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Inhalt 12/03

Horaxedus und Renata
gepostet vom 14. bis 25.11.2003
   
Renata

or dem Tempel des Adanos in der Unterstadt hatten sich etwa zwei Dutzend Menschen eingefunden, um dem dortigen Prediger zu lauschen

"....und Adanos sprach zu Innos...."

Ein wenig abseits und von allen ignoriert stand ein fliegender Händler mit einem Bauchladen, der diverse Adanos-Devotionalien feilbot. Er hielt direkt auf Renata zu.

"Ah, ein neues Gesicht in der Stadt. Nun werte Dame, wollt Ihr nicht Euer geneigtes Auge auf mein Angebot werfen, anspruchsvolle Fan-Artikel für jeden Geldbeutel, nur bei mir zu haben, alles was der passionierte Sammler begehrt"

Auf seinem "Ladentisch" hatte er säuberlich seine Auslage platziert:
- Adanos-Talismane (flache Flusskiesel, auf die jemand ungelenk in verschiedenen Farben Adanos geschrieben hatte. Auf das fehlende "A" angesprochen, erwiderte der fliegende Händler, sooo viel Platz würden so kleine Steine ja nicht bieten)
- Adanos-Leckereien (Süßwaren-ähnliche Dinge, tunlichst nicht zum Selbstverzehr sondern als Geschenk für den derzeitigen Lieblingsfeind anzuraten)
- Adanos-Schneekugeln (kleine, bauchige Flaschen, ursprünglich wohl mit einem Heiltrank, jetzt randvoll mit Wasser gefüllt und mit einem Korken verschlossen. Eine kaum daumengroße Adanos-Statue war auf die dem Wasser zugewandte, also nach innen weisende Seite des Korkens geklebt. Schüttelte man die Flasche, wirbelte ebenfalls in der Flasche enthaltener Sand auf und die Statue verschwand in der schlammigen Brühe. Es würde Stunden wenn nicht gar Tage dauern, bis sich alle Partikel wieder gesetzt hatten, das Wasser halbwegs klar und die Statue wieder sichtbar wurde. Allein Beliar mochte wissen, ob es sich um eine Metapher handelte und wenn ja, welche tiefere Symbolik sich dahinter verbarg)
- Adanos-Wetteranzeiger (ein aus Stein geschnittenes Abbild der Gottheit)

"...und Innos sprach zu Adanos..."

Die beiden letztgenannten Artikel weckten Renatas Neugierde "Und wie funktioniert der Wetteranzeiger?" "Ein Triumph der Wissenschaft" sagte der Händler "ein Wunder der Technik: das Prinzip ist so einfach wie genial, bedingt allerdings, dass man sich ins Freie begibt. Wird der Wetteranzeiger nass, regnet oder schneit es. Bleibt der Wetteranzeiger trocken, regnet es nicht, vielleicht scheint sogar die Sonne (Details wären in diesem Fall durch eingehende Betrachtung der Umgebung zu klären: weiße Landschaft = Schnee usw., Du weißt schon...)"

"Siehst Du diese Hand?" Renata hatte die rechte Hand leicht vorgestreckt, Handfläche nach oben "Sie funktioniert genau wie Dein Wetteranzeiger, und das sogar bei Dunkelheit. Und kann noch viel, viel mehr. Zum Beispiel Ohrfeigen an diejenigen verteilen, die versuchen, mich auf den Arm zu nehmen".

Damit ließ sie den Mann stehen.

".....und Adanos sprach zu Beliar...."

Als sie sich nach einigen Schritten noch einmal umwandte, sah sie den fliegenden Händler vollkommen entrückt noch an der gleichen Stelle stehen, seine Handfläche betrachtend. Wahrscheinlich heckte er gerade ein paar neue geniale Geschäftsideen aus.

Horaxedus

enn es etwas gab, was einem Schwarzmagier grundsätzlich behagte, war es die intime Dunkelheit der Nacht. Und so schritt, stolz und aufrecht, der Stabkampfschüler Horaxedus durch die Nacht unweit der Stadt Khorinis, einen angemessenen Stab für seine kampferprobte Zukunft zu finden. Allerdings war ein Fehler im Bild: "Dunkelheit" und "finden", das wollte nicht so recht zusammenpassen und beeinträchtigte die innere Harmonie des Schwarzmagiers enorm. Ein flinker Griff in die Tasche, ein kurzes Murmeln und es wurde hell um Horaxedus. Eine wundervolle Lichtkugel, die derart dicht an der Innos geweihten Stadt geradezu ihrer Entdeckung zu harren schien, zeigte dem Glasmacher die Bäume am Rande der Stadt, in feuchtes, runzliges Laub gekleidet.

