Renata
or dem
Tempel des Adanos in der Unterstadt hatten sich etwa zwei Dutzend Menschen
eingefunden, um dem dortigen Prediger zu lauschen
"....und Adanos sprach zu Innos...."
Ein wenig abseits und von allen ignoriert stand ein fliegender Händler
mit einem Bauchladen, der diverse Adanos-Devotionalien feilbot. Er hielt
direkt auf Renata zu.
"Ah, ein neues Gesicht in der Stadt. Nun werte Dame, wollt Ihr nicht
Euer geneigtes Auge auf mein Angebot werfen, anspruchsvolle Fan-Artikel
für jeden Geldbeutel, nur bei mir zu haben, alles was der passionierte
Sammler begehrt"
Auf seinem "Ladentisch" hatte er säuberlich seine Auslage
platziert:
- Adanos-Talismane (flache Flusskiesel, auf die jemand ungelenk in verschiedenen
Farben Adanos geschrieben hatte. Auf das fehlende "A" angesprochen,
erwiderte der fliegende Händler, sooo viel Platz würden so kleine
Steine ja nicht bieten)
- Adanos-Leckereien (Süßwaren-ähnliche Dinge, tunlichst
nicht zum Selbstverzehr sondern als Geschenk für den derzeitigen
Lieblingsfeind anzuraten)
- Adanos-Schneekugeln (kleine, bauchige Flaschen, ursprünglich wohl
mit einem Heiltrank, jetzt randvoll mit Wasser gefüllt und mit einem
Korken verschlossen. Eine kaum daumengroße Adanos-Statue war auf
die dem Wasser zugewandte, also nach innen weisende Seite des Korkens
geklebt. Schüttelte man die Flasche, wirbelte ebenfalls in der Flasche
enthaltener Sand auf und die Statue verschwand in der schlammigen Brühe.
Es würde Stunden wenn nicht gar Tage dauern, bis sich alle Partikel
wieder gesetzt hatten, das Wasser halbwegs klar und die Statue wieder
sichtbar wurde. Allein Beliar mochte wissen, ob es sich um eine Metapher
handelte und wenn ja, welche tiefere Symbolik sich dahinter verbarg)
- Adanos-Wetteranzeiger (ein aus Stein geschnittenes Abbild der Gottheit)
"...und Innos sprach zu Adanos..."
Die beiden letztgenannten Artikel weckten Renatas Neugierde "Und
wie funktioniert der Wetteranzeiger?" "Ein Triumph der Wissenschaft"
sagte der Händler "ein Wunder der Technik: das Prinzip ist so
einfach wie genial, bedingt allerdings, dass man sich ins Freie begibt.
Wird der Wetteranzeiger nass, regnet oder schneit es. Bleibt der Wetteranzeiger
trocken, regnet es nicht, vielleicht scheint sogar die Sonne (Details
wären in diesem Fall durch eingehende Betrachtung der Umgebung zu
klären: weiße Landschaft = Schnee usw., Du weißt schon...)"
"Siehst Du diese Hand?" Renata hatte die rechte Hand leicht
vorgestreckt, Handfläche nach oben "Sie funktioniert genau wie
Dein Wetteranzeiger, und das sogar bei Dunkelheit. Und kann noch viel,
viel mehr. Zum Beispiel Ohrfeigen an diejenigen verteilen, die versuchen,
mich auf den Arm zu nehmen".
Damit ließ sie den Mann stehen.
".....und Adanos sprach zu Beliar...."
Als sie sich nach einigen Schritten noch einmal umwandte, sah sie den
fliegenden Händler vollkommen entrückt noch an der gleichen
Stelle stehen, seine Handfläche betrachtend. Wahrscheinlich heckte
er gerade ein paar neue geniale Geschäftsideen aus.
Horaxedus
enn es
etwas gab, was einem Schwarzmagier grundsätzlich behagte, war es
die intime Dunkelheit der Nacht. Und so schritt, stolz und aufrecht, der
Stabkampfschüler Horaxedus durch die Nacht unweit der Stadt Khorinis,
einen angemessenen Stab für seine kampferprobte Zukunft zu finden.
Allerdings war ein Fehler im Bild: "Dunkelheit" und "finden",
das wollte nicht so recht zusammenpassen und beeinträchtigte die
innere Harmonie des Schwarzmagiers enorm. Ein flinker Griff in die Tasche,
ein kurzes Murmeln und es wurde hell um Horaxedus. Eine wundervolle Lichtkugel,
die derart dicht an der Innos geweihten Stadt geradezu ihrer Entdeckung
zu harren schien, zeigte dem Glasmacher die Bäume am Rande der Stadt,
in feuchtes, runzliges Laub gekleidet.
