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Inhalt 04/03

Frost entdeckt die Magie der Klingen
gepostet am 21.03.2003
  Superluemmel

ein Weg hatte den Krieger tief in die Wälder geführt.
Er wusste selbst nicht genau, was ihn ausgerechnet in diese Region zog. Vielleicht war es die Abgeschiedenheit. Die Stille der unberührten Natur, die Ruhe vor dem Rest der Welt.
Dünne Lichtbahnen stachen zwischen dem mit Nadeln bewehrten Geäst der Bäume hindurch, tauchten die Umgebung in ein sanftes Licht.
Genüsslich sog Frost die frische Luft in seine Lungen.
Der Tag war noch jung. Leise zirpten versteckt Vögel im Unterholz, ab und zu raschelte es wenn einer der Waldbewohner mit schnellem Flügelschlag seinen Platz verließ. Diese dichten Wälder waren etwas, was den Waffenmeister am Süden faszinierte. Dunkelheit war ein ewiger Gast unter den ausladenden Baumkronen, still wie ein Heiligtum lagen die Fluren des Waldes vor ihm.
"Schön, dass du es endlich geschafft hast."
Die Ruhe wurde urplötzlich von einer heiseren Fistelstimme gestört. Instinktiv fuhr Frost herum, seine Hand fiel auf den Schwertgriff.
Erstaunt hob sich seine Augenbraue, als er eine Gestalt erkannte, die im Schneidersitz auf einem breiten Felsen saß. Ein langer, eisenbeschlagener Stab lag quer über seinen Knien.
"Sollte ich euch kennen?", fragte Frost mit unverhohlenem Mißtrauen.
Der Mann kicherte.
"Nein, Frost. Zumindest noch nicht."
Die Schatten im Gesicht des Kriegers verdichteten sich.
"Woher kennt ihr meinen Namen? Ich kann mich nicht erinnern, euch schon einmal begegnet zu sein. Oder eilt mir mein Ruf voraus?"
Frosts Mundwinkel zuckten. Eisig musterte er die knochige Gestalt. Der Fremde stand langsam auf. Dabei schien er sich schwer auf seinen Stab zu stützen. Ein langer, grauer Bart spaltete sich von seiner Oberlippe und hing bis zu dem Kragen seiner schlichten Robe. Der Kopf des Alten war kahl, nur ein strähniger Haarkranz zeugte davon, dass er überhaupt einmal Haare besessen hatte.
Den krassen Kontrast zu seinem sonstigen Auftreten stellten die Augen dar. So zerbrechlich der Greis aussehen mochte, seine dunklen Pupillen erstrahlten mit unheimlicher, jugendlicher Kraft.
"Das Volk schwätzt viel, nicht wahr?"
Was sollte das? Das waren seine eigenen Worte!
Langsam wurde Frost diese Angelegenheit etwas zu bunt.
"Mach dir nicht zu viele Gedanken", lächelte der Greis sanft.
"Falls es dich beruhigt, wir sind uns noch nicht begegnet. Und dennoch habe ich dich schon seit einiger Zeit beobachtet."
"Wie kommt es dann, dass ich euch nie bemerkt habe? Seid ihr ein Magier?"
Das Ganze schmeckte dem Krieger überhaupt nicht. Allein schon der Gedanke, die ganze Zeit über beobachtet worden zu sein.
"Die Grenzen zwischen Realität und Illusion sind manchmal verschwindend gering", sprach der Alte und begann langsam um Frost herumzuwandern, die linke Hand hinter dem Rücken, die andere am Stab, den er wie einen Wanderstock benutzte.
"Augen lassen sich täuschen..."
Abermals Worte, die über seine eigenen Lippen gekommen waren....
"...genau wie Menschen. Realität oder Illusion", der Greis stampfte mit dem Stab auf, "Wer weiß das schon? Tatsache ist, dass es Dinge gibt, die vom Menschen weder erfasst noch verstanden werden können."
Frosts Blick folgte jeder seiner Bewegungen. Der Alte kam näher, bis sich sein faltiges Gesicht knapp unter Frosts eigenem befand.
"Vielleicht bin ich ja selbst eines dieser Dinge?"
Er kicherte sein Altmännerkichern. Ruckartig drehte er sich herum und setzte seine Runde fort.
"Es würde keinen Unterschied machen. Wichtig ist, dass wir uns getroffen haben."
...
  Der Eisbrecher schoss in einer schillernden Bahn aus gebrochenem Licht auf die ungeschützte Seite des Alten zu.
Nur noch wenige Fingerbreit trennten die schimmernde Klinge von der zerbrechlichen Gestalt.