Die schöne Birke dort? Nein, zu weich. Immergrüne Fichte? Klebt vor Harz. Horaxedus wischte sich unwillkürlich die sauberen Finger an seiner Robe ab. Nasse, glitschige und viel zu kräftige Bäume schritt er mit ernster Miene ab. Wo wuchs sie, seine neue Waffe? Der Schwarzmagier hob den robusten aber hässlichen Übungsstab, den ihm Zavalon zur Verfügung gestellt hatte, kurz hoch. Nicht schön, wahrlich.

Doch was war das? Augenblicklich bremste Horaxedus seinen Schritt, hielt kurz inne und begann nur langsam, seinen Augen zu trauen: Eine Buche? Der wundervolle junge Baum, kaum mehr als mannshoch, stand aufrecht im Wuchs und lächelte zu dem mürrischen, aber urplötzlich sehr aufgeregten Magier hinüber: "Nimm mich."

Renata

ilze würde sie heute Abend wohl keine finden. Wäre Vollmond, vielleicht, aber so, bei Neumond....?

Der Knüttel, den sie sich neulich als eine Art Waffe gesucht hatte, war inzwischen einer anderen Verwendung zugeführt: im Moment hielt er das gebrochene Bein eines Jungkriegers als Schiene in der richtigen Position. Es wäre gar nicht so falsch, den alten Knüppel durch einen neuen, vielleicht schöneren, kleidsameren, stärkeren zu ersetzen.

Doch da, welche Teufelei war das? Nicht nur schien plötzlich der Mond zur Unzeit in seiner vollen Rundung, nein, er schien auch auch auf eine perfekt gewachsene Buche. Schlank, gerade, dennoch stark genug, dem Wanderer als Stab zu dienen; kräftig genug, um jeden und jedem, der oder das unvorsichtig genug war, in ihre oder Renatas Reichweite zu kommen, den nötigen Respekt einzubläuen. Dieses helle Leuchten musste einfach ein Zeichen sein. Diese Buche musste Renata einfach haben...

Horaxedus

in prächtiges Bäumchen! Horaxedus konnte bereits aus der näheren Entfernung spüren, wie der junge Stamm in seiner kampfkundigen Hand kreisen würde. Leicht und fest, das Holz getrocknet und beschlagen, träfe ein jeder Schlag hart auf der Schulter jedes dankbaren Gegners ein. Der Magier lächelte versonnen, dann griff er in sein Bündel und zog nach nur kurzem Wühlen das Kartoffelmesser hervor, dass ihm der Dämon am vergangenen Abend im Refektorium gereicht hatte.

Horaxedus tat einen letzten Schritt auf die Buche zu und kniete sich hin, ein Bein auf dem Boden, eines neben dem Baum, um den Stamm mit der scharfen, aber etwas kurzen Klinge zu bearbeiten. Was jedoch nicht gelang. Das Messer, das der Schwarzmagier führte, schien offensichtlich lediglich geeignet, Liebeschwüre oder dergleichen in die zarte Rinde des Delinquenten zu schnitzen. "Horax und..." hm...

Härtere Geschütze mussten aufgeboten werden. Der Schwarzmagier bereitete der stolzen Lichtkugel ein jähes Ende, als er die zugehörige Rune wieder in seiner Tasche verschwinden ließ, um die Rune für den Schattenflammenzauber in seine Linke zu legen. Der junge Baum würde abknicken wie ein zarter Hobelspan, sobald der Magier die Lippen bewegte. Horaxedus hob erhaben grinsend den Arm und zielte mit der geschlossenen Hand auf die Buche. Die Rune begann zu glühen und warf einen kaum wahrnehmbaren Schatten auf die Frau neben dem Baum.

Die Frau?!!

Renata

enata war wie vom Donner gerührt, als das vermeintliche Mondlicht plötzlich erlosch und sich in eine feurig leuchtende Faust verwandelte, die zu einem diabolisch grinsenden Mann gehörte. Groß und ganz in Schwarz gehüllt, die glühende Faust drohend gegen den Himmel oder gegen sie erhoben, glaubte sie schon, in Bälde Beliar gegenüber zu stehen.