Die schöne Birke dort? Nein, zu weich. Immergrüne Fichte? Klebt
vor Harz. Horaxedus wischte sich unwillkürlich die sauberen Finger
an seiner Robe ab. Nasse, glitschige und viel zu kräftige Bäume
schritt er mit ernster Miene ab. Wo wuchs sie, seine neue Waffe? Der Schwarzmagier
hob den robusten aber hässlichen Übungsstab, den ihm Zavalon
zur Verfügung gestellt hatte, kurz hoch. Nicht schön, wahrlich.
Doch was war das? Augenblicklich bremste Horaxedus seinen Schritt, hielt
kurz inne und begann nur langsam, seinen Augen zu trauen: Eine Buche?
Der wundervolle junge Baum, kaum mehr als mannshoch, stand aufrecht im
Wuchs und lächelte zu dem mürrischen, aber urplötzlich
sehr aufgeregten Magier hinüber: "Nimm mich."
Renata
ilze würde
sie heute Abend wohl keine finden. Wäre Vollmond, vielleicht, aber
so, bei Neumond....?
Der Knüttel, den sie sich neulich als eine Art Waffe gesucht hatte,
war inzwischen einer anderen Verwendung zugeführt: im Moment hielt
er das gebrochene Bein eines Jungkriegers als Schiene in der richtigen
Position. Es wäre gar nicht so falsch, den alten Knüppel durch
einen neuen, vielleicht schöneren, kleidsameren, stärkeren zu
ersetzen.
Doch da, welche Teufelei war das? Nicht nur schien plötzlich der
Mond zur Unzeit in seiner vollen Rundung, nein, er schien auch auch auf
eine perfekt gewachsene Buche. Schlank, gerade, dennoch stark genug, dem
Wanderer als Stab zu dienen; kräftig genug, um jeden und jedem, der
oder das unvorsichtig genug war, in ihre oder Renatas Reichweite zu kommen,
den nötigen Respekt einzubläuen. Dieses helle Leuchten musste
einfach ein Zeichen sein. Diese Buche musste Renata einfach haben...
Horaxedus
in prächtiges
Bäumchen! Horaxedus konnte bereits aus der näheren Entfernung
spüren, wie der junge Stamm in seiner kampfkundigen Hand kreisen
würde. Leicht und fest, das Holz getrocknet und beschlagen, träfe
ein jeder Schlag hart auf der Schulter jedes dankbaren Gegners ein. Der
Magier lächelte versonnen, dann griff er in sein Bündel und
zog nach nur kurzem Wühlen das Kartoffelmesser hervor, dass ihm der
Dämon am vergangenen Abend im Refektorium gereicht hatte.
Horaxedus tat einen letzten Schritt auf die Buche zu und kniete sich hin,
ein Bein auf dem Boden, eines neben dem Baum, um den Stamm mit der scharfen,
aber etwas kurzen Klinge zu bearbeiten. Was jedoch nicht gelang. Das Messer,
das der Schwarzmagier führte, schien offensichtlich lediglich geeignet,
Liebeschwüre oder dergleichen in die zarte Rinde des Delinquenten
zu schnitzen. "Horax und..." hm...
Härtere Geschütze mussten aufgeboten werden. Der Schwarzmagier
bereitete der stolzen Lichtkugel ein jähes Ende, als er die zugehörige
Rune wieder in seiner Tasche verschwinden ließ, um die Rune für
den Schattenflammenzauber in seine Linke zu legen. Der junge Baum würde
abknicken wie ein zarter Hobelspan, sobald der Magier die Lippen bewegte.
Horaxedus hob erhaben grinsend den Arm und zielte mit der geschlossenen
Hand auf die Buche. Die Rune begann zu glühen und warf einen kaum
wahrnehmbaren Schatten auf die Frau neben dem Baum.
Die Frau?!!
Renata
enata
war wie vom Donner gerührt, als das vermeintliche Mondlicht plötzlich
erlosch und sich in eine feurig leuchtende Faust verwandelte, die zu einem
diabolisch grinsenden Mann gehörte. Groß und ganz in Schwarz
gehüllt, die glühende Faust drohend gegen den Himmel oder gegen
sie erhoben, glaubte sie schon, in Bälde Beliar gegenüber zu
stehen.