Plötzlich schoss ein stechender Schmerz seinen Arm hinauf, krachend wurde ihm die Waffe aus der Hand geprellt.
Bevor er wusste was passiert war, traf ihn der Stabschaft knapp unter dem Kinn am Hals und schmetterte ihn zu Boden.
Grelle Lichter explodierten vor Frosts Augen, hart krachte er auf den Waldboden und blieb liegen. Es dauerte einige Sekunden, bis er überhaupt wieder klar denken konnte.
Pochender Schmerz dröhnte in seinem Schädel, irgendein sadistischer Schmied bildete sich wohl ein, ausgerechnet jetzt mit dem Hämmern anfangen zu müssen.
Frosts Wirbel knackten hörbar, als er sich endlich vom Boden hochstemmte. Benommen schüttelte er den Kopf.
"Hast du genug?", fragte der Greis.

...

Allmählich klärte sich Frosts Sichtfeld.
Die blitzenden Leuchtpunkte verschwanden, die Welt stoppte ihren rasenden Tanz. Etwas warmes lief an seinem Kinn herunter, vorsichtig betastete der Krieger seinen schmerzenden Hals.
Stöhnend drückte er sich vollends vom Boden weg, kam wankend auf die Beine. Wer auch immer der Alte war, er hatte einen gewaltigen Schlag drauf. Es grenzte schon fast an ein Wunder, dass der Schalg ihm nicht das Genick gebrochen hatte.
Mit einem Kopfschütteln versuchte Frost, die Kopfschmerzen zu verbannen, seine Linke fuhr über sein Kinn um das Blut wegzuwischen.
Nachdem er einige Sekunden lang das rote Blut auf seinem Handrücken betrachtet hatte, hob er leicht den Kopf um den Greis zu fixieren.
Der alte Mann stand einige Schritt entfernt, den Stab locker in der Armbeuge. In seinen Augen stand... Besorgnis?
"Wer seid ihr, alter Mann?"
Der Greis schüttelte nur den Kopf.
"Du hast es immer noch nicht verstanden. Namen sind nichts als Schall und Rauch. Willst du den Kampf fortsetzen?"
"Darauf könnt ihr euch verlassen", knurrte der Waffenmeister.
"Dann verteidige dich."
Und damit sprang der Alte auf Frost zu.
Gerade noch rechtzeitig rollte sich der Krieger unter dem ersten Schlag hindurch, kam in einer blitzartigen Rotation hoch und trat nach den Beinen des Greises. Dieser sprang über sein ausgestrecktes Bein hinweg, ließ den Stab nach unten rutschen und wuchtig mit Frosts Scheinbein kollidieren.
Frost biss die Zähne zusammen, streckte plötzlich das zweite Bein aus und klemmte den Stab ein. Ruckartig warf er sich auf dem Boden herum und brachte den Alten ebenfalls zu Fall.
Bevor der Greis sich abfangen konnte, führte Frost die Drehung weiter, entriss somit seinem Gegner die Waffe und schleuderte sie inmitten einer Rückwärtsrolle von sich.
Die Kontrahenten standen im selben Moment wieder auf den Füßen.
Augenblicklich sprangen sie aufeinander zu, klammerten sich im Sprung aneinander. Frost spürte, wie sein Körper nach hinten gerissen wurde, aus einem Reflex heraus packte er den Greis an den Armen.
Das Knie des Alten kam hoch, krachte schmerzhaft in Frosts gepanzerte Magengrube und trieb ihm die Luft aus den Lungen.
Dennoch warf er sich im Flug herum und riss seinen Gegner dabei mit sich. Einen Wimpernschlag später landeten sie abermals auf dem Waldboden. Dabei begrub Frost den Greis halb unter sich, was ihn jedoch nicht daran hinderte, ihm sein Knie ins Gesicht zu rammen.
Stöhnend rollte sich Frost von dem Alten weg, kam strauchelnd auf die Beine und fing sich an einem Baum ab.
 
Das wurde ja immer mysteriöser. Woher nahm diese unscheinbare, runzlige Gestalt dieses Wissen?
"Klärt mich auf", forderte Frost kühl.
"Was ist euer Begehr?"
Der Alte blieb stehen, drehte sich herum und sah Frost unter seinen buschigen Augenbrauen hervor an.
"Zieh dein Schwert."
Frost lachte auf.
"Warum sollte ich das tun? Wollt ihr mit mir kämpfen?"
"Das will ich."
Überrascht runzelte Frost die Stirn.
"Meint ihr das ernst?"
"Ich wäre sonst nicht gekommen."
"Entschuldigt mich, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, gegen euch zu kämpfen...."
"Tu es trotzdem."
