Home Abonnement Diskussion Impressum
Inhalt 10/03

Die große Liebe des HoraXeduS
gepostet vom 06. bis 17.10.2003
  Horaxedus

ein Ton drang aus der Werkstatt des Glasmachers.
Immer und immer wieder nur marschierte Horaxedus im Kreis. Herum und wieder herum, rundherum um das, was dereinst seine Übungspuppe gewesen war, die eigentlich sogar einmal Zavalons Übungspuppe gewesen war. Im Grunde war das Ding recht gut erhalten: Der Korpus hatte ein paar Schmarren im ledernen Bezug und ein Arm war bös gesplittert. Ansonsten sah das Trainingsgerät aus wie eh und je: irgendwie fies.
Die Orks hatten der Holzpuppe jedoch noch etwas übler mitgespielt: Den massiven hölzernen Kugelschädel hatten sie ihr abgeschlagen. Noch immer lag das nunmehr ausgefranste Haupt in einer hinteren Ecke des Raumes. Der Magier beugte sich hinunter, um den Kopf aufzuheben, dann drehte er sich zu der Figur. Er konnte sie ohne weiteres erkennen. Offenbar war allein das Obergeschoss, in dem sein Schlafgemach sich befand, der Ort, an dem er sich rückwärts bewegen musste, um sich zu orientieren. Hier unten im Erdgeschoss klappte es prima.
Vorsichtig legte Horaxedus der an sich verhassten Übungsgegnerin den Kopf auf den Hals. Oh, etwas verkehrt. Sorgsam stubste der Schwarzmagier gegen das hölzerne Kinn, um es zu richten. Und -zack- flog der intakte Arm der mehr als nur standhaften Figur ihm so heftig um die Ohren, dass er rückwärts über die Arbeitsfläche gegen die Wand prallte und schliesslich erst auf dem Boden zu liegen kam.
Augenblicklich rappelte der Glasmacher sich auf und stellte sich einen Schritt weit mit verschränkten Armen vor der Trainingspuppe auf. Mit funkelndem Blick musterte er sie von Kopf bis zum Boden, bevor er gehässig dreinschauend einen Plan fasste. "Du willst es also nochmal wissen, ja? Na warte." Dann verliess Horaxedus die Werkstatt, um seinen Lehrer Zavalon zu suchen.

Horaxedus

Als Horaxedus den Innenhof betrat, stand Zavalon bereits entspannt vor der Esche und warf ihm einen besonnenen Blick zu. Irgendetwas stimmte hier nicht. Woher wusste der Priester, dass sein Schüler ihn suchte? Nun, vielleicht lag dies daran, dass der Magier seit geraumer Zeit "Zaaaavalon, Zaaaavalon" rufend durch das Kastell geeilt war. Wie dem auch sei, noch merkwürdiger war der ernste, besonnene Blick des Lehrers. Er führte etwas im Schilde. Etwas, das nichts wirklich gutes verhiess.
Wenn Horaxedus seinen Lehrmeister rief, konnte man bereits erahnen, dass der Grund hierfür irgendwie mit Stabkampf zusammenhing. Die biestige Puppe jedoch, die Zavalon dem befreundeten Schüler dereinst anvertraut hatte, war nur selten der Grund gewesen. "Meister!" Horaxedus verneigte sich vor seinem Lehrer, bevor er fortfuhr: "Die Übungspuppe, die Orks haben sie nicht erledigt, sie schlägt noch immer zurück. Ich hasse sie. Lehrt mich, meinen Hass, all meine Wut gegen die Puppe zu richten, geschmeidig wie ein Wirbelsturm. Ein für allemal möchte ich dem blöden Ding den Garaus machen. Ähm..."
Der Schüler bemerkte, dass Zavalon während seiner Ausführungen eine Augenbraue angehoben hatte. "Ähm, also vielleicht genügt auch ein Denkzettel. Wie auch immer, ich will es meistern. Zeigt mir, wie ich nun ein Meister am Stab werden kann. Und eines noch: Hättet Ihr vielleicht irgendwo noch einen weiteren Übungsstab oder muss ich mir einen basteln?"