"Fort mit Dir, Dämon" fauchte sie dieses Wesen an (eine
wirklich sinnvolle und furchteinflössende Aufforderung). Nichtsdestotrotz
zeigte sie Wirkung: Das fiese Grinsen des Manne wich einer gewissen Leere
in seinem Gesichtsausdruck, gefolgt von blassem, sprachlosem Erstaunen:
"<.....>?"
Horaxedus
iel war
es nicht, was Horaxedus durch den Kopf ging. Leere machte sich in der
kalten, feuchten Nachtluft breit, als der Schwarzmagier zu denken versuchte.
Als diese Bemühung nicht fruchtete, wandte der Glasmacher sein Haupt,
zunächst über die linke, dann über die rechte Schulter.
Kein Dämon in Sicht. Weiber.
Hysterie war Horaxedus' Sache nicht, also mühte er sich um Fassung,
der eigenwillig anzuschauenden Frau (seltsame Frisur unter seltsamer Kapuze)
einen durchaus wohlgemeinten Rat zu erteilen: "Hinfort, Weibstück!!"
Dieser Baum war sein Baum. Es war an der Zeit, ihn zu fällen. Gäbe
gewiss nichts als Ärger, wenn er versehentlich eine fremde Magd erlegen
würde. Was wollte die überhaupt hier, ausgerechnet an seinem
Buchenstamm? Und so räusperte sich der Schwarzmagier ein letztes
Mal, während er sich mühte, sich stattlich und verständnisvoll
vor seiner finsteren Gesprächspartnerin zu positionieren. Sie konnte
sicher nichts dafür, dass sie sich hier unschuldig und offensichtlich
nutzlos zur falschen Zeit am falschen Ort befand.
Hauptsache, sie verschwände nun bald und ließ ihn endlich seine
Buche fällen.
Renata
"eibsstück?
Sagtet Ihr Weibsstück? Wer oder was seid Ihr, dass Ihr glaubt, mir
diesen Namen geben zu können? Wegelagerer, der ihr seid, werdet ihr
wahrscheinlich ohnehin die Beine in die Hand nehmen, wenn ich hier und
jetzt nach den Torwächtern rufe. Darum trollt Euch lieber gleich,
ohne viel Umstände" Sie hatte ein paar Schritte vorwärts
gemacht und fuchtelte bei diesen Worten mit dem rechten Zeigefinger vor
der Nase des Fremden herum. Irgendwie stand sie jetzt zwischen diesem
Jungspund und der von ihr begehrten Buche.
Horaxedus
ine unheimliche
Atmosphäre lag über der Szenerie. Die Torwächter wollte
die Fremde rufen! Horaxedus schüttelte es leise. Vor Lachen.
Einstweilen weiteten sich die Pupillen des Schwarzmagiers. Der Zeigefinger
der Fremden war ausgestreckt, als wolle er dem Angesprochenen den rechten
Weg zeigen. Doch das war nicht nötig, und so verzichtete Horaxedus
darauf, sich bei der Fremden zu bedanken. Er trat einen weiteren Schritt
zurück und bewegte sich zugleich etwas seitwärts. Hätte
Horaxedus geleuchtet, hätte der Baum nunmehr einen Schatten auf die
Magd mit der Kapuze geworfen. Da sie offensichtlich nicht gewillt war,
sich endlich auf den Weg in ihr kuscheliges Bett zu machen, bedurfte es
der Zielsicherheit eines geübten Magiers, den überaus schlanken
Baum mit einer einzigen gewaltigen Schattenflamme zu erlegen. Stattdessen
wirkte Horaxedus den Zauber.
Die Buche knickte augenblicklich um. Volltreffer. Der Schwarzmagier freute
sich. Und zwar genau so lange, bis das widerspenstige Weibstück sich
eilig an ihm vorbeischob und fast zärtlich die Hand auf die Rinde
der sterbenden Buche legte.
"Nun wollen wir mal nicht sentimental werden", grinste Horaxedus
frech und zückte sein Kartoffelmesser, um den schmalen, jungen Stamm
von Zweigen zu befreien. |
|
Renata
enata
war baff. Nein, war sie nicht. Baff war nicht der richtige Ausdruck für
Ihr Erstaunen. PAFF traf die Sache schon eher. Aus den Fingerspitzen dieses
merkwürdigen Menschen war gerade ein feuriger Strahl geschossen,
der das hübsche Bäumchen sauber, gerade über dem Boden,
von seinem Wurzelwerk trennte.