"Fort mit Dir, Dämon" fauchte sie dieses Wesen an (eine wirklich sinnvolle und furchteinflössende Aufforderung). Nichtsdestotrotz zeigte sie Wirkung: Das fiese Grinsen des Manne wich einer gewissen Leere in seinem Gesichtsausdruck, gefolgt von blassem, sprachlosem Erstaunen:

"<.....>?"

Horaxedus


iel war es nicht, was Horaxedus durch den Kopf ging. Leere machte sich in der kalten, feuchten Nachtluft breit, als der Schwarzmagier zu denken versuchte. Als diese Bemühung nicht fruchtete, wandte der Glasmacher sein Haupt, zunächst über die linke, dann über die rechte Schulter. Kein Dämon in Sicht. Weiber.

Hysterie war Horaxedus' Sache nicht, also mühte er sich um Fassung, der eigenwillig anzuschauenden Frau (seltsame Frisur unter seltsamer Kapuze) einen durchaus wohlgemeinten Rat zu erteilen: "Hinfort, Weibstück!!"

Dieser Baum war sein Baum. Es war an der Zeit, ihn zu fällen. Gäbe gewiss nichts als Ärger, wenn er versehentlich eine fremde Magd erlegen würde. Was wollte die überhaupt hier, ausgerechnet an seinem Buchenstamm? Und so räusperte sich der Schwarzmagier ein letztes Mal, während er sich mühte, sich stattlich und verständnisvoll vor seiner finsteren Gesprächspartnerin zu positionieren. Sie konnte sicher nichts dafür, dass sie sich hier unschuldig und offensichtlich nutzlos zur falschen Zeit am falschen Ort befand.
Hauptsache, sie verschwände nun bald und ließ ihn endlich seine Buche fällen.

Renata


"eibsstück? Sagtet Ihr Weibsstück? Wer oder was seid Ihr, dass Ihr glaubt, mir diesen Namen geben zu können? Wegelagerer, der ihr seid, werdet ihr wahrscheinlich ohnehin die Beine in die Hand nehmen, wenn ich hier und jetzt nach den Torwächtern rufe. Darum trollt Euch lieber gleich, ohne viel Umstände" Sie hatte ein paar Schritte vorwärts gemacht und fuchtelte bei diesen Worten mit dem rechten Zeigefinger vor der Nase des Fremden herum. Irgendwie stand sie jetzt zwischen diesem Jungspund und der von ihr begehrten Buche.

Horaxedus


ine unheimliche Atmosphäre lag über der Szenerie. Die Torwächter wollte die Fremde rufen! Horaxedus schüttelte es leise. Vor Lachen.

Einstweilen weiteten sich die Pupillen des Schwarzmagiers. Der Zeigefinger der Fremden war ausgestreckt, als wolle er dem Angesprochenen den rechten Weg zeigen. Doch das war nicht nötig, und so verzichtete Horaxedus darauf, sich bei der Fremden zu bedanken. Er trat einen weiteren Schritt zurück und bewegte sich zugleich etwas seitwärts. Hätte Horaxedus geleuchtet, hätte der Baum nunmehr einen Schatten auf die Magd mit der Kapuze geworfen. Da sie offensichtlich nicht gewillt war, sich endlich auf den Weg in ihr kuscheliges Bett zu machen, bedurfte es der Zielsicherheit eines geübten Magiers, den überaus schlanken Baum mit einer einzigen gewaltigen Schattenflamme zu erlegen. Stattdessen wirkte Horaxedus den Zauber.

Die Buche knickte augenblicklich um. Volltreffer. Der Schwarzmagier freute sich. Und zwar genau so lange, bis das widerspenstige Weibstück sich eilig an ihm vorbeischob und fast zärtlich die Hand auf die Rinde der sterbenden Buche legte.

"Nun wollen wir mal nicht sentimental werden", grinste Horaxedus frech und zückte sein Kartoffelmesser, um den schmalen, jungen Stamm von Zweigen zu befreien.
  Renata

enata war baff. Nein, war sie nicht. Baff war nicht der richtige Ausdruck für Ihr Erstaunen. PAFF traf die Sache schon eher. Aus den Fingerspitzen dieses merkwürdigen Menschen war gerade ein feuriger Strahl geschossen, der das hübsche Bäumchen sauber, gerade über dem Boden, von seinem Wurzelwerk trennte.

