Inhalt 06/03 Sonderausgabe
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Die
Vision des Arson
gepostet am 16.12.200235 |
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Arson
unkelheit.
Schwarze Türme streckten ihre dicken, klobigen Finger in den schwarzen
Nachthimmel, verdeckten die schmale Sichel des Mondes mit ihren rötlichen
Schieferspitzen. Ein kühler Wind umwehte das wuchtige Ungetüm
der finsteren feste, ließ die Flammen der kleinen Lagerfeuer rund
um seine mauern zittern und tanzen. Die trüb über den Himmel
kriechenden Wolken blickten auf eine Landschaft der Stille hinab, das
leise Knacken der brennenden Scheite und das gedämpfte Gemurmel
vereinzelter Stimmen bildete die einzige Abwechslung zum heiseren Wispern
des Windes. Verwundert blickte Arson sich um. Wo war er hier? Mißtrauisch
musterte er die zahlreichen einfachen Holzhütten, die sich schutzsuchend
in den Schatten der Burg duckten, kleine, grob gezimmerte Gebilde, so
wehrlos wie die Menschen die sie bewohnten. Er kannte diesen Ort. Doch
woher? Ein Schleier aus Blei schien auf dem Gedächtnis des hohen
Novizen zu liegen, schwer und schwarz lastete er auf seinen Erinnerungen,
verhinderte dass Aron fand wonach er suchte. Langsam ging der junge
Diener des Schläfers weiter. Ging er? Nein, er schwebte. Sein Körper
schien aus purem Licht zu bestehen, ein winziger, grell leuchtender
Ball aus Energie, pure geistige Materie. Der Stoff, aus dem die Seelen
waren. Normalerweise hätte Arson sich über den Verlust seiner
Glieder wundern müssen, doch er tat es nicht. Diese surrealistische
Welt schien ihre eigene Gesetze zu haben, obwohl die Menschen hier -
zumeist abgerissen aussehende Gestalten, doch der hohe Novize entdeckte
auch einige kräftig gebaute Kämpfer in roten Uniformen - sich
normal bewegten und verhielten, schienen sie den winzigen Lichtball,
der das gesamte Sein des Berserkers verkörperte, nicht zu bemerken.
Ungehindert huschte die Arson-Kugel durch den von hölzernen Palisaden
umringten äußeren Abschnitt dieses Ortes, glitt dann widerstandslos
durch eines der vergitterten Fenster der Burg. In dem nur schwach erhellten
Raum herrschte völlige Stille. Arson erkannte die schwarzen Umrisse
einer schmalen Gestalt auf einem der Betten, ihre tiefen Atemzüge
verrieten, dass sie schlief. Langsam schwebte der Energieball näher,
ein gleißendes Glühwürmchen in dem finsteren Raum, sonderbar
hell, doch anscheinend von niemandem zu sehen. Es war eine Frau. Ruhig
lag sie da, der entspannte Ausdruck eines ruhigen Schlafes lag auf den
jungen, zarten Gesichtszügen. Sie war hübsch, wenn auch keine
Schönheit. Arson fand sie auf Anhieb sympathisch. Vielleicht konnte
sie ihm helfen, sich in dieser merkwürdigen Welt zurechzufinden,
überlegte er mit der gleichen sonderbaren Logik, die ihm seine
Lichtgestalt als völlig normal erscheinen ließ. Wenn er sie
nur wecken könnte... Zuckend und blitzend huschte der Arson-Ball
um die Nase des Mädchens, winzige, schwach knisternde Blitze wanden
sich um das glühende Energiezentrum, immer weiter steigerte der
hohe Novize sich in eine Mikroapokalypse aus tanzenden Lichtstrahlen,
versuchte mit nicht existierenden Fingern nach der Dame zu greifen.
Und sie erwachte! Arson konnte es kaum glauben. Er hatte es tatsächlich
geschafft! Eine Welle aus Glück und Erregung befiel den jungen
Mann. Sie würde ihm sicher weiterhelfen können. Endlich bekam
er Antworten auf all seine Fragen. Fröhlich glühend schwebte
er vor dem Gesicht der Frau auf und ab, bombardierte sie mit Fragen,
die seinen Geist aufgrund des Mangels an Artikulationswerkzeugen nie
verließen. Erst Sekunden später merkte er, dass das hübsche
Ding ihn nicht einmal anschaute. Ihr verwirrt-erschrockener Blick war
starr zum Fenster gerichtet, ihre Unterlippe zitterte fast unmerklich
leicht. Was hatte das Mädchen bloß? Neugierig wandte Arson
seine unsichtbaren Kugelaugen zu der vergitterten Öffnung in der
Wand, ein greller Impuls ließ seine Energiegestalt Sekundenlang
vor Schreck aufglühen. Draußen, jenseits der eisernen Stäbe,
hatte sich die Dunkelheit der Nach in ein heißes, flackerndes
Glühen verwandelt, gleißende orangefarbene Lichtfinger tasteten
durch das Fenster, malten ein schaurig tanzendes Rechteckmuster an die
gegenüberliegende Wand. Dann spürte der hohe Novize es auch.
Ein leichtes Beben ging durch das mit grobem Holz getäfelten Zimmer,
schwere Füße trappten über den Flur vor der massiven
Tür, von irgendwo erklang gedämpftes Geschrei. Ein Geräusch
wie ein Donnerschlag ertönte, und das Wanken und Beben der Wände
verstärkte sich für einige Sekunden so stark, dass die junge
Frau fast das Gleichgewicht verloren hätte. Auf unsicheren Füßen
kämpfte sie sich zum Fenster, blickte aus neugierigen Augen hinaus
in die glühende Nacht. Noch im selben Sekundenbruchteil schoss
ein mächtiger Feuerstrahl durch die schmelzenden Gitter des Fensterrahmens,
auf einmal war die Luft im Raum kochend heiß, Licht von so unglaublicher
Intensität durchflutete den Raum, dass Arson erblindet wäre,
hätte er menschliche Augen besessen. Das Schreckliche Schauspiel
dauerte nur wenige Augenblicke, dann verebbte das brüllende Feuer
so schnell, wie es herangebraust gekommen war. Das junge Mädchen
stand noch immer vor dem seltsam deformierten Fenster, glühender
Stein tropfte zischend auf ihre verkohlten Handflächen, ihr Kopf
glich einem verbrannten Apfel, das einstmals hübsche Gesicht hatte
sich in eine skelettierte Landschaft aus Staub und Asche verwandelt.
Arson schrie.