Horaxedus

Das Leben hielt eine Menge Überraschungen parat.
Nachdem Zavalon wortlos lächelnd seinen Platz unter der Esche geräumt hatte, um den Innenhof zu verlassen, war der Lehrmeister bereits kurze Zeit später zurückgekehrt. In seinen Händen hielt er einen Kampfstab, den er mit ausgestreckten Armen seinem Schüler reichte. Horaxedus verneigte sich augenblicklich, fest entschlossen, diese Waffe zu schonen und länger als eine Woche in seinem Besitz zu halten. Auf ein Nicken Zavalons hin begab sich Horaxedus kurz in das Kastell, zu seiner Werkstatt, um die Übungspuppe zu packen. Doch vor dem hölzernen Schreckensgebilde hielt der Magier inne. Was sollte sein Lehrer von ihm halten, dass diese Puppe so zerlaust aussah?
Schnell griff Horaxedus zu einem der alten Säcke, die umherlagen und stülpte diesen über den lose auf die Puppe gesteckten Holzkopf. Dann griff er zu einem alten Lappen, den er über den defekten, angesplitterten Arm wickelte. Schliesslich packte Horaxedus den ganzen schweren Sparringspartner und buckelte ihn durch den langen Gang hinaus in den Innenhof, wo Zavalon noch immer geduldig wartete.

Horaxedus

Unter den Augen Zavalons zu trainieren, war eigentlich in Ordnung. Immerhin musste der Lehrer sich ja ein Bild davon verschaffen, was Horaxedus überhaupt noch drauf hatte mit dem Kampfstab, ob er überhaupt noch etwas konnte oder sich vielleicht sogar etwa neues antrainiert hatte.
Leider war es ausgerechnet die störrische Holzpuppe, an der der Schüler sich zu beweisen hatte. Der stumme, widerspenstige Gegner, um dessentwillen der Glasmacher sich überhaupt zu einer weiteren Ausbildung hatte hinreissen lassen. Das seltsame war jedoch: Hier und jetzt, in Zavalons Gegenwart, zeigte die blöde Puppe keinerlei Regung. Was auch immer Horaxedus anstellte, welche noch so empfindliche Holzstelle der Stabkämpfer traf, die hölzerne Gegnerin reagierte nicht.
Der Magier, tunlichst darauf bedacht, der Puppe nicht den losen Kopf von den Schultern zu hauen, vollführte die geschmeidigsten Manöver, die er kannte und noch beherrschte. Vielleicht würde dies seinen Lehrer etwas beeindrucken. Doch was war das? Der junge Schwertkämpfer, der weiter hinten im Hof einige saubere Luftlöcher zu schlagen versucht hatte, rief etwas herüber. Horaxedus hielt inne.
Nicht, dass es ihn gejuckt hätte, dass man ihn einen alten Mann nannte... unrasiert wie er inzwischen wieder umherlief, war dies nichts verwunderliches. Doch den wunderbaren Stabkampf, den der Schwarzmagier hier zelebrierte mit dem Verhauen einer Puppe mittels Gehstock zu vergleichen, war doch wohl der Gipfel! Langsam wandte sich Horaxedus in Richtung des Schwertkämpfers.
Zavalon machte sich kaum die Mühe, auch nur den Kopf zu drehen, dem jungen Magier dort hinten auch nur einen Blick zu widmen... Kein Wunder, wenn ER den Stab führte, wagte es gewiss niemand, darüber zu spotten. Horaxedus stand nun einige Schritte vor dem anderen.
Er kam ihm bekannt vor. Das musste der junge Mann sein, der den Orkangriff in der Isolation der Bibliothek überlebt hatte. "Mein Name ist Horaxedus, junger Freund. Und wenn ich mir das hier so ansehe," sprach er und warf einen verächtlichen Seitenblick auf die Klinge des Schwertkampfschülers, "dann sieht mir das sehr danach aus, als wäre eine untote Fleischwanze gefährlicher als Ihr, mit solch einem glänzenden Spaten in der Hand."
  Langsam begann der Stabkampfmagier zu grinsen. Sicher war shark der Lehrer dieses Burschen. Der war doch auch einer von diesen Stichlingen...