Ein Seufzer entfloh Frosts Kehle.
"Versteht mich nicht falsch. Ihr mögt vielleicht ein mächtiger Kämpfer sein. Doch warum sollte ich gegen euch kämpfen? Ihr habt mir nichts getan. Und ich kämpfe nicht zur Freude."
"Auch wenn du es nicht eingestehst, du lässt dich doch von Äußerlichkeiten leiten. Genau wie von deinen Instinkten. Und deshalb wirst du irgendwann untergehen. Zieh dein Schwert."
Widerwillig ließ Frost den Eisbrecher aus der Scheide gleiten.
"Ihr wollt mir also eine Lektion erteilen. Schön, ich tu euch den Gefallen. Ich lasse euch den ersten Schlag. Sagt, wenn ihr bereit seid."
Vorwarnungslos schlug der Greis mit seinem Stab zu.
Reflexartig sprang Frost nach hinten, ließ das Schwert zur Seite kippen und wehrte den Schlag ab.
"Du lässt deinen Körper reagieren. Dein Geist ist nicht voll bei der Sache. Vergiss deinen Körper. Du musst selbst reagieren."
Der Stab rotierte in der Hand de Alten, schwang zusammen mit ihr nach hinten, dann raste er abermals auf Frost zu.
Klirrend prallten die Waffen aufeinander, dumpfer Schmerz fuhr durch Frosts Arme, wurde durch jahrelang antrainierte Instinkte ignoriert.
Kaum hatte Frost sein Schwert wieder in Verteidigungsstellung gebracht, da schnellte das metallbeschlagene Stabende schon wieder auf ihn zu. Er wurde in die Defensive gedrängt.
"Wehr dich. Du bist immer noch nicht ganz da."
Funken stoben auf, als der Waffenmeister erneut parierte. Der Alte reagierte jedoch schneller als seine zerbrechliche Gestalt erahnen ließ. Blitzschnell fasste er seine Waffe etwas tiefer mit der zweite Hand und schlug mit dem anderen Stabende zu.
Frost warf seinen Oberkörper zur Seite und riss die Schulter schützend hoch. Der Stab knallte gegen seine Schulterpanzerung, hinterließ ein prickelndes Kribbeln, das seinen Arm herunterlief.
Bevor die Taubheit seinen Arm völlig lähmte, wechselte Frost das Schwert in die andere Hand.
Langsam wurde es ihm doch zu viel....
Als der Stab ein weiteres Mal nach seinem Gesicht stocherte, duckte sich der Krieger zur Seite weg, brachte das Bein hoch und schlang es um den Schaft der Waffe. Der Alte wollte die Waffe zurückziehen, doch bevor er reagieren konnte, stieß sich Frost vollends vom Boden ab, schwang sich über den Stab hinweg und trat zu.
Sein Stiefel kollidierte mit der Brust des Greises und warf ihn zurück. Frosts Füße setzten wieder auf dem Waldboden auf, der Alte krümmte seinen Rücken durch und verwandelte sein Taumeln in einen eleganten Rückwärtssalto.
Der fallengelassene Stab fand einen Wimpernschlag später festen Halt zwischen seinen knochigen Fingern.
"Ihr spielt nicht fair."
"Ich spiele nach den selben Regeln wie du selbst."
"Wie kommt ihr dann ohne Zauberei wieder an eure Waffe?"
"Sie kam zu mir", kicherte der Alte.
"Los, greif mich an!"
Dieses Mal zögerte Frost nicht mehr. Wenn er es unbedingt wollte....
Die Spitze des Eisbrechers raste nur wenige Haarbreit über dem Boden heran, hob sich in einem gleißenden Bogen und - zerteilte leere Luft.
Einen Augenblick später traf Frost ein harter Stoß in den Rücken, gleich darauf noch einer.
Zwei Schritte brauchte Frost, um sich zu fangen und in einer Seitwärtsrolle zu retten. Als er wieder auf die Beine kam, wirbelte der Alte schon wieder auf ihn zu.
Mehrere harte Schläge wurden zwischen den beiden Kontrahenten ausgetauscht, dennoch gewann der Greis wieder die Oberhand. Bis Frost über einen seiner Schläge mit einem Seitwärtssalto hinwegsetzte und gleichzeitig zuschlug.
  Ein Blitzen in seinem Augenwinkel, instinktiv warf er den Kopf zur Seite.
Keine Sekunde zu früh.
Berstend splitterte die Rinde und das Holz des Baumes, als der verstärkte Kampfstab in kurzen Abständen zweimal gegen den Stamm donnerte.
Holzsplitter flogen umher. Ein flirrender Schemen wirbelte in der Hand des Alten umher, näherte sich auf einem wilden Zick-Zack-Kurs dem Waffenmeister.