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Lautlos
jaulte die kleine Energiekugel ihr Entsetzen in die rauchgeschwängerte
Luft, ihr einstmals ruhiges Glühen war nunmehr ein panisches Zucken
aus gleißenden Lichtreflexen. Er musste hier weg! Blitzschnell raste
der Novizenball davon, drang funkensprühend durch das Schlüsselloch
der großen Eichentür, eilte gedankenschnell durch die Gänge
der Burg, schoss schließlich durch die geöffnete Haupttür
hinaus auf den weitläufigen Hof. Die Apokalypse schien über
die Menschheit gekommen sein. Völlig fassungslos blickte der hohe
Novize auf das Inferno aus Feuer, Rauch und Zerstörung, beobachtete
mit fast teilnahmsloser Ruhe die in höllischer Hitze verglühenden
Männerleiber, die ziellos umhertaumelnden brennenden Gestalten, den
Berg aus schwarzem Fleisch. Kampfgeschrei drang gedämpft an sein
Ohr, irgendwo brüllte etwas auf, ein gewaltiger, endgültiger
Laut, so intensiv, dass er die Wände der Burg selbst zum schwanken
zu bringen schien. Überall kämpften Männer gegen die allgegenwärtigen
Flammen, stiegen mit verbitterter Entschlossenheit über die verkohlten
Überreste ihrer Kameraden, nur um Sekunden später ebenfalls
von dem brennenden Atem der Hölle erfasst zu werden. Der finstere
Nachhimmel war rauchgeschwängert, in dicken, fettigen Schwaden reckten
sich die pechschwarzen Säulen gen Himmel, vermischten sich dort mit
der schwarzen Wolkenmasse zu einer einheitlichen Rußdecke. Jetzt,
in diesem erschreckenden Bild der Verwüstung, erkannte Arson, wo
er sich eigentlich befand. In der Burg des Alten Lagers. Schreiend riss
Arson die Augen auf. Seine panisch geweiteten Pupillen blickten auf die
grob gezimmerte Decke seiner Holzhütte. In der Dunkelheit verschwanden
die breiten Rillen zwischen den einzelnen Brettern in gestaltloser Schwärze,
nur vereinzelt drang das fahle Licht des Mondes in den kleinen Raum der
Unterkunft. Langsam setzte der hohe Novize sich auf, seine Brust hob und
senkte sich wie ein Blasebalg, ein dünner Schweißfilm überzog
die braune Haut des jungen Mannes. Allmählich fand er in die Realität
zurück, die bedrohlichen Schleier der Vision fielen nach und nach
von seinem Geist. Was, beim Schläfer, hatte er da gerade geträumt?
Er war in der Burg gewesen
sie hatte gebrannt. Für einen Augenblick
wurde die Erinnerung an das Leid und den allgegenwärtigen Tod übermächtig,
eine Welle von Übelkeit durchflutete den Körper des hohen Novizen,
so dass er sich mit der rechten Hand auf dem groben Holzboden abstützen
musste, um nicht haltlos zusammenzusacken. Irgendwo in seinem Hinterkopf
begann sich ein Gedanke zu formen, so klar und von so schmerzhafter Endgültigkeit,
dass Arson sich ihm nicht verschließen konnte. Der Schläfer.
Er war schuld. Kaum zuckte die Erkenntnis durch die strapazierten Windungen
seines Hirns, da fügten sich die Eindrücke der letzten Tage
zusammen wie Fragmente eines komplizierten Puzzles, welches nun, in seiner
Gesamtheit betrachtet, endlich Sinn ergab. Es war alles falsch gewesen.
Der Glaube. Der Dienst am Schläfer. Die Lehren. Mit bedächtigen
Bewegungen erhob Arson sich von seiner Liege, mit sorgfältigen, routinierten
Handgriffen befestigte er sein Schwert an seinem breiten Ledergürtel,
begab sich dann in eine der dunklen Raumecken, um die dort abgestellte
Truhe zu öffnen. In ihr hatte der hohe Novize den Mantel aus Wolfsfell,
die Beute seines Einbruchs in der Burg verstaut. Eines Einbruchs im Namen
des Wahnsinns. Mit einem metallischen Klicken schnappte der stählerne
Verschluss des Kleidungsstückes um den Hals des hohen Novizen, dann
verließ er mit weit ausgreifenden Schritten seine Hütte und
damit den Platz, der so lange für ihn eine Heimat gewesen war. Er
hatte nicht vor zurückzukehren. Doch vielleicht konnte er bei seinem
Aufbruch noch einige weitere Brüder von der Unsinnigkeit ihres Glaubens
überzeugen, ihnen von der Vision erzählen, die er gehabt hatte.
Sein erstes Ziel war der hohe Novize Artifex
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Arson
und die Sithi
gepostet am 14. und 15.06.2003 |
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Arson
m selben
Abend... Langsam schlenderte Arson über die verlassenen Kieswege
der Stadt des ewigen Sommers, eine einsame Gestalt im dämmrigen Dunkel
der gewaltigen Kuppelhöhle. Längst war das gelbliche Gleißen
der warmen Energiekugel über dem Tempelberg zu einem blassweißen
Glimmen abgeschwollen, simulierte nun die kühle Finsternis einer
Mondnacht. Das lebhafte Zwitschern der Vögel war dem leisen Zirpen
der im weichen Gras hockenden Grillen gewichen, bildete zusammen mit dem
flüsternden Rauschen der sanften Sommerbrise in den Blättern
eine ruhige Geräuschkulisse, die die Erhabenheit dieses magischen
Ortes auf dezente Weise unterstrich. Arson mochte die Klänge der
Nacht. Oft war er in den letzten Monaten zu ähnlichen Spaziergängen
aufgebrochen, um stundenlang in der Dunkelheit umherzuwandern und über
sein Schicksal, den Lauf der Welt und das Leben im Allgemeinen nachzudenken.