Horaxedus

Dieser Bursche machte Horaxedus Spass: Nicht lange nachdenken und einen dummen Spruch raushauen. So pflegte es der Magier selber zu tun, und er war es gewohnt, dass niemand lachte.
Erst als der Schwertmagier sich stolzen Schrittes entfernt hatte, begann ein leises Lachen im Innenhof des Kastells anzusetzen: Zavalon. Er grinste über das ganze Gesicht und schien sich über die Miene seines Schülers zu amüsieren. Nun denn, dem Jüngling würde Horaxedus eines Tages noch das Fürchten lehren. Ein Magier mit einem Schwert. Pah!
Mit einem schnellen Zucken riss der Stabkämpfer seine Waffe nach oben, flog dabei geradezu auf seinen hölzernen Trainingspartner zu.
Ein Schlag, ein Zug und die Puppe fiel um. Mit Wut kämpfte es sich offensichtlich doch deutlich energischer. Und effektiver: der Kopf der schadhaften Puppe rollte, in seinen lumpigen Jutesack gehüllt, über den Innenhof.
Der Priester blickte etwas erstaunt zu Boden und anschliessend zu seinem Schüler hinüber, der überrascht tat und sich augenblicklich anschickte, dem Holzkopf hinterher zu hechten. Doch kaum hatte er das Haupt seines Gegners aufgehoben, liess er die Holzkugel in ihrer Hülle auch schon wieder zu Boden purzeln.
"Zavalon, Meister! Ich habe endgültig die Nase voll von dieser verfluchten Puppe. Ruiniert haben sie die Orks, doch mein Hass ruhte dabei gewiss ebenfalls auf ihr. Bitte lasst mich etwas anderes tun. Dieser hölzerne Knecht bringt mir nichts als Gelächter. Selbst der junge Magier eben schmunzelte bei meinem Kampf gegen diese Figur. Zavalon störte das nicht. Doch noch schien er unentschlossen, was er seinem Schüler zur Aufgabe machen sollte.

Horaxedus

Nur wenige unter den schwarzen Magiern, die das Kastell Beliars ihre Heimat nannten, brachten das Kunststück fertig, mitten in der Nacht zu schlafen.
Und so war es nicht verwunderlich, dass Horaxedus aus einem tiefen Schlaf in seinem geräumigen Bett erwachte und seine weiche Decke beiseite schlug. Der Schwarzmagier stand auf und erhob sich ruhig von der Matratze, ging zu seinem Waschzuber und erfrischte sich kurz. Dann griff er zu seiner Robe und warf sie über. Nur wenige Augenblicke später hatte er bereits sein Zimmer verlassen.
Der Glasmacher war es hierbei inzwischen längst gewohnt, den Weg zur Treppe ins Erdgeschoss rückwärts zurückzulegen. Auch dieses Geheimnis würde er irgendwann lösen, seine Orientierung wiederherstellen. Doch in dieser Nacht verkam dieses Problem zur Nebensächlichkeit. Horaxedus tappte durch die mit einigen Flammen ausgeleuchtete Eingangshalle, entschied sich ohne eigenen Gedanken für einen der Flügel des Kastells und folgte seinem Gang.
Wenige Schritte später öffnete er eine ihm völlig fremde Tür und beobachtete sich beinahe selbst dabei, wie er mit traumwandlerischer Sicherheit den Spaten ergriff, der zwischen allerhand Kisten an der Wand lehnte, gerade so, als habe er ihn am Vorabend selber erst dort plaziert. Den ihm eigentlich unbekannten Raum verliess der Magier unwillkürlich lächelnd und zog die Tür mit einem leichten Aufwärtsruck hinter sich ins Schloss. Es beunruhigte den Glasmacher nicht sonderlich, dass er diesen Kniff kannte, den er nicht kennen konnte. Und bereits wenige Augenblicke später trat Horaxedus durch das Tor des Kastells nach draussen. Kälte regierte vor dem dunklen Gemäuer.
Die bescheidene Sichel des wachenden Mondes hatte sich klammheimlich, irgendwann im Laufe der vergangenen Nächte, zu einer kessen, vollen Scheibe gemausert und erhellte den Rasen, den Horaxedus immer schon gerne betreten hatte. Gerade so, als gelte es, wie gewohnt eine Stunde Stabkampftraining zu absolvieren, zog der Schwarzmagier seine Schuhe aus und stellte sie sorgsam an die steinerne Wand des Kastells. Dann tat er einige Schritte auf die kleine Wiese und hob den Spaten, um ihn ohne zu zögern tief in den feuchten Boden zu stoßen.