Sie hatte unwillkürlich nach dem fallenden Buchenbäumchen gegriffen und starrte den Unbekannten jetzt an. "Ein Magier! Ihr seid ein Magier! Was treibt einen Magier - einen Schwarzmagier Eurem Gewand nach - zu dieser Stunde in den Wald, Bäumchen zu meucheln?"

Der Magus antwortete nicht, versuchte aber offensichtlich, eine Mine aufzusetzen, die eine Mischung aus sanfter Herablassung und huldvoller Milde war (halbgeschlossene Lider und eine hochgezogene Augenbraue).

"Wie ist Euer Name und wo kommt Ihr her" fragte Renata weiter.

Horaxedus

"oraxedus" murmelte der Schwarzmagier wie aus der Armbrust geschossen. Es war dieses Gefühl, sich nicht widersetzen zu können, das ihn unverzüglich seinen Namen nennen ließ. Doch damit war der Hörigkeit genüge getan. Seine Augenbraue verblieb an ihrem angestammten Platz, hoch in der noch immer halbwegs glatten Stirn, während der Magier sich interessiert dem durch die übergeschlagene Kapuze verhüllten Gesicht der Fremden zuwandte. Hier herrschte kein Zweifel, dass der Glasmacher ein Magier war, und die unbekannte Magd hatte dies sogleich richtig erkannt.

Doch so ganz ohne Kampf und Diskussion die Buche hergeben, das wollte Horaxedus dann doch nicht. Eifrig schnitzte er die letzten verbliebenen Zweige vom Stamme der jungen Buche, als ihm die Klinge entglitt und den Daumen bluten machte. Interessiert starrte die Fremde auf die frische, blutende Wunde. Das Gefühl der Überlegenheit verringerte sich mit jedem Tropfen Lebenssaft, den der Magier entbehrte. Ein Gefühl der Einsamkeit machte sich, trotz der ungebetenen Begleiterin, im Kopf des Schwarzmagiers breit. Heimweh.

Horaxedus hob den nackten Buchenstamm vom Boden, seine Bewegungen waren eilig, seine Stimme tief, aber unruhig. Zeit, ins Kastell zurückzukehren. "Der Baum sei Euer." murmelte der Magier, in tieferem Tonfall denn je. Und es war beinahe, als sei es Beliar selbst, der aus dem sich bereits zum Gehen abwendenden Leib seines Dieners den unbekannten Namen rief:

"Folge mir, Renata."

Renata

ine merkwürdige Geschichte, fürwahr. Und wurde immer merkwürdiger.
Der Magus war auffallend schnell bereit, seinen Anspruch auf das Bäumchen abzutreten. Und das, weil er sich in den Daumen geschnitten hatte? Renata seufzte. Verstehe einer die Männer (im allgemeinen sowieso und Magier im Besonderen).

"Nun Meister, dann geht´ voran". Sie war gespannt, wohin diese denkwürdige Begegnung sie noch führen würde....

Horaxedus

ie Mauern des Kastells waren nun nicht mehr weit, die Wanderung des Schwarzmagiers über die halbe Insel annähernd beendet. Horaxedus' Herz begann wieder, zu schlagen. Die tumbe Seelenlosigkeit schien zu Ende gegangen. Irgendetwas hatte Besitz von seinem Bewusstsein ergriffen. Er war nicht er selbst gewesen. Doch dieser Zustand schien nun beendet.

Leise näherte sich der Glasmacher der kleinen Wiese vor seiner düsteren Heimstatt. Ein vertrauter, warmer Schauer überkam ihn. Jeder Tag fern des Kastells war eine Prüfung, die es zu bestehen galt, doch eine jede Ankunft war ein innerlicher Grund zum feiern. Wie befreit schritt Horaxedus auf das Tor zu, losgelöst von einer Last, die er nicht verstehen konnte. Wer war in ihm gewesen, hatte seine Gedanken und Sprache gelenkt? Ein letztes Mal, bevor der Magier das geliebte Gemäuer zu betreten gedachte, wandte er sich um. Doch was war das? Die Magd mit der Kapuze!! Sie war ihm tatsächlich gefolgt. In ihren Händen hielt sie den rohen Stamm einer jungen Buche, die sie unter unglaublichen Anstrengungen von der Stadt bis hierher geschleift haben musste. "Seid ihr wahnsinnig, Weib? Wieso folgt Ihr mir?"