Um diese Zeit waren sämtliche Sithi bereits in ihre Häuser eingekehrt,
um den Tag dort im Schein sanft glühender Kristallbrocken, der die
Tuchgebäude des Schönen Volkes in blinkende Lichtpunkte innerhalb
des allumfassenden Dunkels der Nachthöhle verwandelte, ausklingen
zu lassen. Heute jedoch dachte der Paladin weniger über die tiefsinnigen
Fragen der Existenz nach, sondern erfreute sich einfach an dem Gedanken,
seinen ersten Kampf in Si'injan'dre gewonnen zu haben. Noch immer konnte
er die wundervollen Tonabfolgen hören, mit denen die Zuschauer auf
den Rängen ihren Beifall zeigten, noch immer spürte er jene
elektrisierende Anspannung in jeder Faser seines Körpers, die ihn
durchflutet hatte, als er seinem Kontrahenten das Schwert aus den Händen
schlug. Schweigend grinste Arson in die Nacht. Ja, es war ein großartiger
Augenblick gewesen, einer jener Momente, die einen Menschen über
die Grenzen seines eigenen Wesens hinaushoben, ihn für die Dauer
eines Lidschlages in die höchsten Höhen erhoben, um ihn dann,
gestärkt in Charakter und im Willen, wieder in die Sphären der
Erde zurückschickten. Doch trotz allem war es ein anstrengender Tag
gewesen. Der Kampf hatte große Kraft gekostet, Arme und Beine des
sterblichen Klingentänzers schmerzten noch immer, voraussehbare Nachwirkungen
der extremen Belastungen, denen sie in den Nachmittagsstunden ausgesetzt
waren. Dies war auch der Grund, warum Arson nun vor der schwarzglitzernden
Fläche des ovalen Sees stand, der sich im westlichen Bereich der
Höhle befand. Der sanfte Wind kräuselte die spiegelglatte Oberfläche
des Wasserkörpers kaum, lediglich hier und da war ab und an eine
Unregelmäßigkeit in der Reflexion der bleichen Mondkugel am
Himmel zu erkennen. Ein Bad, ja, das würde nun genau das Richtige
sein. Ohne Eile löste Arson die Schnallen seiner weißen Klingentänzerrüstung,
legte Gurte, Rock und Stiefel ordentlich zusammen, um dann langsam in
das kühle Wasser hineinzuwaten. Ein fröstelnder Schauer kroch
das Rückrad des Paladins hinauf, dann hatte sich sein nackter Körper
an die Temperatur gewöhnt, und der Menschenkrieger beugte sich vor,
um einige Hände voller Wasser zu schöpfen und sich das kühle
Nass über Brust und Schultern zu spritzen. Wieder einmal fragte er
sich, woher dieses Wasser überhaupt kam. Unterirdische Flüsse?
Künstlich angelegte Rinnen? Oder vielleicht... "Oh, hier bist
du." Wie von einer Biene gestochen fuhr Arson herum, blickte die
bleiche Gestalt am Ufer des Sees mit vor peinlich berührter Überraschung
geweiteten Augen an. Allein der Klang der Stimme hatte ausgereicht, um
dem Paladin zu sagen, wer ihn gerade bei seinem nächtlichen Ausflug
ins Wasser störte, doch trotzdem zuckte der hochgewachsene junge
Mann erneut zusammen, als sein Blick das zarte, wunderschöne Gesicht
einer gertenschlanken Sithidame erfasste. War es Belustigung, die die
silbrigen Augen der Sitha zum Funkeln brachte? Panisch schaute Arson an
sich herab, nur um anschließend ein stummes Gebet des Dankes an
alle Götter dieser Welt zu schicken, als er die spiegelnden Wasserfluten
sah, die seinen Leib bis knapp unter den Bauchnabel umspülten. Deutlich
erleichtert hob er den Kopf. "Ich..ähhh...wollte noch baden..."
Aditus linke Braue hob sich, das gelassene Lächeln wurde um eine
Winzigkeit breiter. "Du badest mitten in der Nacht?" -"Nunja..."
Der Paladin duckste ein wenig herum. "...abends ist das Wasser...angenehmer."
Die Sithifrau, schaute ihn weiter mit ihrem undeutbaren Gesichtsausdruck
an, trat dann zu Arsons großer Beunruhigung näher an das Seeufer
heran. "Wirklich? Das möchte ich ausprobieren." Der Menschenkrieger
spürte, wie sein Herz einen schmerzhaften Sprung machte, als seine
Gefährtin ihr dünnes Seidenkleid mit einer einzigen, geschmeidigen
Bewegung löste. Mit einem leisen Rascheln glitt der Stoff an ihren
Körper herunter, um dann nahezu lautlos in das weiche Gras zu sinken.
Arsons Körpertemperatur stieg ins Unermessliche, sein Kopf nahm die
Farbe einer überreifen Tomate an und er fürchtete, dass sich
jeden Moment zischende Schwaden verdampften Wassers um seinen Leib kräuseln
müssten, so glühend heiß war ihm zumute, während
er seine Augen vergeblich von dem Anblick der nackten Sitha zu lösen
versuchte. Innos sei tausendmal für das Wasser gedankt, würde
der See an dieser Stelle auch nur einen Zentimeter seichter sein, so stünde
der Paladin nun vor einem wirklichen Problem. Mit offenem Mund und einem
Amok laufenden Herzmuskel sah Arson seiner Gefährtin dabei zu, wie
sie an das Ufer herantrat, sich langsam hinunterbeugte, um sich glitzernde
Wassertopfen aus hohlen Händen über ihren makellosen Körper
zu sprenkeln. Erst als das kühle Nass über sämtliche ebenmäßig
weißen Rundungen perlte, schritt die Sitha weiter in den See hinein,
um sich dem reglos dastehenden Menschen lächelnd zu nähern.
"Du hast Recht, abends ist es wirklich angenehmer." Arson konnte
nur stumm schlucken. Aditu stand nun direkt vor ihm, er konnte die Wellen
spüren, die jede ihrer Bewegungen im Wasser verursachten, roch den
Duft ihres Haares, sah das Spiel des Mondlichtes auf ihrem glitzerndem
Körper. Seine Hände zitterten, seine Muskeln waren verkrampft,
während ein kleiner Dämon innerhalb seines Kopfes um die Kontrolle
über seinen Leib kämpfte. Der Drang, sie zu berühren, sie
einfach an sich zu reißen und mit ihr zu machen, was er schon so
lange mit ihr hatte machen wollen, war fast übermächtig. Sie
waren allein, niemand würde es bemerken. Sie war zu nah, um sich
ihm entziehen zu können, und hatte er sie ersteinmal gepackt, konnte
sie seiner Kraft nicht mehr entrinnen. Der Menschenkämpfer schloss
die Augen. Nein, er würde nichts dergleichen tun. Er war ein heiliger
Krieger, er hatte sein Leben dem Licht verschrieben. Er würde dieser
Frau kein Leid antun. Leider schien die Sitha regelrecht danach zu verlangen,
dass Arson die Kontrolle verlor. "Wolltest du baden, oder wolltest
lediglich im Wasser herumstehen?" Aditus Lächeln war von solch
einer Schönheit, dass Arson sich fragte, ob es nicht zu viel für
seinen sterblichen Geist sein würde, die Sitha weiter anzusehen.