Horaxedus

Als Horaxedus das Loch im Rasen vor dem Kastell zugeschüttet hatte, fühlte er sich schuldig.
Sein schlimmster Feind, wie er glaubte, ruhte nun unter der Erde. Es war still um den Magier. Die Szenerie vor der Heimat der Schwarzmagier wurde nur unzureichend von der Sichel des abnehmenden Mondes erhellt. Und plötzlich meldete sich etwas im Hinterkopf des Glasmachers, was er seit langer Zeit nicht mehr wahrgenommen hatte: Sein Gewissen.
War es richtig, die Übungspuppe bei annähernd lebendigem, hölzernen Leibe hier auf der Trainingswiese zu verscharren? Doch Horaxedus, der überhaupt keine Lust hatte, sich auch nur auf den leisesten Zweifel in seinem Innern einzulassen, ergriff seine Kleidung vom Boden und zog sich auch seine Schuhe wieder an. Dann schüttelte er missmutig dem Kopf, gerade so, als wolle er mit aller Deutlichkeit unterstreichen, dass er eine Kritik an seinem Handeln nicht zulassen würde, und schritt schliesslich durch das sich selber öffnende Tor ins Innere des Kastells.
Ein seltsamer Zeitgenosse stand dort in de Eingangshalle, hinter dem Steinernen... Mann? Was war denn hier los? Was war mit dem Steinernen Dämonen, der den Orkangriff kaum unbeschadet überstanden hatte? Hatte man ihn ausgetauscht? Hatte der Kapuzenträger, der vor ihm verweilte, eine Erklärung dafür? Horaxedus wandte sich dem schattigen Antlitz seines Gegenübers zu: "Freund oder Feind?"

Horaxedus

Der Fremde mit der Kapuze schien auf einen Vortrag aus zu sein.
Was erzählte er von dem Steinernen Dämon, wusste er gar etwas? Irgendwie kam dieser Seltsame dem Schwarzmagier eigenartig bekannt vor. Es kam durchaus vor, dass Horaxedus ein Geischt oder vor allem auch einmal einen Namen vergass.
Doch eines passierte ihm niemals, und darauf war er bereit, seine Zunge zu schwören: Niemals vergass er eine Bewegung. Er kannte diesen Mann. Er hatte ihn kämpfen sehen. Der Kampf gegen die Orks, hier im Kastell war es gewesen.
Der Glasmacher blieb vor dem Fremden stehen, der seinerseits ebenfalls ein Vertrauter des Kastells zu sein schien. Was tat er hier? Wieso schnüffelte er hier herum? Horaxedus beschloss, ihm ein wenig auf den Zahn zu fühlen. Doch fehlten ihm die Mittel. Er hatte kaum etwas bei sich und war zudem über und über mit dem lehmigen Boden bedeckt, der vor dem Kastell in der Erde vorzufinden war.
Doch schliesslcih beugte sich Horaxedus schnippisch vor: "hier, nehmt diesen Spaten, Fremder, als Zeichen meines Respekts."
 