Sie hatte unwillkürlich nach dem fallenden Buchenbäumchen gegriffen
und starrte den Unbekannten jetzt an. "Ein Magier! Ihr seid ein Magier!
Was treibt einen Magier - einen Schwarzmagier Eurem Gewand nach - zu dieser
Stunde in den Wald, Bäumchen zu meucheln?"
Der Magus antwortete nicht, versuchte aber offensichtlich, eine Mine aufzusetzen,
die eine Mischung aus sanfter Herablassung und huldvoller Milde war (halbgeschlossene
Lider und eine hochgezogene Augenbraue).
"Wie ist Euer Name und wo kommt Ihr her" fragte Renata weiter.
Horaxedus
"oraxedus"
murmelte der Schwarzmagier wie aus der Armbrust geschossen. Es war dieses
Gefühl, sich nicht widersetzen zu können, das ihn unverzüglich
seinen Namen nennen ließ. Doch damit war der Hörigkeit genüge
getan. Seine Augenbraue verblieb an ihrem angestammten Platz, hoch in
der noch immer halbwegs glatten Stirn, während der Magier sich interessiert
dem durch die übergeschlagene Kapuze verhüllten Gesicht der
Fremden zuwandte. Hier herrschte kein Zweifel, dass der Glasmacher ein
Magier war, und die unbekannte Magd hatte dies sogleich richtig erkannt.
Doch so ganz ohne Kampf und Diskussion die Buche hergeben, das wollte
Horaxedus dann doch nicht. Eifrig schnitzte er die letzten verbliebenen
Zweige vom Stamme der jungen Buche, als ihm die Klinge entglitt und den
Daumen bluten machte. Interessiert starrte die Fremde auf die frische,
blutende Wunde. Das Gefühl der Überlegenheit verringerte sich
mit jedem Tropfen Lebenssaft, den der Magier entbehrte. Ein Gefühl
der Einsamkeit machte sich, trotz der ungebetenen Begleiterin, im Kopf
des Schwarzmagiers breit. Heimweh.
Horaxedus hob den nackten Buchenstamm vom Boden, seine Bewegungen waren
eilig, seine Stimme tief, aber unruhig. Zeit, ins Kastell zurückzukehren.
"Der Baum sei Euer." murmelte der Magier, in tieferem Tonfall
denn je. Und es war beinahe, als sei es Beliar selbst, der aus dem sich
bereits zum Gehen abwendenden Leib seines Dieners den unbekannten Namen
rief:
"Folge mir, Renata."
Renata
ine merkwürdige
Geschichte, fürwahr. Und wurde immer merkwürdiger.
Der Magus war auffallend schnell bereit, seinen Anspruch auf das Bäumchen
abzutreten. Und das, weil er sich in den Daumen geschnitten hatte? Renata
seufzte. Verstehe einer die Männer (im allgemeinen sowieso und Magier
im Besonderen).
"Nun Meister, dann geht´ voran". Sie war gespannt, wohin
diese denkwürdige Begegnung sie noch führen würde....
Horaxedus
ie
Mauern des Kastells waren nun nicht mehr weit, die Wanderung des Schwarzmagiers
über die halbe Insel annähernd beendet. Horaxedus' Herz begann
wieder, zu schlagen. Die tumbe Seelenlosigkeit schien zu Ende gegangen.
Irgendetwas hatte Besitz von seinem Bewusstsein ergriffen. Er war nicht
er selbst gewesen. Doch dieser Zustand schien nun beendet.
Leise näherte sich der Glasmacher der kleinen Wiese vor seiner düsteren
Heimstatt. Ein vertrauter, warmer Schauer überkam ihn. Jeder Tag
fern des Kastells war eine Prüfung, die es zu bestehen galt, doch
eine jede Ankunft war ein innerlicher Grund zum feiern. Wie befreit schritt
Horaxedus auf das Tor zu, losgelöst von einer Last, die er nicht
verstehen konnte. Wer war in ihm gewesen, hatte seine Gedanken und Sprache
gelenkt? Ein letztes Mal, bevor der Magier das geliebte Gemäuer zu
betreten gedachte, wandte er sich um. Doch was war das? Die Magd mit der
Kapuze!! Sie war ihm tatsächlich gefolgt. In ihren Händen hielt
sie den rohen Stamm einer jungen Buche, die sie unter unglaublichen Anstrengungen
von der Stadt bis hierher geschleift haben musste. "Seid ihr wahnsinnig,
Weib? Wieso folgt Ihr mir?"