Andererseits, hatte er eine Wahl? Bevor er eine Antwort geben konnte,
hatte die Dame ihre nackten Arme auf seine Schultern gelegt und drehte
ihn mit sanfter Bestimmtheit herum, so dass er nun mit dem Rücken
zu der Sitha stand. Feingliedrige Finger strichen ihm durch das lange
Haar. "Dein Schopf ist nun schon beinahe so lang wie der meines Bruders.
Du wirst immer mehr zu einem von uns, mein süßer Arson."
Langsam fuhren die Finger Arsons Wirbelsäule entlang, glitten dann
über die Seiten, um zwischen den Armen des Paladins hindurchzugreifen
und über die bebende Brust des Kriegers zu streicheln. Bei jeder
Berührung der Sithifrau zuckte ein komplettes Universum voll gleißender
Hitze durch den Leib des Mannes. "Deine Muskeln sind größer
als die der Sithimänner. Ihr Menschen seid wirklich sehr stark."
Aditu legte ihren Kopf von hinten auf Arsons Schulter, so dass der süße
Atem der Sitha über Ohr und Wange des heiligen Streiters strich.
"Du hast wirklich gut gekämpft. Und du hast gewonnen."
Aditus Stimme senkte sich zu einem leisen Flüstern, sanft und verführerisch
wie ein Frühlingshauch. "Erinnerst du dich, dass du mich gefragt
hast, welchen Preis der Sieger eines Kampfes erhält?" Dem Paladin
drohte schwarz vor Augen zu werden. Laut rauschte das Blut in seinen Ohren,
das Herz pochte wie verrückt, schien jeden Augenblick aus der Brust
des Mannes springen zu wollen. Nur unter Mühe schaffte er es überhaupt,
seinen Mund zu öffnen und einen halbwegs artikulierten Laut von sich
zu geben. "Ja..." Aditus Hände waren zwei elektrisierende
Schlangen der Verführung, deren liebkosende Berührungen sich
nun langsam dem Wasserspiegel entgegensenkten. "Soll ich dir zeigen,
welcher Preis für dich bestimmt ist, mein starker Mensch?" Arson
keuchte auf. Um ihn herum begann sich die Welt zu drehen, verwandelte
sich in einen gleißenden Kreisel der Erregung. Bevor auch der letzte
Rest seiner keuschen Zurückhaltung unter den massiven Attacken der
Sitha zusammenbrach, schaffte er es noch ein letztes Wort zu hauchen.
"Jaaa...." Das Universum zog sich zusammen zu einem einzigen
Gefühl unendlich verdichteter Lust, eine Springflut der Ekstase,
in der Arsons Geist nicht mehr war als ein haltlos dahintreibender Ast.
Der Paladin hatte sein ganz persönliches Paradies gefunden. Jetzt
würde ihn selbst der Tod nicht mehr schrecken können
Arson
"nna'dai,
Arson!" Mit einem anmutigen Satz sprang Jiriki nach hinten, brachte
sich somit aus der Trefferzone des heransausenden Stahlschwertes. Nahezu
lautlos setzte er einige Meter hinter seinem vorherigen Standpunkt auf
dem Arenaboden auf und hob beide Hände zu einer beschwichtigenden
Geste. "Du brichst mir meine Hände." Arson ließ seine
Waffe sinken und starrte den lächelnden Sitha mit leicht verlegenem
Gesichtsausdruck an. Hatte er tatsächlich so hart zugeschlagen? "Entschuldige
bitte, ich war...in Gedanken." Jiriki stellte sein Schwert im Schatten
eines Marmorfelsens ab und trat an den Menschenkrieger heran. "In
Gedanken? Hatten sie vielleicht etwas mit meiner Schwester zu tun?"
Das entwaffnende Lächeln des Unsterblichen trieb dem Paladin die
Schamesröte ins Gesicht. Bei allen Göttern, wieso schien eigentlich
jeder über die Liebeleien zwischen Aditu und ihm Bescheid zu wissen?
Seit jener nächtlichen Seebegegnung vor einigen Wochen hatte es sich
mit blitzartiger Geschwindigkeit herumgesprochen, dass die Sithifrau allem
Anschein nach nicht nur rein geistig an dem sterblichen Krieger interessiert
war. Umgekehrt war der Fall ebenso klar, längst hatte Arson sich
eingestanden, dass er sich in Aditu verliebt hatte. Die wunderschöne
Sitha hatte ihn vom ersten Tage an mit ihrer Art verzaubert, ihre grazile
Anmut, die überirdische Schönheit und die offensichtlich überragende,
erhabene Intelligenz, die jedem Mitglied des Schönen Volkes zu eigen
sein schien machten sie für den auf dem Gebiet der Liebe völlig
unerfahrenen Arson zu einem Sinnbild für das perfekt Weibliche, Unerreichbare.
Nur dass der Krieger es eben doch erreicht hatte. Arson lächelte.
Warum sollte er sich dafür schämen? "Ja, in der Tat, das
hatten sie." Jiriki lachte, begann dann langsam auf den von riesigen
Säulen flankierten Ausgangskorridor zuzuschreiten. Der Menschenkämpfer
steckte sein Schwert in die Scheide und gesellte sich zu ihm. Schweigend
spazierten sie über die blankpolierten Marmorfliesen, lauschten dem
leisen Flappen der Seidenwimpel, während das durch die hohen Seitenfenster
hereinfallende Licht ihre langen Haarschöpfe glänzen ließ.
Schließlich war es Jiriki, der die Stille mit seiner sanften Stimme
durchbrach. "Mondblüte ist noch sehr jung, für unsere Begriffe
gerade erst dem Kindesalter entwachsen." -"Das ist mit bewusst,
sie hatte es mir gegenüber erwähnt. Nun, ich bin ein Mensch,
und obwohl ich für die Begriffe meines Volkes schon längere
Zeit ein Mann bin, so bin ich doch deutlich jünger an Jahren als
deine Schwester." Jiriki nickte. "Ich wollte damit auch nicht
andeuten, dass du und sie nicht zusammen sein dürft. Im Gegenteil,
es freut sowohl mich als auch Erste Großmutter, dass du dein Glück
in Jao'y'tinukeda'ya gefunden hast. Allein Drukhi sieht dir noch immer
mit Misstrauen entgegen, aber lass dich davon nicht abschrecken. Du hast
bewiesen, dass du würdig bist, an diesem Ort zu leben." Die
beiden Gefährten erreichten das Ausgangsportal und schritten hinaus
in den warmen Sonnenschein der Sommerstadt. Der schlanke Klingentänzer
deutete eine leichte Verbeugung an. "Ich muss dich nun verlassen,
Amerasu wünscht meine Anwesenheit bei den Planungen der nächsten
Spiele. Auf bald, und vergiss bitte niemals, wer du bist. Ein Yakh-Huyeru,
einer der Unsrigen." Arson erwiderte die Verbeugung, verabschiedete
sich höflich von seinem Waffenbruder, um seinen Weg dann allein fortzusetzen.