Renata

ie hatte es ja geahnt. Einem Zombie gleich hatte der Magier Renata durch den Wald geführt, schnell mit seinen langen Beinen, ohne sich ein einziges Mal umzusehen. Es hatte sie viel Mühe und Kraft gekostet, das Bäumchen, das immer noch große Teile seiner Krone hatte, einem riesigen Reisigbesen gleich hinter sich her zu ziehen und dabei Schritt zu halten. Laub und allerlei Unrat hatte sich in dem Geäst verfangen und die Last immer größer werden lassen. Sie mussten fürwahr eine merkwürdige Prozession abgegeben haben, wie sie dort selbdritt - der Magus, Renata und das Bäumchen - den Waldweg fegten.

Als sie das dunkle Kastell erreichten, schien der Bann vom Magier HoraXeduS abzufallen. Nicht, dass seine Worte sich durch besondere Herzlichkeit auszeichneten, seine Stimme war es, die hier - im Gegensatz zu ihrem Abmarsch - einen natürlichen Klang hatte.

"Seltsamer doch hochwerter Magus, Ihr wart es doch, der mich zum Folgen aufforderte. Denkt ihr wirklich, ich würde Euch aus freien Stücken nachgelaufen sein?"

Horaxedus


ine Frau mit einem Baum im Schlepptau. Fürwahr seltsam genug, am Kastell der Schwarzmagier aufzutauchen. Hier gab es genug von ihrer Sorte. Menschen, die andernorts für verrückt oder gar gemeingefährlich gehalten würden: Massenmördermagier, Bäumchenmeuchler und solche wie Olirie oder Don-Esteban. Aber hatte Horaxedus die fremde wirklich darum gebeten, hier zu sein? Verlegen blickte der Magier zu Boden und scharrte, sich Zeit zum Nachdenken zu verschaffen, willkürlich mit dem rechten Fuß Kreise in den Boden. Wie vergesslich war er geworden? War es an der Zeit für einen langen, ausgedehnten Schlaf im Kreise seiner friedlich summenden Fliegen?

Nun, da die Frau ohne Namen schon mal da war, konnte er sie auch auf eine Mahlzeit einladen. Es war ja nicht nötig, sich mit ihr zu unterhalten. Sicher war sie eine hartnäckige Persönlichkeit, sonst hätte sie nicht dieses Bäumchen mit sich herumgetragen. Hauptsache, sie war nicht aufgelegt, ihm beim Essen mit irgendetwas Unwichtigem in den Ohren zu liegen. Ihrer Meinung zu irgendetwas, beispielsweise.

"Ihr seht hungrig aus. Legt die Buche dort ab und folgt mir, wenn Ihr mögt." Horaxedus bemühte sich, mit seinem Körper die Skelette am Eingangstor zu verdecken, um den Gast nicht unnötig zu verwirren. Doch als die Pforte knarrend aufschwang, vermochte er natürlich nur eines von beiden zu verdecken. Renas Blick war prüfend, doch anders als erwartet, lief sie nicht hysterisch von dannen. Interessiert folgte sie stattdessen dem Magier in die Eingangshalle des alten Kastells.

Renata


ie hinter dem Tor liegende Halle war beeindruckend. Renata fragte sich, was es wohl mit dem Pentagramm auf dem Boden der Halle auf sich haben mochte. Auch stand dort eine recht....ungewöhnliche Statue aus einem fremd anmutendem Material. War das Stein?

Sie folgte HoraXeduS, der die Halle schnell diagonal durchquerte. Sie fühlte sich ein bisschen wie ein Hündchen, das seinem Herrchen nachläuft. Aber das störte im Moment nicht, es gab in diesen Mauern viel zu sehen.

Nach der Halle noch ein paar Schritte durch einen Gang mit hohem Gewölbe, dann bog der Magier rechts durch eine Tür ab. Sie standen in einem Saal, mit Tischen und Stühlen bestückt. An einigen Tischen aßen meist in schwarze Roben gekleidete Menschen, Magier.

Horaxedus

in Tisch in einer der hinteren Ecken war schnell aufgesucht. Wenig erstaunlich, dass sich um diese Tagesnachtzeit noch weitere Magier hier aufhielten, ihre von Wissbegierde und Magie geleerten Mägen zu füllen.