Er wusste nicht wie, aber dennoch schaffte es Frost, die Schläge notdürftig mit seinen Unterarmschienen abzublocken.
Trotz der Schmerzen in seinen Armen packte er den Stab, klemmte das eine Ende in seiner Achsel fest und ließ sich gleichzeitig nach hinten fallen.
Der Alte nahm seine Kraft aus der Bewegung. Körperlich war Frost ihm deutlich überlegen.
So packte er den Stab mit aller Kraft, stieß sich vom Boden ab und hebelte den Greis glatt von den Füßen. Dieser ließ die Waffe jedoch rechtzeitig los, segelte über Frost hinweg und landete leichtfüßig nahe einem umgestürzten Baum.
"Du lässt dich immer noch zu sehr von deinen Instinkten leiten. Ich weiß, dass du es besser kannst. Nur sträubst du dich selbst dagegen."
"Das werden wir ja sehen, alter Mann."
Mit einem Hechtsprung war Frost bei dem Eisbrecher, warf den Stab von sich, fing den Schwung mit einer Schulterrolle ab und kam mit der Waffe in der Hand wieder auf die Beine.
Der Alte griff wieder an.
Frost hatte ihn nur für einen Moment aus den Augen gelassen, und schon hielt er wieder den Stab in den Händen. Wie machte er das nur?
Doch dieses Mal überließ Frost seinem Gegner nicht die Initiative. Mit einem gellenden Kampfschrei stürzte er nach vorne und schwang die Klinge mit beiden Händen.
Der Stab des Alten wurde zur Seite geprellt, als die singende Ironiaklinge funkensprühend gegen seine Metallverkleidung prallte. Der Krieger glich den Rückschlag der Parade aus, zwang das Schwert in einem Kreis herum und schlug abermals zu.
Langsam aber sicher trieb er den Greis in die Defensive.
"Kämpfe nicht mit Kraft, kämpfe mit deinem Verstand!", rief der Alte über das Klirren der Waffen hinweg.
Sollte er sich seine Weisheiten sonstwohin stecken. Es wurde Zeit, dem guten Herren seine Grenzen aufzuzeigen....
Plötzlich ging der Eisbrecher ins Leere, traf statt auf den erwarteten Widerstand nur auf leere Luft.
Durch den eigenen Schwung aus dem Gleichgewicht gebracht, stolperte Frost nach vorne.
Ein harter Schlag prellte ihm abermals die Waffe aus der Hand, trieb jegliches Gefühl aus seinem Arm. Kurz darauf trafen ihn mehrere Hiebe in der Seite und dem Rücken, bis ihn ein Treffer in der Kniekehle erneut zu Boden schickte.
"Ich glaube es reicht."
Erschöpft fiel Frost nach vorne, fing sich gerade noch mit den Händen ab. Sein Atem ging stoßweise, ein dünner Blutfaden tropfte von seinem Kinn zu Boden.
Die Knochen in seinem Körper fochten einen erbitterten Kampf aus, wer am meisten schmerzte, mit Mühe kämpfte Frost die aufkommende Übelkeit nieder.
Das konnte nicht wahr sein.
Er hatte bisher nur wenige Male im direkten Zweikampf verloren. Und schon gar nicht gegen einen Mann, der sein Großvater hätte sein können.
Keuchend hob er den Kopf.
"Ich gebe mich geschlagen...."
Die Worte kamen nur stoßweise und widerwillig über seine Lippen. Wie hatte das nur passieren können?
"Mach dir nichts draus, Frost. Du lässt sich zu sehr von deinen Reflexen leiten. Ich weiß, du hast dir antrainiert, deinen Instinkten zu vertrauen. Und doch ist es der falsche Weg. Dein Geist muss stärker sein als dein Körper."
Der Alte sah auf den knieenden Krieger herab.
"Schlimmer noch, du bist nicht eins mit deinem Schwert. Der Eisbrecher ist du, aber du bist nicht der Eisbrecher. Lerne, deinen Waffen zu vertrauen. Sie sind mehr als nur der blanke Stahl."
Auf einmal fühlte Frost das vertraute Gewicht des Eisbrechers an seiner Seite. Verblüfft starrte er auf den lederumwickelten Griff.
"Messe dich mit deinesgleichen und lerne, deine Schwächen auszunutzen um aus ihnen Kraft zu schöpfen. Wenn du bereit bist, treffe mich auf dem Sitz der Götter." S
Mit diesen Worten packte der Alte seinen Stab und wanderte in das Dunkel des Waldes davon.
Zurück blieb nur der erschöpfte und verwirrte Krieger.