Er konnte es nicht verhindern, dass sich ein schmales Lächeln auf
seine Züge stahl. Jiriki hatte ihn als einen der Ihren bezeichnet.
Ein Klingentänzer. Ein Bürger Jao'y'tinukeda'yas. Er sollte
Aditu davon erzählen, die Sithidame würde es sicher ebenso erfreuen
wie ihn. Der Paladin beschleunigte seine Schritte, überquerte eine
reich verzierte Marmorbrücke, folgte einem der glänzend weißen
Kieswegen, beobachtete das Spiel der glitzernden Bachläufe und pflückte
schließlich eine himmelblaue Blüte, die er im Schatten einer
schlanken Birke entdeckte. Das Haus der Familie Hekh-Asor war nun nicht
mehr weit, und Arson legte die letzten Meter in fröhlicher Erwartung
zurück, während er die Blume zwischen den Fingern drehte. Er
würde sie Aditu in ihr weiches Haar stecken, und ihr dann von Jiriki
erzählen. Vielleicht würde die Sitha dann sogar... Der fließende
Klang zweier melodischer Sithistimmen riss ihn aus seinen Gedanken. Er
stand nun lediglich einen halben Meter vor der Türöffnung des
weitläufigen Tuchgebäudes, konnte die größtenteils
natürlich gewachsene Einrichtung der großen Eingangshalle bereits
erkennen. Ebenso sah er die Schatten zweier Sithi. Vorsichtig trat Arson
an eine der Tuchwände und lauschte. Er wollte die beiden Unsterblichen
in ihrer Konversation nicht stören, doch die Tatsache, dass die Wände
des Hauses lediglich aus hauchzarter Seide bestanden, machte es unmöglich,
die Worte der Sithi nicht zu hören. Der junge Paladin wusste bereits,
wer sich dort unterhielt. Niemals würde er den Klang der weiblichen
Stimme verwechseln, sie begleitete den Menschenkrieger Tag und Nacht,
zu jeder Sekunde seines Lebens, unzählige süße Erinnerungen
hafteten an ihr. Sie gehörte Aditu. Die zweite, deutlich getragenere
Stimme identifizierte der Paladin als die von Shisaeya, Drukhis Gemahlin
und Mitglied der sieben Gründer. Selbstverständlich wurde die
Konversation in der Sprache der Sithi geführt, doch Arson war ein
gelehriger Schüler gewesen. Er verstand die Worte der beiden Frauen
ohne sonderliche Mühen. "...aber Urgroßmutter, er ist
wirklich faszinierend." -"Er ist ein Mensch. Du weißt,
er ist sterblich." Aditu lachte. Arsons Miene verfinsterte sich.
Irgendetwas gefiel ihm nicht an der Tonlage des Lautes. "Ja, ich
weiß, aber er ist stark und ungestüm. Die Männer unseres
Volkes sind so...bedächtig. Ich mag seine Leidenschaft." Stoff
raschelte, als die beiden Unsterblichen durch den Raum schritten. Arson
strengte seine Ohren an. "Ja, ich kenne die Sterblichen nur allzu
gut. Ihre Leidenschaft ist gefährlich. Ich möchte nicht, dass
du ihm falsche Hoffnungen machst, Aditu." Wieder dieses glockenhelle
Lachen. Dem Paladin lief ein kalter Schauer über den Rücken.
"Du weißt nicht, wie er ist, Urgroßmutter. Er ist so
süß, er macht alles für mich. Er ist wie ein zahmer Bär,
und ich möchte ihn behalten." -"Er wird altern, und er
wird sterben. Seine Kraft ist nur von kurzer Dauer." "Dann sollte
ich diese Zeit nutzen, nicht wahr? Es wird sicher schwer, einen neuen
Menschen zu finden. Sie kommen so selten hier her..." Shisaeya setzte
zu einer Antwort an, doch Arson hörte sie nicht mehr. Er hatte genug
gehört, vielleicht mehr, als gut für ihn war. Vor seinen Augen
verschwamm die Welt hinter einem Schleier aus Tränen. Ein Haustier...ein
zahmer Bär...das war er also... Der Paladin konnte sich nicht mehr
beherrschen, ruckartig wandte er sich ab, rannte den Kiesweg herab, sprang
über die Bachläufe, wich den vorbeiflanierenden Sithi dabei
nur notdürftig aus. Die mild überraschten Blicke bemerkte er
dabei nichteinmal. Er musste weg, er musste alleine sein. Vor Anstrengung
keuchend erreichte er das winzige Tuchhaus, in dem er vor vielen Monaten
seine Wunden kuriert hatte, stürmte in rasender Verzweiflung durch
die rechteckige Eingangsöffnung, um dann zitternd zusammenzubrechen.
Auf Hände und Knie gestützt kauerte er im weichen Gras, den
Kopf hielt er gesenkt, die feuchten Augen waren weit aufgerissen, Tränen
fielen auf die saftig grünen Halme, perlten Tautropfen gleich an
ihnen herunter. Ein gigantischer Wirbelsturm hatte Arsons Gedanken hinweggefegt,
verworren kreisten sie nun in seinem zerrissenen Geist, während abgrundtiefe
Verzweiflung in die neu geöffneten Wunden strömte, jede klare
Entscheidung unmöglich machte. Der Paladin schluchzte, sein Körper
spannte sich, seine Hände gruben hilflos in der weichen Erde, während
Aditus Gelächter ihm einer dröhenden Glock gleich im Kopf läutete.