Renata
ie hatte
es ja geahnt. Einem Zombie gleich hatte der Magier Renata durch den Wald
geführt, schnell mit seinen langen Beinen, ohne sich ein einziges
Mal umzusehen. Es hatte sie viel Mühe und Kraft gekostet, das Bäumchen,
das immer noch große Teile seiner Krone hatte, einem riesigen Reisigbesen
gleich hinter sich her zu ziehen und dabei Schritt zu halten. Laub und
allerlei Unrat hatte sich in dem Geäst verfangen und die Last immer
größer werden lassen. Sie mussten fürwahr eine merkwürdige
Prozession abgegeben haben, wie sie dort selbdritt - der Magus, Renata
und das Bäumchen - den Waldweg fegten.
Als sie das dunkle Kastell erreichten, schien der Bann vom Magier HoraXeduS
abzufallen. Nicht, dass seine Worte sich durch besondere Herzlichkeit
auszeichneten, seine Stimme war es, die hier - im Gegensatz zu ihrem Abmarsch
- einen natürlichen Klang hatte.
"Seltsamer doch hochwerter Magus, Ihr wart es doch, der mich zum
Folgen aufforderte. Denkt ihr wirklich, ich würde Euch aus freien
Stücken nachgelaufen sein?"
Horaxedus
ine Frau
mit einem Baum im Schlepptau. Fürwahr seltsam genug, am Kastell der
Schwarzmagier aufzutauchen. Hier gab es genug von ihrer Sorte. Menschen,
die andernorts für verrückt oder gar gemeingefährlich gehalten
würden: Massenmördermagier, Bäumchenmeuchler und solche
wie Olirie oder Don-Esteban. Aber hatte Horaxedus die fremde wirklich
darum gebeten, hier zu sein? Verlegen blickte der Magier zu Boden und
scharrte, sich Zeit zum Nachdenken zu verschaffen, willkürlich mit
dem rechten Fuß Kreise in den Boden. Wie vergesslich war er geworden?
War es an der Zeit für einen langen, ausgedehnten Schlaf im Kreise
seiner friedlich summenden Fliegen?
Nun, da die Frau ohne Namen schon mal da war, konnte er sie auch auf eine
Mahlzeit einladen. Es war ja nicht nötig, sich mit ihr zu unterhalten.
Sicher war sie eine hartnäckige Persönlichkeit, sonst hätte
sie nicht dieses Bäumchen mit sich herumgetragen. Hauptsache, sie
war nicht aufgelegt, ihm beim Essen mit irgendetwas Unwichtigem in den
Ohren zu liegen. Ihrer Meinung zu irgendetwas, beispielsweise.
"Ihr seht hungrig aus. Legt die Buche dort ab und folgt mir, wenn
Ihr mögt." Horaxedus bemühte sich, mit seinem Körper
die Skelette am Eingangstor zu verdecken, um den Gast nicht unnötig
zu verwirren. Doch als die Pforte knarrend aufschwang, vermochte er natürlich
nur eines von beiden zu verdecken. Renas Blick war prüfend, doch
anders als erwartet, lief sie nicht hysterisch von dannen. Interessiert
folgte sie stattdessen dem Magier in die Eingangshalle des alten Kastells.
Renata
ie hinter
dem Tor liegende Halle war beeindruckend. Renata fragte sich, was es wohl
mit dem Pentagramm auf dem Boden der Halle auf sich haben mochte. Auch
stand dort eine recht....ungewöhnliche Statue aus einem fremd anmutendem
Material. War das Stein?
Sie folgte HoraXeduS, der die Halle schnell diagonal durchquerte. Sie
fühlte sich ein bisschen wie ein Hündchen, das seinem Herrchen
nachläuft. Aber das störte im Moment nicht, es gab in diesen
Mauern viel zu sehen.
Nach der Halle noch ein paar Schritte durch einen Gang mit hohem Gewölbe,
dann bog der Magier rechts durch eine Tür ab. Sie standen in einem
Saal, mit Tischen und Stühlen bestückt. An einigen Tischen aßen
meist in schwarze Roben gekleidete Menschen, Magier.
Horaxedus
in Tisch
in einer der hinteren Ecken war schnell aufgesucht. Wenig erstaunlich,
dass sich um diese Tagesnachtzeit noch weitere Magier hier aufhielten,
ihre von Wissbegierde und Magie geleerten Mägen zu füllen.
