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Die Ausbildung von Magiern
gepostet vom 13.09. bis 31.10.2003
  Arctus

twas schien das Licht der Eingangshalle einzusaugen, wie eine Art unsichtbarer Trichter. Inmitten des roten Pentagramms zog es das Helle ruckartig ein, übertrug es auf die magischen Linien, die rot aufleuchteten. Das Zentrum drehte sich, wurde größer und barg die Dunkelheit in sich. In ihrer vollen Schönheit explodierte diese, ließ all das Licht wieder frei, sowie einen kleinen Körper.
Ein Schwarzmagier wie es schien, hatte er ja eine entsprechende Robe an. Für ein paar Sekunden schwebte dieser die Arme in die Lüfte erhoben über dem Pentagramm, dann ließ die Magie von jetzt auf gleich nach und der schwache Körper flog zu Boden. Mit den Knien und Händen konnte Arctus den Sturz abfangen, atmete tief durch. Eine unsichtbare Faust schien sich in seinen Bauch zu drücken und ihm die Luft zu nehmen, während die Welt vor ihm wilde Tänze vollführte. Er schluckte hart, versuchte das Fiepen in seinem Ohr zu verscheuchen.
Wer weiß wie viele Minuten er auf dem kalten Boden um seine Fassung gekämpft hatte, doch es schien nun vorbei zu sein. Krächzend erhob sich der Junge wieder auf seine Füße, klopfte sich mit schwachen Bewegungen den Staub von der Robe. Sein leicht rotes Haar lag ihm im Gesicht, verdeckt die blasse Haut und die blutroten Augen, durch die immer noch etwas blau schimmerte. Er atmete zweimal tief durch, dann schritt er aus der Eingangshalle hinaus .

Arctus

eichter Staub, wie Puder flog im seichten Licht des Raumes umher, ließ den Blick schwimmrig werden. Eine Kerze flackerte wild umher, wurde durch den seichten Windhauch, der unter dem leicht geöffneten Fenster hindurch zog, angeschubst und gerüttelt. Manchmal entzündete sie ein paar Funken vor Zorn, ein andermal schien sie vor Schwäche zu erlöschen.
Auf der anderen Seite des Raumes lag ein Schatten, der alles Sichtbare in sich verschlungen hatte. Nur ein kleiner Schuh lugte hervor, auf ihm noch etwas Stoff, wirkte tot. Der Docht der Kerze kippte leicht zur Seite. Rußiger Gestank trat in den Raum, als die Kerze das Wachs berührte. Sie flackerte auf, mit völlig ungeahnter Kraft, wurde jedoch nach einer Weile von genau dieser Kraft ertränkt. Das Licht war nun weg.
Das leichte Pfeifen des Windes tauchte den Raum in eine unheimliche Aura, die sich tief in Jedermans Mark biss. Es nur einer im Raum. Ganz allein, unwissend, ruhig und er schlief.
Er schlief schon lange, sehr lange. Innere Träume zerrissen ihn, doch von außen schlief er, tief und fest. Das kleine Herz eines Jungen schlug immer noch in ihm und es hatte Angst. Andauernd war Arctus in den letzten Tagen in die Träume der Hölle gefallen, konnte nichts dagegen tun. Was für eine Überraschung?! Eigentlich nicht.
Arctus durchschritt die unterschiedlichsten Stadien der Gefühle, die er hatte erlebt in der Unterwelt, der Welt Beliars. Dem Gott, den er seine Seele anvertraute nach seinem Tod. Dem Gott, der ihm vielleicht ein Fünkchen seiner Macht geben wird; dem Gott, der ihn in diese Träume schickte.
Es war vielleicht eine Art Prüfung, Arctus konnte es nicht einschätzen. Für ihn war es nur Pein und Leid und er war froh über jede Sekunde, in der er nicht diesem Zustand war.
Grade endete sein Traum. Er blickte verwirrt um sich, fragt wo er denn sei?
Es war düster, er konnte nichts sehen, nur fühlen. Diesen kalte Hauch um seinen Nacken, der ihn wieder zurück holen sollte. Panisch riss er sich von dem Sessel, auf dem er halb lag, los, stolperte jedoch gleich über einen kleinen Teppich. Den Sturz konnte er nur knapp mit seinen beiden Händen abfangen, trotzdem raubte der Aufprall ihm die Luft aus den Lunge.
Er kroch zur Wand, tastete sich in irgendeine Richtung, stieß mit der Hüfte gegen einen Knauf. "Ein Türknauf!", sprach er erleichtert, riss ihn herum und zog. Die Tür öffnete sich nicht. Er zog weiter, gerade zu panisch. "Wieso geht es nicht auf?", sprach er flehend, lehnte sich dann kraftlos gegen die Tür. Sie gab nach. Er hätte drücken müssen.
Licht überströmte sein Gesicht, biss sich gerade zu in seine erblassten blauroten Augen. Dem stechenden Schmerz zu entkommen kniff er die Augen zusammen, sah nur durch zwei kleine Schlitze seine Umwelt. Er machte ein, zwei Schritte nach vorne, drehte dann dem Licht seinen Rücken zu und begann seine Augen langsam zu öffnen. Er sah nun, immer noch leicht verschwommen, wo er sich befand. Er war in seinem Zimmer. Jetzt stieg die Erinnerung auch wieder in ihm hoch. Er hatte ein Buch gelesen, in seinem Sessel . bei Kerzenschein. Es war schon tief in der Nacht, wie lange her konnte er nicht sagen. Er war eingeschlafen und nichts. Das war es? Nichts weiter als ein schlechter Traum den er gehabt hatte? Arctus wischte sich fragend den Schweiß von der Stirn, zuckte dann jedoch mit den Schulter und warf die Tür ins Schloss.