Ein Haustier. Er war ein Haustier, ein Spielzeug, ein lustiges kleines
Wesen, gerade gut genug, die unsterbliche Sithidame zu belustigen. Ein
schmerzhafter Stich zuckte durch die Brust des Kriegers, eine einzelne
glühende Nadel bohrte sich in Arsons Geist, ihre Flammen leckten
an seinen Gedanken, setzten sie einen nach dem anderen in Brand. Heißer
Zorn mischte sich unter die alles erstickende Decke der Trauer. |
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Der
schwache Schimmer von Gold ließ den Paladin aufblicken. Sein tränennasser
Blick fiel auf etwas Kleines, Glänzendes, halbverborgen im hohen
Gras, unweit der Stelle, an der er sein Schwert gefunden hatte. Arson
griff danach. Es war ein Ring. Sein Ring. Mit bebenden Schultern hielt
der Menschenkrieger das Kleinod vor sein Gesicht, starrte nachdenklich
auf das kunstfertig eingravierte Wappen auf der Oberseite des Ringes.
Eine stilisierte Sonnenscheibe, vor der sich zwei kleine Kampfschwerter
kreuzten. Das Zeichen eines Paladins. Arsons Miene verhärtete sich,
der Tränenfluss versiegte, die Kiefermuskeln wurden gespannt. Was
hatte Jiriki zu ihm gesagt? Er solle nicht vergessen, wer er war. Der
Sitha hatte Recht, und doch irrte er sich auf schreckliche Weise. Die
Faust des heiligen Streiters schloss sich um den Ring, wurde an die nackte
Brust gedrückt. Langsam kam Arson auf die Beine. Wieder einmal hatte
er einen Fehler gemacht. Er hatte tatsächlich vergessen, wer er war.
Er hatte vergessen, wem er die Treue geschworen hatte, hatte seine Freunde,
seine Brüder und Schwestern im Stich gelassen, um einem Kindertraum
nachzujagen. Doch Innos, in seiner unendlichen Güte, gab ihm noch
eine zweite Chance. Er würde ihn nicht enttäuschen. "Ich
weiß, wer ich bin." Arson, Paladin des Königs. Arson,
Verteidiger des wahren Glaubens. Arson, Krieger des Menschenvolkes. Es
war an der Zeit, für seine Fehler einzustehen, und das Unheil, das
er vielleicht jetzt schon angerichtet hatte, wiedergut zu machen. Der
hochgewachsene junge Mann wischte sich mit dem Handrücken über
das Gesicht, trocknete seine Wangen und wartete, bis sein Pulsschlag sich
wieder normalisierte. Als er das kleine Tuchhäuschen verließ,
bewegte er sich mit der üblichen gelassenen Geschmeidigkeit, weder
seine Haltung noch sein Gesichtsausdruck verrieten etwas von den Gedanken,
die im Kopf des Menschenkämpfers ausgebrütet wurden. Freundlich
nickte er einigen vorbeischreitenden Sithi zu, machte sich dann ohne Eile
auf den Weg zur Residenz des Hauses Hekh-Asor, um seine liebste Aditu
zu begrüßen. An seiner Hand blitzte der goldene Ring der Paladine.
Arson
ls Aditu
am nächsten Morgen neben ihrem menschlichen Gefährten erwachte,
fand sie einen fröhlich lächelnden Arson vor, der ihr einen
zärtlichen Kuss auf die ebenmäßig weißen Wangen
gab, bevor er sich dann mit einer geschmeidigen Bewegung vom Grasboden
erhob, um gähnend seine Glieder zu strecken. Grüne Pupillen
blitzten in einem bartlosen Gesicht, das pechschwarze Haar fiel in langen,
seidigen Strähnen bis zur Hüfte des Kriegers. Wer Arson an diesem
sonnenbeschienenen Morgen dabei zusah, wie er Arme und Beine lockerte,
sich dann gelassen, doch trotzdem geschickt in seine Tuchgewänder
hüllte, der hätte ihn kaum für denselben zerkratzten und
halbverdursteten Burschen halten können, der vor vielen Monaten durch
die Tore der Stadt des ewigen Sommers getragen worden war. "Guten
Morgen, liebste Aditu." Die Sitha erhob sich, trat an den hochgewachsenen
Paladin heran und strich ihm spielerisch über die Brust, bevor sie
sich ebenfalls nach ihren Kleidern bückte und sie mit anmutigen Griffen
um ihren gertenschlanken Körper wand. "Guten Morgen, süßer
Arson." Wortlos hakte sich die Sitha bei ihrem Gefährten unter,
um dann an seiner Seite in das weitläufige Empfangszimmer der Residenz
zu treten, die ihre Familie bewohnte. Wie jeden Morgen setzten sie sich
an eine der langen Tafeln, um sich dann an verschiedenen Früchten
und Gemüsesorten zu stärken. Arson aß mit gewohntem Appetit,
wechselte sogar einige Worte mit Drukhi dem Hausherren, der sich nach
dem Befinden des Sterblichen erkundete. "Danke Herr, es geht mir
ausgezeichnet. Ich fühle mich frei wie lange nicht mehr." Der
ehrwürdige Gründer nickte und schaute zu Aditu hinüber.
Ein bitterer Zug huschte über Arsons Gesicht, nicht mehr als der
Schatten einer Emotion, bevor sich der schmale Mund wieder zu einem höflichen
Lächeln öffnete. Der Sithimann deutete die Bemerkung falsch.
Völlig falsch. Und das war gut so. Sanfte Fingerkuppen berührten
den Arm des Kriegers. "Begleitest du mich in das Yásira?"
Aditus wunderschöne Augen glänzten, ihr Gesicht strahlte ihm
Schein der durch die dünnen Seidentücher fallenden Sonnenstrahlen
wie das Abbild einer Göttin. Arson nickte und erhob sich. "Natürlich."
Gemeinsam verließen sie die Residenz, schritten langsam über
die schmalen Kieswege der Stadt. Irgendwo in den breiten Kronen der Bäume
zwitscherten Vögel, das in den Bachläufen sprudelnde Wasser
war so rein, dass man jeden Stein auf dem Grund mühelos erkennen
konnte. Wie trügerisch der Frieden doch war... "Oh, du trägst
einen Ring." Aditu hob die Hand des Paladins, um das glitzernde Kleinod
besser begutachten zu können. "Ja. Es ist der Ring meines Kriegerordens."