"Denkt Euch, was Ihr mögt und es wird Euch aufgetan" murmelte Horaxedus seiner Begleiterin zu, während er sich mühte, den wallenden Stoff seiner Robe neben seinem Stuhl zu platzieren, damit er ihn beim Sitzen nicht zerzause. Die Begleiterin wählte den Platz gegenüber. Etwas misstrauisch ließ sie sich auf ihrem Stuhl nieder und blickte sich um, während ein Dämon sich auf den Tisch der beiden Neuankömmlinge zu bewegte. Was war es, was ihre Aufmerksamkeit erregt hatte? Offenbar der Magier am Nebentisch. Horaxedus machte sich die Mühe, sich dem Gesinnungsgenossen, der sie nicht weiter zu beachten schien, zuzuwenden.

Oh nein. "Schneewittchen!"

Renata

ie Hände auf dem Rücken ineinander gelegt, so wie zwei Löffel, Höhlung in Höhlung, Handrücken gegen Handfläche, stand Renata in der stillen Halle und betrachtete ebenso still die seltsame Dämonen-Statue. Sie war so...so lebensecht, so unheimlich, dass sich die kleinen Härchen in Renatas Nacken in einer Gänsehaut aufrichteten. Im flackernden Licht der Fackeln schien sie sich manchmal sogar zu bewegen.

Die von der Statue fast anklagend erhobene Schale mochte Renata noch weniger ansehen. Die von jedem Gast erwartete und dort zu hinterlegende Gabe musste sie bis jetzt schuldig bleiben, da sie die beiden einsam in ihrem Geldbeutel herumrollenden Goldmünzen als zu armselig empfand. Vielleicht war es gerade dieses Schuldgefühl, das sie in genau diesem Moment vom Schlafraum der Gäste fernhielt, obwohl die Nacht schon einige Stunden alt war.

Jetzt wandte sie sich dem magischen Innenhof zu mit seinem an eine Mainacht erinnernden und allen Jahreszeiten der Außenwelt trotzenden Klima. Dem Arkadengang, der sich zunächst nach Westen und dann gen Norden wandte, folgend, hing sie schlendernd ihren Gedanken nach. In Erinnerung an Geschehnisse der letzten Tage konnte sie ein ums andere Mal ein Grinsen nicht unterdrücken.

Bald hatte sie das nordwestliche Ende der Arkade erreicht. Sie drehte gerade um, zurück zu gehen Richtung Halle, als sie eine kleine zappelnde Bewegung auf dem Boden wahrnahm. Es war gerade soviel Mondlicht da, dass sie ein kleines Federbündel als Quelle dieser Bewegung ausmachen konnte. Ganz, ganz vorsichtig näherten sich ihre Hände diesem Bündel, das sich als Singvogel entpuppte, und hatten, zu einer Schale geformt, es bald aufgehoben. So winzig war dieses fedrige Ding, dass leicht 3 von seiner Art dort Platz gefunden hätten.

Aber dieses kleine Wesen litt, litt unsäglich. Das vielleicht noch vor einer Stunde prächtig bunte Federkleid war struppig und zerzaust, nicht 2 Federn lagen in gleicher Richtung. Das Schnäbelchen geöffnet, die Augen weit aufgerissen und starr, der kleine Kopf hin und her nickend, weil der Hals zu schwach, ihn zu halten. Ein Flügel war gebrochen und bizarr verdreht, ein Knochen hatte sich durch die Haut nach außen gebohrt. Nie hatte Renata etwas mitleiderregenderes gesehen.

Schnell ging sie Richtung Halle, den Vogel in der Schale ihrer Hände tragend, immer schneller, vom Leid der Kreatur getrieben, stolpernd ein paar Laufschritte machen musste, weiter lief, schneller werdend, bis dass sie fast schon rennend die Halle betrat. Aber nicht die Heilerin war ihr Ziel, sie rannte schnurstracks zur Statue. Dort, kurz innehaltend und außer Atem noch ein- zweimal luftschnappend, ließ sie dieses winzige Wesen vorsichtig, sanft, ganz zärtlich in die Schale gleiten. "Möge Beliar sich Deiner kleinen Seele annehmen". Ein Geräusch wie eine berstende Seifenblase - dann war die Schale leer.