in Zukunft sofort bei der Wahrheit, Junge. Lügen machen nur Probleme." Mit diesen Worten wandte der Krieger sich ab, um die Taverne schweren Schrittes zu verlassen. Die Straße war wie leergefegt, fast alle Bewohner der Hafenstadt befanden sich in ihren Häusern, um zu Mittag zu essen, allein einige geschäftige Händler trieben sich noch auf den gepflasterten Gassen der Stadt herum. Guthwulf nahm den breitkrempigen Hut vom Kopf, um sich mit einem faserigen Lappen den Schweiß von der Stirn zu wischen. Aus zusammengekniffenen Lidern blickte er zum Himmel hinauf, von dem eine unerbittliche, glühende Sonnenscheibe gnadenlos auf die Menschen herniederbrannte. Der Sommer zog ins Land, und mit ihm die schwüle Hitze. Dem Wolf war es egal, er hatte bereits unzählige dieser heißen Monate hinter sich, wie die ledrige, braungebrannte Haut in seinem Gesicht bewies. Gelassen zog er den Hut wieder über das zerzauste Haar, stapfte dann die Gasse entlang. Die Inquisition war also vertrieben worden, und Gorthar bekam einen neuen Rat. Für den Kopfjäger war dies ohne Bedeutung. Weder die Diener Innos noch diese fettleibigen Adligen würden ihm bei der Suche nach Tak behilflich sein. Tak. Gegen seinen Willen schlich sich ein ironisches Lächeln auf die spröden Lippen des Wolfes. Welchem Gespenst jagte er da eigentlich hinterher? Guthwulf war Realist, es berührte ihn in keinster Weise, sich einzugestehen, dass er absolut keine Spur, keine Fährte, nicht einmal einen Hinweis hatte. Er stand völlig im Dunkeln. Der Kopfjäger gab die Schuld daran jedoch nicht sich selbst. Er war ein Mensch, ein Wesen aus Fleisch und Blut, seine Aufgabe war es, andere Menschen zu jagen, Menschen, die Spuren hinterließen, die von anderen Menschen gesehen wurden, die sich unterhielten, die sich zeigten. Er war kein Geisterfänger. Wenn der Kult einen Schatten fangen wollte, sollte er einen Dämon anheuern. Sicher, es war schade um das Kopfgeld, aber es war ebenso sinnlos, seine Zeit mit stumpfsinnigem Warten zu vergeuden. Niemand wusste, wo dieser Tak war. Vielleicht war er ja auch schon lange tot, in irgendeiner stinkenden Waldhöhle verreckt, auf den Luzkanzacken erfroren, im Meer ertrunken oder von den Orks getötet worden. Guthwulf war kein Magier, er konnte weder in die Zukunft sehen, noch besaß er andersartige Gaben, seine Opfer aufzuspüren. Er hatte Augen und Ohren um Spuren zu lesen, Hände und Füße um ihnen nachzugehen. Für normalsterbliche Menschen war dies völlig ausreichend. Die wenigen Hinweise, die er erhalten hatte, waren absolut nutzlos. Was war das für ein Kult, der nicht wusste, wo sich sein Anführer befand? Geister, Schatten und Gerüchte, hinter mehr war der Wolf momentan nicht her. Es war an der Zeit, dieses Narrentheater aufzugeben. Guthwulf beschleunigte seine Schritte. Sein Ziel war das Armenviertel. Es war an der Zeit, mit einigen Leuten zu sprechen, die wiederum Kontakt zu anderen Leuten hatte. Gute Jäger wurden immer gebraucht, und der Wolf war der Beste...