Die Sitha hob den Kopf. Ihre Blicke trafen sich. Für die Dauer eines
Lidschlages schien die Zeit stillzustehen, während hellen Grün
auf gleißendes Silber traf, doch dann wandte Aditu sich wieder dem
Weg zu. "Er ist schön." Arsons Lächeln bekam einen
melancholischen Zug. Fast hatte er gehofft, seine Begleiterin würde
seine Absichten in seinen Augen lesen können, ehrlich mit ihm reden
und diesem ganzen Wahnsinn damit Einhalt gebieten. Sie hatte es nicht
erkannt. Wahrscheinlich interessierten sie die Gefühle des Paladins
nichteinmal, solange er tat, was ihr gefiel. Die Kiefermuskeln des Kriegers
spannten sich. "Ja, das ist er." Sie erreichten die von dem
gigantischen Mammutbaum überdachten Hallen des Yásira, traten
in den Schatten der rauschenden Wipfel, gesellten sich zu hunderten anderer
Sithi, um sich Seite an Seite im Gras der Zeremonienhalle niederzulassen.
Arson betrachtete die an ihren Fäden hängenden Schmetterlinge.
Ihre silbrig glänzenden Flügel bewegten sich als wären
sie alle Teil eines einzigen, gewaltigen Lebewesens, schlugen in einem
Rhythmus, der auf bizarre Weise zum Rauschen des Windes in den Blättern
des Baumes passte. Welches Wunder hinter dieser riesigen Pflanze steckte,
würde der Paladin wohl nie erfahren, denn jetzt hatten sich die Kinder
Inelukis versammelt. Als sie die Augen schlossen, tat Arson es ihnen gleich,
doch anstatt wie üblich in eine tiefe Meditation zu verfallen, blieb
er hellwach, lauschte den leisen Klängen der sanften Lieder der Unsterblichen,
wartete verharrte reglos auf dem grünen Wiesenboden. Eine gute Stunde
war verstrichen, als sich die Augen des Paladins mit einem blitzartigen
Ruck öffneten. Das freundliche Lächeln war wie aus dem Gesicht
gewischt, die schmalen Züge des Menschenkriegers waren kühl
und ausdruckslos. Mit gelassener Sorgfalt musterte er die ruhenden Sithi,
erhob sich dann, um das Yásira ruhigen Schrittes zu verlassen und
hinaus in den Sonnenschein zu treten. Jao'y'tinukada'ya war leer, allein
die dezenten Geräusche der Natur begleiteten den Recken auf seinem
Weg den Tempelhügel hinauf. Das gesamte Volk der Kinder des Sonnenaufganges
hatte sich unter dem Baum versammelt um ihrer Ahnen zu gedenken. Welch
Ironie des Schicksals, dass diese Ehrerbietung sich nun als ihre größte
Schwäche entpuppte. Unangefochten erreichte Arson den Tempelkomplex,
blieb einen Moment im gewölbten Eingangsportal stehen, sog die kühle
Luft der gewaltigen Marmorhalle in seine Lungen und genoss das gespannte
Kribbeln in seiner Magengegend. Dann trat er ein. Laut und hohl hallten
die Schritte seiner bestiefelten Füße durch die riesige Halle,
wurden von den gewaltigen Marmorsäulen reflektiert, die den Paladin
zu beiden Seiten flankierten. Er war in das Venyha Do'sae eingedrungen,
befand sich nun im Heiligtum der Sithi, im herzen ihrer Stadt. Nahe den
Raumwänden standen die uralten Rüstungen der ehrwürdigen
Helden auf ihren Silbersockeln, blickten stumm auf den Menschling hinab,
der es wagte, ihre Ruhe in dieser Stunde zu stören. Arson trat an
an > Himmelslied < , den strahlend weißen Panzer der Ersten
Großmutter Amerasu heran. Seine Hand strich über das schimmernde
Material, jede Mischung aus Erz und Hexenholz, die der Rüstung den
Namen Hexenharnisch eingebracht hatte. Die Lippen des Kriegers öffneten
sich, dann zuckte er jedoch zurück. Nein, für die Tat, die er
im Sinn hatte, geziemte sich ein unbeflecktes Weiß einfach nicht.
Der Paladin wandte sich ab, schritt die Reihen der Rüstungen ohne
Eile entlang, bis er schließlich vor dem schwarzen Panzer mit dem
bezeichneten Namen > Nachtschatten < innehielt. Wie Amerasus Harnisch
glänzte auch dieses Rüstwerk in den schillernden Farben eines
Insektes, erinnerte Arson stets an die Chitinleiber der bösartigen
Blutfliegen, die es in seinen heimatlichen Gefilden so zahlreich gab.
Bruststück, Arm- und Beinschienen waren reich mit kostbaren Silberverzierungen
bestückt, die ehrwürdigen Schmiedemeister hatten sich alle Mühe
gegeben, die Rüstung auf dezente Weise mit kostbaren Emaillierungen
zu überziehen, komplexe Muster, unendlich verworren und doch von
anmutiger Schönheit. Der neben dem Panzer auf einem Sockel ruhende
Helm war dem Kopf eines Panthers nachempfunden, ruhig und leblos starrten
die leeren Augenhöhlen den hochgewachsenen Krieger an. Dieser hatte
seine Wahl getroffen. "A-Genay'asu." Kaum waren die Silben verklungen,
da begannen die Panzerplatten sich zu bewegen, öffneten sich wie
die Blüte einer Blume, gaben ihren Innenraum mit leisem, metallischem
Schaben frei. Der Brustpanzer klappte nach Oben, Arm- und Beinschienen
öffneten sich an zuvor unsichtbaren Nahtstellen, der Umhang entfaltete
sich, fächerte auf und offenbarte sich als das, was er wirklich war
- zwei einzelne Stränge vieler dünner, langer Seidenbänder,
die sich nun nach allen Seiten ausstreckten, als wären es die Schwingen
eines Vogels. Wie schon die Rüstung der ersten Großmutter schillerte
auch die Innenseite dieses Harnisches in allen Farben des Regenbogens.
Arsons Muskeln spannten sich, sein Herz begann schneller in der Brust
zu pochen, während er atemlos auf den geöffneten Panzer starrte.
Langsam drehte er sich um, schritt rückwärts auf den schillernden
Hexenstahl zu, setzte die Füße unendlich vorsichtig zwischen
die aufgeschnappten Beinschienen, hob die Arme und legte sie in die dafür
vorgesehen Kammern. Zuletzt lehnte er sich mit dem Rücken gegen die
Rüstung. Knapp überhalb der Hüfte konnte er den etwas fingerlangen
Stachel spüren, wie er die Haut über seiner Wirbelsäule
piekste. Schweißtropfen perlten dem Paladin von der Stirn. Die Gegenwart
von > Nachtschatten < war nun so deutlich zu spüren, dass Arson
sich fragte, ob der Harnisch wirklich nur ein Harnisch war. Dem Paladin
kamen ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit seines Tuns. Was, wenn diese
Rüstung ihn zerfetzte? Was, wenn sie ihn mit Haut und Haaren verschlang?