"Denkt Euch, was Ihr mögt und es wird Euch aufgetan" murmelte
Horaxedus seiner Begleiterin zu, während er sich mühte, den
wallenden Stoff seiner Robe neben seinem Stuhl zu platzieren, damit er
ihn beim Sitzen nicht zerzause. Die Begleiterin wählte den Platz
gegenüber. Etwas misstrauisch ließ sie sich auf ihrem Stuhl
nieder und blickte sich um, während ein Dämon sich auf den Tisch
der beiden Neuankömmlinge zu bewegte. Was war es, was ihre Aufmerksamkeit
erregt hatte? Offenbar der Magier am Nebentisch. Horaxedus machte sich
die Mühe, sich dem Gesinnungsgenossen, der sie nicht weiter zu beachten
schien, zuzuwenden.
Oh nein. "Schneewittchen!"
Renata
ie Hände
auf dem Rücken ineinander gelegt, so wie zwei Löffel, Höhlung
in Höhlung, Handrücken gegen Handfläche, stand Renata in
der stillen Halle und betrachtete ebenso still die seltsame Dämonen-Statue.
Sie war so...so lebensecht, so unheimlich, dass sich die kleinen Härchen
in Renatas Nacken in einer Gänsehaut aufrichteten. Im flackernden
Licht der Fackeln schien sie sich manchmal sogar zu bewegen.
Die von der Statue fast anklagend erhobene Schale mochte Renata noch weniger
ansehen. Die von jedem Gast erwartete und dort zu hinterlegende Gabe musste
sie bis jetzt schuldig bleiben, da sie die beiden einsam in ihrem Geldbeutel
herumrollenden Goldmünzen als zu armselig empfand. Vielleicht war
es gerade dieses Schuldgefühl, das sie in genau diesem Moment vom
Schlafraum der Gäste fernhielt, obwohl die Nacht schon einige Stunden
alt war.
Jetzt wandte sie sich dem magischen Innenhof zu mit seinem an eine Mainacht
erinnernden und allen Jahreszeiten der Außenwelt trotzenden Klima.
Dem Arkadengang, der sich zunächst nach Westen und dann gen Norden
wandte, folgend, hing sie schlendernd ihren Gedanken nach. In Erinnerung
an Geschehnisse der letzten Tage konnte sie ein ums andere Mal ein Grinsen
nicht unterdrücken.
Bald hatte sie das nordwestliche Ende der Arkade erreicht. Sie drehte
gerade um, zurück zu gehen Richtung Halle, als sie eine kleine zappelnde
Bewegung auf dem Boden wahrnahm. Es war gerade soviel Mondlicht da, dass
sie ein kleines Federbündel als Quelle dieser Bewegung ausmachen
konnte. Ganz, ganz vorsichtig näherten sich ihre Hände diesem
Bündel, das sich als Singvogel entpuppte, und hatten, zu einer Schale
geformt, es bald aufgehoben. So winzig war dieses fedrige Ding, dass leicht
3 von seiner Art dort Platz gefunden hätten.
Aber dieses kleine Wesen litt, litt unsäglich. Das vielleicht noch
vor einer Stunde prächtig bunte Federkleid war struppig und zerzaust,
nicht 2 Federn lagen in gleicher Richtung. Das Schnäbelchen geöffnet,
die Augen weit aufgerissen und starr, der kleine Kopf hin und her nickend,
weil der Hals zu schwach, ihn zu halten. Ein Flügel war gebrochen
und bizarr verdreht, ein Knochen hatte sich durch die Haut nach außen
gebohrt. Nie hatte Renata etwas mitleiderregenderes gesehen.
Schnell ging sie Richtung Halle, den Vogel in der Schale ihrer Hände
tragend, immer schneller, vom Leid der Kreatur getrieben, stolpernd ein
paar Laufschritte machen musste, weiter lief, schneller werdend, bis dass
sie fast schon rennend die Halle betrat. Aber nicht die Heilerin war ihr
Ziel, sie rannte schnurstracks zur Statue. Dort, kurz innehaltend und
außer Atem noch ein- zweimal luftschnappend, ließ sie dieses
winzige Wesen vorsichtig, sanft, ganz zärtlich in die Schale gleiten.
"Möge Beliar sich Deiner kleinen Seele annehmen". Ein Geräusch
wie eine berstende Seifenblase - dann war die Schale leer. |