Ein Namenloser
gepostet vom 06. bis 10.10.2003
  The_Nameless

Erschöpft stand Less zwischen den zahlreichen Felsbrocken, welche, ohne irgendeine bemerkbare Ordnung, um ihm herum auf dem einst so lebensfroh grünen Waldboden verstreut lagen.
Fast Lückenlos war die Erde von Staub und großen sowie auch kleinen Steinen bedeckt.
Es glich einem Wunder, dass der am ganzen Körper zitternde Schwarzmagier von dem schier apokalyptischen Beben und seinen nun unübersehbaren Folgen verschont geblieben war, zumindest fast...
Mit einem gequälten Keuchen sackte sein Körper, getroffen von einem abgesplitterten, mit voller Wucht auf ihn zugeflogenen Steinbrocken, kraftlos zusammen.
Das unangenehme Knacken der unter seinem Gewicht zerberstenden Holzäste, die noch immer hier und da aus der dichten Staubschicht herausragten, schallte auf unwirkliche Weise durch die seltsam ungewöhnliche Stille des Waldes.
Mit verschwommenem Blick sah der Diener Beliars noch einmal hilfesuchend um sich, doch er war alleine.
Eine tiefe, undurchdringliche Schwärze ergriff langsam Besitzt von seinen Gedanken, kein Geräusch drang mehr an seine Ohren...
Bewusstlos blieb Less auf dem schmutzigen Waldboden liegen...
Unter dem nervzerreißenden aufätzen aller seiner Knochen kam der junge Mann leicht schwankend auf die Beine. Ein mahnendes Aufstöhnen, verursacht von den unvergleichlichen Schmerzen, welche schonungslos durch seinen schweren Schädel schossen, ließ ihn jedoch sogleich wieder über dem braunen Waldboden zusammenbrechen...
Erst Minuten später fühlte sich der seltsame Fremde wieder stark genug, einen erneuten Versuch zu wagen, die Kontrolle seines eigenen Körpers wieder zu übernehmen.
Mit einem kraftvollen Ruck, soweit man diese stockende Bewegung bei seiner derzeitigen physischen Verfassung als 'kraftvoll' bezeichnen konnte, stieß er sich abermals von der staubigen Moosschicht ab, und kam schließlich, leicht taumelnd, aber dennoch einigermaßen sicher auf seinen zitternden Füßen zum stehen.
Mit leicht verschobenem Blick betrachtete er aufmerksam die komplette Umgebung, in welcher er sich momentan befand.
Mit verstört verzerrtem Gesicht sah er aber sofort wieder auf den dunklen Boden.
"Wo bin ich hier..."
Während seine finsteren Augen langsam an der sonderbaren, pechschwarzen Robe, die seinen ganzen Körper umhüllte, herabglitt, stolperte der junge Mann erneut erschrocken gegen einen der vielen Bäume...
"Und...wer...bin ich..."
Mit unsicher umherschwenkendem Kopf schritt er leicht daherschwankend zwischen den riesigen Bäumen, die ihn zu beiden Seiten umgaben, hindurch, bis er schließlich auf einen langen, trampelpfadmäßigen Weg gelangte.
Kopfschüttend blickte der Fremde noch einmal um sich, versuchte sich verzweifelt zu orientieren...zu erinnern...
Doch es war vergebens...
Eine winzige Träne kullerte langsam an seinen Wangen herab. Der brennende Geschmack reinen Salzes, vermischt mit dem ekelhaften Bitter des eigenen Blutes lag schwer auf seiner Zunge.
Mit wutverzerrtem Gesicht riss sich der Unbekannte hilflos an den dichten, kurzen Haaren. Dunkler Staub rieselte sanft dem Boden entgegen, während sich seine gequälte Stimme schreiend gen Himmel wandte.
"Verdammt! Wer bin ich..."
Schluchzend sank sein Körper auf die Knie, geballte Fäuste schlugen krachend auf den harten Boden, dicke Adern traten an seinen Armen hervor.
"W...w...wer bin ich..."
Von Tränen überströmt blieb der junge Mann, ermüdet von seinen körperlichen und seelischen Schmerzen, einsam und alleine, Umgeben von einer ihm völlig unbekannten Landschaft, verlassen von all seinen Erinnerungen, schluchzend am Wegesrand liegen...