Don-Esteban

n einem anderen Raum. In einem anderen Stockwerk. Irgendwo hinter vielen Biegungen und Abzweigungen.
Eine Holztür mit spitzem Bogen, verzierte Eisenbänder dienten als Zierde und gleichzeitig als Türangeln. Hinter dieser Tür befand sich der Raum des Hohepriesters.
Nur das Kratzen einer Feder drang durch das fast schwarze Holz der Tür. Im Raum saß Don-Esteban an einem Tisch und schrieb seine Gedanken nieder, irgendeine magische Erscheinung betreffend. Womöglich schrieb er noch an seinen Beobachtungen, das Schlachtfeld in Gorthar betreffend. Die dort gesehenen Phänomene waren wahrlich ungewöhnlich. Vielleicht ergab die Suche in der Bibliothek mehr.
Entschlossen ließ er die Feder in das fast leere Tintenfass gleiten. Mit einem leisen Pling hieß der Behälter das Schreibinstrument willkommen. Dann wurde der Stuhl zurückgeschoben und mit wenigen Schritten war der Magier an der Tür und im Gang verschwunden.
Er kannte den Weg genau. Die Abzweigungen nahm er sicher und ohne nur einmal zu überlegen. Der goldene Streifen an der Wand begleitete ihn dabei überall hin. Bald war er an der langen, gewundenen Treppe angelangt. Das Laufen fiel ihm nicht mehr schwer. Die Knochenbrüche waren verheilt und die Wunden vernarbt. Man sah kaum noch etwas, wenn man danach suchte.
Die Treppe war schnell genommen. Gleichmäßig folgte eine Stufe auf die vorherige. Stumm standen die Statuen an den Absätzen und schauten ihm, wie allen bisherigen Benutzern zu, wie er den Weg nahm. Leise hallten die Tritte auf dem harten Stein durch die Eingangshalle. Und ohne auf das Geräusch zu achten, durchmaß er sie mit langen Schritten, so dass sich die Robe hinter ihm aufbauschte.
Bei der Statue mit dem Teller, die für die Abgabe der Spenden zuständig war, verharrte er kurz. Die Gesichtszüge, sie kamen ihm irgendwie bekannt vor.
Ein unwirsches Kopfschütteln befreite ihn aus diesen Gedanken und er setzte seinen Weg fort, trotzdem noch in Gedanken an die Statue vertieft. Beinahe wäre er gegen einen Mann in Robe gestoßen, einen anderen Magier. "Vorsicht!" Dann sah er, wen er vor sich hatte. "Arctus?" Eine kurze Pause. "Wie weit bist du mit deinen magischen Studien? Deiner Robe nach zu urteilen, sollte schon ein ganz passabler Magier aus dir geworden sein." Die Augenbrauen des Magiers zogen sich in Erwartung einer adäquaten Antwort zusammen und gaben seinem Gesicht etwas noch ernsteres, falls dies überhaupt möglich war.
  Don-Esteban