Dann hast du es immerhin hinter dir, Narr. Da war etwas dran. Ein letztes
Mal holte der Krieger Luft, öffnete dann die Lippen, um jene schicksalsentscheidenden
Silben auszusprechen. "O-Genay'osé." Mit einem kalten
Schaben schnappten die Stahlschienen um Arme und Beine des Menschenkämpfers,
der Brustpanzer klappte nach von, schloss sich um Arsons Brust, drückte
seinen Oberkörper vollends gegen die Rückseite des Harnisches,
so dass sich der etwa fingerlange Stachel tiefer in seinen Leib bohrte.
Die Nahtstellen der Rüstung verschmolzen zu einer Einheit, die Strähnen
des Umhangs legten sich um die gepanzerten Schultern des Paladins, dann
fühlte der hochgewachsene junge Mann, wie etwas Erhabenes, höchst
Fremdartiges in seinen Geist eindrang. Eine stumme Frage wurde gestellt,
und Arson konnte nicht anders als sie zu beantworten. nein, er war kein
Sithi. Ja, er hatte vor, dem Volk der Unsterblichen zu schaden. Der Schmerz
kam mit blitzartiger Schnelligkeit, traf den heiligen Streiter mit gnadenloser
Wucht. Keuchend brach er in die Knie, während hunderte Supernovae
auf seinen Netzhäuten explodierten. Tausend glühende Messer
zerschnitten sein Hirn, zerstückelten seinen Geist, wollten ihn zwingen,
die Kontrolle über sich selbst aufzugeben. Durch einen Nebel aus
bunter Agonie sah Arson, wie sich seine eigene, von scharfen Klauenpanzergliedern
umhüllte Hand auf sein ungeschütztes Gesicht zubewegte, die
Finger in unverkennbarer Absicht verkrampft. Der Paladin wehrte sich.
Bei Innos, dies war sein Körper, und er allein gab hier die Befehle!
Speichel lief ihm in schillernden Fäden zwischen den gefletschten
Zähnen hindurch, besudelte die makellosen Marmorfliesen, während
sich der in schwarzen Stahl gehüllte Leib des Kriegers immer wieder
in spastischen Anfällen aufbäumte. Arson dachte an Sludig, dachte
an Einskaldir, zwang die Bilder seiner Kameraden vor sein geistiges Auge,
hielt sie mit panischer Verzweiflung fest, klammerte sich an seine Erinnerungen
wie der Ertrinkende an das rettende Floß, während er gleichzeitig
gegen den uralten Willen eines unbekannten Wesens ankämpfte. langsam
sank die Hand zu Boden, scharrte hilflos auf den kalten Bodenfliesen,
hinterließ tiefe Kratzer im weißen Gestein. Arson dachte an
Haestan, durchlebte noch einmal die Sekunden seines Todes, blickte dem
lachenden Dämon, der ihn umbrachte noch einmal in das schmale Gesicht,
sah noch einmal jene glühenden Mandelaugen, die auf so schreckliche
Weise einem...Sitha ähnelten. Arson schrie auf, brüllte seine
unartikulierte Wut zwischen zusammengebissenen Kiefern hinaus. Jetzt ergab
es einen Sinn! Der Schlächter von Utanyeat, dieses unheilige, bösartige
Wesen, war ein Sitha! Die Erkenntnis gab den Ausschlag. Der pure, ungezügelte
Zorn des Paladin zerfetzte die Päsenz des Geistwesens als bestünde
es aus nicht als Nebel, drückte es zurück in die Kammern seines
Unterbewusstseins, nahm ihm seine Individualität, machte es zu seinem
Diener. Der Zuckungen verebbten, als Arsons Leib zur Ruhe kam. Langsam
normalisierte sich die Atmung, die Muskeln entspannten sich, das Bild
wurde wieder klar. Als der Menschenkrieger sich erhob, war sein Gesicht
zu einem ironischen Lächeln verzogen. Mit grimmiger Befriedigung
bewegte er Arme und Beine, erfreute sich an den leise klickenden Geräuschen
der kostbar gearbeiteten Panzerglieder. Jetzt, da sein Wille gebrochen
war, gehorchte der Harnisch seinen Befehlen, unterstützte den Paladin
bei jeder Bewegung, verlieh ihm somit zusätzliche Kraft. Der Streiter
Innos' fühlte sich, als trüge er eine Rüstung bestehend
aus himmelleichten Federn anstatt grauschwarzem Hexenstahl. Der Schmerz
in der Wirbelsäule war gewichen, allein die dezente Gegenwart von
etwas Fremden blieb an der Oberfläche des Geistes, war eng mit der
mentalen Energie verbunden, mit deren Hilfe Arson für gewöhnlich
die Macht seiner Runen aktivierte. Der Recke lächelte. So erhielt
der Harnisch also seine Energie. Ein gezielter geistiger Befehl zuckte
durch das Hirn des Kämpfers, und der dunkle Umhang öffnete sich,
die einzelnen Bänder spreizten sich flügelartig ab, verharrten
dann in bizarrer Reglosigkeit in der Luft. Arsons Blick fiel auf den Helmsockel.
Hauchzarten Tentakeln gleich schossen die Seidenbänder nach vorn,
wickelten sich um Helm und Sockel, trugen den schwarz schillernden Kopfschmuck
bis vor Arsons Augen, während die übrigen Tentakel das marmorne
Podest kraftvoll durch die Halle schleuderten. Krachend zerbarst der Sockel
auf den polierten Bodenfliesen, rutschte geteilt in dutzende kantige Fragmente
über den Stein, um klickend und klackend vor Säulen und Wänden
zum Stillstand zu kommen. Beeindruckt betrachtete Arson das Ergebnis seines
Gedankenbefehls nahm dann den Pantherhelm entgegen, um ihn über sein
Haupt zu stülpen. Das Lange Haar band er dazu zu einem Schopf zusammen,
der in Nackenhöhe durch eine dafür vorgesehene, kreisrunde Aussparung
auf der Rückseite des Helmes gesteckt wurde, so dass das seidig schimmernde
Haar nun in einem langen Zopf zwischen den gepanzerten Schulterblättern
des Kriegers hindurch bis zur Hüfte fiel. Das aus Oberkiefer und
Augenpartie bestehende Helmvisier ließ der Paladin geöffnet,
warf einen letzten Blick auf die leere Halle der Helden, wandte sich dann
ab, und marschierte tiefer in das Herz der Sommerstadt hinein... |
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