The_Nameless

ur langsam öffneten sich die schweren Augenlider des jungen Mannes. Rote Striemen, letzte Anzeichen der salzigen Reizungen, welche seine verzweifelten Tränen am vergangenen Tage dort zurückgelassen hatten, liefen dünn über sein markantes Gesicht. Das finstere Funkeln seine dunkle Pupillen glänzten sonderbar im schimmernden Silber des Mondes. Seine Hände gegen einen massiven Baumstamm stemmend, erhob sich der Fremde langsam vom weichen Moosboden.
Ein schreckliches Knirschen entfuhr seinem Körper, als er stöhnend seinen Rücken
streckte, und seine versteiften Genickwirbel auf schmerzhafte Weise wieder
einzurenken versuchte.
Mit vorsichtigen Schritten näherte er sich langsam dem großen See, der sich bis zu den Bergklippen am anderen Ufer erstreckte. Winzige Wellen, vom sanften Hauch des Windes immer wieder zu neuem Leben erweckt, wanderten leise plätschernd über das glasklare Wasser, die glitzernde Sichel des Mondes schimmerte leicht verschwommen auf der spiegelnden Oberfläche.
Langsam ließ der große Mann seine rissigen Hände in das kühle Nass gleiten. Die eisige Kälte kroch sofort in seine Knochen, mit zitternden Händen spritze er sich die nassen Tropfen ins Gesicht."Brrr"
Während er sich am ganzen Körper schüttelte, entfernte sich der Erinnerungslose allmählich wieder vom See und trat, aufmerksam um sich blickend, auf den engen Pfad. Nur wenige Fußabdrücke, meist schon von einer dicken Staubschicht überdeckt, waren dort zu erkennen. Nicht verwunderlich, denn auch in den letzten beiden Tagen hatte er nur sehr selten irgendwelche Stimmen vernommen...oder sich
zumindest eingebildet...
Das völlig verschmutzte und zerrissene Ende seiner seltsamen, schwarzen Seidenrobe streifte mit schlurfenden Geräuschen am Boden entlang, als sich der Fremde schließlich aufmachte, diesen gefahrvollen Ort wieder zu verlassen. Schon in der vergangenen Nacht waren zahlreiche, vor Hunger knurrende Tiere neben seinem stillen Lagerplatz umhergeschlichen, und auch wenn sie sich dabei recht friedlich verhalten hatten, sollte man das Glück kein zweites Mal herausfordern...
Unbewusst glitten seine Finger an die sonderbaren Steine, die sauber geordnet an seinem goldverzierten Gürtel angebracht waren. Noch immer konnte er sich nicht an ihren Verwendungszweck erinnern, doch alleine schon die Tatsache, dass seine Hände, bei jedem noch so kleinen Gedanken an eine mögliche Gefahr, wie von selbst zu diesen griffen, war mehr als verwunderlich.
Kopfschüttelnd ging der junge Mann leise den dunklen Weg hinab...es gab noch so vieles, an das er sich nicht erinnern konnte...
Mit erleichtertem Gesichtsausdruck trat der Gedächtnislose aus dem finsteren Schatten der dichten Bäume heraus. Sein Herz schien in Höchstgeschwindigkeiten zu rasen, und noch immer steckte ihm der Schrecken des soeben zurückgelegten Weges in den Knochen. Unheimliche Rufe, schrilles Kreischen und das nie enden wollende Rascheln zwischen den Büschen am Wegesrand hatten ihn seine Schritte schnell beschleunigen lassen.
Doch nun endlich konnte er sich anscheinend in Sicherheit wägen, denn die ersten Lichter, wenn auch ihr Ursprung noch nicht zu erkennen war, leuchteten schon in einiger Entfernung.
"Beliar sei Dank..."
Erschrocken trat der Fremde einen Schritt zurück...Beliar...
Die Verwirrung stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben, 'Wer', oder 'Was' war Beliar...? Wie kam er dazu, ihm zu danken?
Ratlosigkeit lag in den Augen des Mannes, und wenn er sich auch nicht entsinnen konnte, was ihn dazu gebracht hatte, diesen Namen auszusprechen, so sagte ihm dennoch eine innere Stimme, tief aus seiner Seele, dass dies wohl nicht ohne Grund geschehen war...Beliar...
Mit einem zufriedeneren Lächeln auf den Lippen trat er unter dem prächtigen Holzschild, auf welchem in großen Buchstaben 'Zur toten Harpyie" zu lesen war, hindurch, und betrat mit vorsichtigen Schritten den geräumigen Schankraum der Taverne...
  The_Nameless