"eil du keine Augen im Kopf hast? Oder weil du träumend durch die Flure des Kastells wandelst?"
Skeptisch hatte sich Don-Esteban die Worte des Schwarzmagiers angehört und schob ihn nun ein wenig von sich weg. "Vorlesen soll ich dir also? Nix da! Das Lesen wirst du schön selber übernehmen. Es erhöht die Konzentration. Und genau die brauchst du für das Wirken von Zaubersprüchen."
Er räusperte sich kurz. "Ich habe dir eine Lichtrune mitgebracht. Wir werden heute lieber üben, was du überhaupt für ein magisches Potential hast. Der Innenhof sollte geeignet sein für unser Vorhaben." Er wandte sich um und ging einfach davon aus, dass Arctus ihm folgte. Nebenbei dozierte er noch ein wenig über die Magie im allgemeinen und die Herbeirufung von Licht im besonderen.
"Die Formung einer Kugel aus magischem Licht gehört zum einfachsten, was ein Magier zustandebringen kann. Licht gelingt jedem noch so untalentierten Magier. Deshalb wird auch damit bei der Lehre angefangen. Die Beschwörungen kommen erst in einem späteren Stadium. Je gelehriger du dich jetzt anstellst, desto schneller wirst du andere Wesen beschwören und lenken können." Er bog um eine Ecke und Arctus folgte ihm geflissentlich. "Wenn du eine magische Handlung vollziehen willst, im allgemeinen Sprachgebrauch als "zaubern" bezeichnet, dann musst du deine innere magische Kraft kontrollieren können. Diese Kraft ist in jedem Menschen vorhanden. Bei den meisten ist sie nur sehr schwach, bei Magiern hingegen sehr stark ausgeprägt. Für gewöhnlich spürt man tief in seinem Inneren, dass man für den Weg des Magiers geboren wurde und findet früher oder später zu einem Gott, damit man von dessen Magie lernen kann. Du bist zu den Schwarzmagiern gegangen."
Sie durchschritten das Portal, dass sie aus dem Kastell in den Innenhof führte. Inmitten der freien Fläche erhob sich de uralte Esche, deren Blätter leise im Abendwind rauschten. Bis auf den Lichtschein, der durch vereinzelte Fenster drang, hinter denen Magier und Lehrlinge ihren Tätigkeiten nachgingen, lag der Hof in Dunkelheit. "Fangen wir an. Zuallererst musst du deine magische Kraft spüren und kontrollieren. Danach kannst du ihr die Form deiner Vorstellungen geben. Es reicht also nicht, einfach an Licht zu denken und die Rune zu berühren. So ähnlich funktionieren vielleicht Schriftrollen, bei Runen ist es jedoch anders. Die Rune unterstützt nur die Formung deiner magischen Kraft, damit am Ende das entsteht, was du hervorbringen willst. Und das ist in diesem Fall ein magisches Licht. Es wird am Anfang keine Kugel sein, vielleicht nur ein Funke oder etwas ähnliches. Wichtig ist, dass du die Kontrolle darüber erlangst. Beginne nun."
Sie standen mittlerweile unter den Zweigen der Esche. Der Magier reichte seinem Schüler den Runenstein, der kühl in dessen Hand lag. Denn obwohl er doch eine Weile von Don-Esteban umhergetragen worden war, hatte er nichts von dessen Handwärme aufgenommen. Eines der üblichen Zeichen, an dem man das für Runensteine geeignete Material erkannte.