er Blick des Erinnerungslosen glitt langsam an den zahlreichen Tischen und Stühlen, die, an einigen Stellen mehr, an anderen wiederum weniger gut besetzt den Schankraum füllten, entlang, bis er schließlich an einem noch freien Platz heften blieb. Der kleine Tisch befand sich in der mit Abstand finstersten Ecke des Raumes, und nur eine kurze, schlichte Kerze durchbrach mit ihrer, im ruhigen Windzug daherflackernden Flamme die drückende Finsternis.Schweigend ließ sich der junge Mann auf dem Stuhl nieder, doch das schrille Geräusch des knirschenden Holzes ging im schallenden Lärm der übrigen Gäste völlig unter. Immer wieder streiften kleine Wortfetzen an sein Gehör, sei es nun aus lautstarken Diskussionen um die momentane Situation in der Stadt, welche anscheinend mit einigen schwerwiegenden Problemen zu kämpfen hatte, oder auch nur über die hübsche Tochter eines Bauern, die ein jeder von ihnen zu begehren schien.
Lächelnd schüttelte er seinen Schädel. All dies lag nicht in seinem Interesse, er hatte weitaus wichtigeres zu tun, als sich Gedanken über die Probleme der Bauern zu machen...
Mit einer lockeren Bewegung wank der Junge den stämmigen Wirt freundlich zu sich, welcher daraufhin, grimmig brummend, an den kleinen Tisch trat.
"Was willst du?"
Vorsichtig sah der Erinnerungslose an seiner dunklen Robe herab. Sie war noch
immer an unzähligen Stellen im Fußbereich verschmutzt, und mochte sie einst auch edel und Ehrfurcht erweckend ausgesehen haben, so war nun von ihrem Glanz nicht sehr viel übrig geblieben.
Einzig und alleine die zwei silbernen Sterne, die sorgfältig am Nackenbereich des Gewandes angenäht waren, spiegelten sich mit einem machtvollen Glitzern in den Augen des Tavernenbesitzers wieder.
Mit leisen Worten erhob der Fremde seine Stimme.
"Entschuldigt mein Herr, doch kennt ihr zufällig die Herkunft dieser Robe?"
Etwas verlegen wartete er geduldig auf eine Antwort. Er wollte gar nicht wissen, was nach dieser verständlicherweise mehr als seltsam klingenden Frage in den Gedanken des Wirtes vor sich ging.
Mit einem Grinsen versuchte dieser schließlich, die Frage zu beantworten.
"Haben dir deine Dämonen wohl den Verstand geraubt, wie? Solche Roben tragen nur die Schwarzmagier des alten Kastells, vielleicht solltest du dort einmal nachfragen?"
Mit einem langsamen Nicken bedankte sich der junge Mann bei dem Tavernenbesitzer, und bedeutete diesem, doch noch einen Krug Wein an den Tisch zu bringen.
Dann ließ er sich erschöpft in seinem Stuhl zurückfallen, auch diese neuen Erkenntnisse mussten erst einmal verarbeitet werden. "Magier...was hatte ich mit Magiern zu tun..."
Ratlos blickten seine Augen auf den unruhigen Schein der Kerze, die Worte des Wirtes hatten nur noch mehr Fragen in ihm aufgeworfen...

The_Nameless

it einem leisen Gähnen erwachte der Junge aus seinem tiefen, erholsamen Schlaf.
Die vergangene Nacht war lang gewesen, mit einem großen Krug Wein vor sich auf dem Tisch stehen habend, war er bis zum Morgengrauen schweigend in seiner dunklen Ecke am Ende Schankraumes gesessen, und hatte regungslos die zahlreichen Gäste beobachtet, welche pausenlos in der Taverne ein- und ausgegangen waren, doch irgendwann, erst früh am nächsten Tag, hatte ihn die Müdigkeit letztendlich übermannt. Mit unzähligen von Tausenden unbeantworteten Fragen heimgesuchten Gedanken, war er schließlich in einen tiefen Schlaf gesunken...
Und nun lag er hier, in einem stabilen Holzbett mit recht bequemer Matratze und starrte gedankenlos auf die niedrig gebaute Holzdecke, die immer wieder neue unangenehme Platzangstgefühle in ihm aufrief.
Mit einer schwungvollen Körperbewegung richtete sich der Erinnerungslose auf und starrte aus dem kleinen Fenster, das unauffällig in der hinteren Zimmerwand angebracht war.
Ein erschrockenes Blitzen trat düster in seine Augen...der Tag begann sich schon wieder seinem Ende zuzuneigen. Der finstere Mantel der Nacht schien die blutrote Abendsonne entgültig vom Horizont verdrängen zu wollen, und auch die silbrige Sichel des Mondes stieg langsam zwischen den grauen Wolken auf, die noch immer, wie ein düsterer Schleier am Himmel hingen.
Auch die letzten warmen Strahlen des Herbsttages vergingen schließlich im Dunkel der Dämmerung...lange Schatten drangen still und heimlich in das kleine Gemach des jungen Mannes vor.
Das sanfte Pfeifen des Windes erklang leise, wie Musik in seinen aufmerksamen Ohren.
Ein leichtes Schaudern durchfuhr seinen Körper, als der kühle Hauch an seiner nackten Haut entlangzog.
Zitternd ließ der Fremde die verschmutzte Seidenrobe über seinen schlanken Körper gleiten, welche er, notdürftig mit etwas Wasser abgewaschen, auf dem kleinen Nachttisch neben seinem Bett abgelegt hatte. Sofort spürte er eine wohlige Wärme durch seine Adern fließen, als ob das schimmernde Gewand zu wissen schien, was sein Träger gerade benötige...
Mit einem ungläubigen Grinsen betrat der Junge den geräumigen Gastraum.
Schon wieder waren zahlreiche Tische und Stühle von stark angetrunkenen Männern und Frauen besetzt, die sich sicher über den Sinn des Lebens, oder andere belanglose Dinge unterhielten...
Kopfschüttelnd trat er an die breite Theke und begann, die Ellenbogen locker auf das dunkle Holz gestützt, zu dem wieder einmal schwer beschäftigten Wirt zu sprechen.
"Verhalten sich eure Gäste immer wie die Tiere?"
Mürrisch erhob Sador seinen Schädel und blickte tief in die finsteren Augen seines Gegenüber. Ein nasser, von Schmutz bedeckter Lappen lugte aus seiner prankenähnlichen Hand hervor, das ewige, nervtötende Klirren, der herabtropfenden Wasserperlen schien sein ohnehin schon gereiztes Gemüt noch weiter aufzuheizen.
Seufzend erhob er seine raue Stimme.
"Was willst du von mir?"
Ein leichtes Schmunzeln trat in das Gesicht des Fremden, Freundlichkeit wurde auf diesem Landstück wohl nicht als sehr wichtig eingeschätzt.
Doch das tat momentan nichts zur Sache, er musste in das besagte Kastell der Schwarzmagier gelangen, und dieser Tavernenbesitzer kannte möglicherweise den Weg, der ihm dies ermöglichen würde.
Ein kräftiges Räuspern entfuhr seiner Kehle und verlieh seinen Worten Nachdruck, als sich der Gedächtnislose mit ernstem Blick wieder dem stämmigen Wirt zuwandte.
"Sagt mir...wo...befindet sich das dunkle Kastell?"
Skeptisch ließ Sador seine Augen durch die Taverne schweifen, doch keiner der Umstehenden schien ihr Gespräch zu belauschen. Schließlich wandte er sich wieder an den wartenden Mann, dessen bohrender Blick noch immer starr auf dem seinen ruhte.
"Warum willst du das wissen?"
Sofort, ohne auf weitere Worte des Tavernenbesitzers zu warten, stieß der Junge eine barsche Antwort hervor.
"Das ist nicht wichtig! Wo finde ich das Kastell?"
Erschrocken blickte Sador in seine Augen, sicherlich hatte er mit vielem gerechnet, doch nicht mit einer solch aggressiven Reaktion...
Schließlich begann er dem Fremden, ohne weitere Fragen zu stellen, den Weg zum Kastell der Schwarzmagier zu erklären, in der Hoffnung, dieser unheimliche Kerl würde daraufhin endlich verschwinden...
Mit einem freundlichen Abschiedslächeln trat der junge Mann durch den schmalen Ausgang der Taverne.
Geheimnisvoll schimmernd funkelte der silbrige Glanz des Mondes auf dem finsteren Stoff seiner Robe, als er langsam in die beruhigende Dunkelheit der Nacht eindrang.
Bald würde er seine Antworten bekommen, bald...