Arctus

rctus biss sich auf die Unterlippe. Da hatte er den ganzen Tag in diesem Wälzer gelesen und nun sollte er schon das Gelesen umsetzen. Wieder kam ihm das Wort "Unmöglich" in den Sinn.
Don-Esteban hatte den Stein auf den Brunnen gelegt, fordere den Jungen auf, sich grade hinzustellen und die Augen zu schließen und nach innen zu "tasten".
Arctus tat wie ihm befohlen wurde, knickte das eine Bein leicht ein, legte den Kopf etwas nach rechts und schloss die Augen. Das Schwarze umschloss ihn sogleich und er versank in einen leichten schlummrigen Traum, sah Dinge umherfliegen. Nicht nur Dinge! Da war der Don, mit einem Rüssel und mit gleich mal doppelter Körperfülle. Arctus musste laut lachen, riss die Augen wieder auf. "Ich glaube es klappt nicht!", sprach er noch unter seiner Lachattacke.

Don-Esteban

er Hohepriester sah Arctus missbilligend an. "Was gibt es da noch zu lachen? Manche würden sagen, das sei eher traurig. Ich kann nur sagen, es ist normal, wenn es nicht beim ersten Versuch funktioniert. Doch ich muss auch sagen", und dabei hob er den Zeigefinger, "ein Magier sollte nicht daran scheitern, dass ihm Dinge nicht beim ersten Mal gelingen. Wenn du mit dem nötigen Ernst an die Sache gehst, kannst du Dinge bewegen, die kein gewöhnlicher Mensch vollbringen kann. Schau dir all die dumpf vor sich hinlebenden Mensch an, in ihren Hütten, in den Städten, auf Bauernhöfen, wie sie sich abrackern, versuchen, ihr einfaches, nutzloses Leben in den Griff zu bekommen. Kaum einer gibt sich dem Gedanken hin, dass es vielleicht einen Sinn hätte.
Du hingegen hast alle Voraussetzungen, ihm diesen zu geben. Bemühe dich, es wird dir nichts geschenkt werden, doch wenn du erfolgreich bist, wirst du Macht über die Menschen besitzen. Im Moment besitzt du nichts. Du springst durchs Kastell, gehst deinen kleinen nutzlosen Abenteuern nach, deinen Vergnügungen. Wie lange soll das noch so weitergehen?
Lerne, deine Gedanken zu fassen und sie in etwas sinnvolles zu verwandeln und wenn es nur ein magisches Licht ist. Dies ist die größte Befriedigung, die du erleben wirst. Das Gefühl, das Wissen, etwas getan zu haben, aus eigener Kraft, nur durch dich selbst entstanden. Das wird dich antreiben, wenn du es erst einmal kennen gelernt hast. Und nun übe weiter. Die Alternative dazu ist, dir zentnerweise Bücher zum Thema durchzulesen. Ich glaube, das läge dir noch weniger."
Der lange, eindringliche Monolog hatte den Magier doch etwas angestrengt, und so setzte er sich auf die um den Stamm laufende Bank, um sich Arctus' Bemühungen anzusehen.

Arctus

'rgendwie hat er recht. Wenn ich schon mal hier bin kann ich doch auch was tun!'
Arctus nickte dem Don ohne weitere Worte zu. Er straffte sich, atmete noch einmal tief durch und schloss langsam die Augen. Der Schatten seiner Augenlieder kam von oben und unten, engte seine Sicht auf den kleinen Brunnen, in dem er sich spiegelte immer mehr ein. Die Augenlider berührten sich, pressten sich fest aufeinander. Doch der Brunnen war immer noch da.
Verwundert wandte Arctus den Kopf zur Seite, jedoch ohne seine Augen zu öffnen. Der Brunnen wollte nicht weichen, er kam sogar etwas näher.
Zischend sog der Junge die Luft ein, versuchte den kleinen Traum. den er gerade erlebte, weiter zu spinnen. Er beugte sich über den Rand, fasste die kalten porösen Steine der kleinen Reling an und sah tief in den Schacht hinein.
Ihn und das Brunnenwasser trennten vielleicht zwei Herbstblätter. Er spürte die Aura des Wassers. War das noch ein Traum? Auf der anderen Seite erschien ein Gesicht, mit Russ überzogen, der durch Tränen verwischt war. Die Mundwinkel waren tief nach unten gezogen. Er sah Arctus aus tiefen mandelbraunen Augen an. Nur die Wasseroberfläche trennte sie.
Der andere Junge berührte das Wasser mit den Finger. Kleine Wellen kreisten von dem Punkt weg, an dem er es berührt hatte. Erschrocken drehte der auf der anderen Seite sich um. Im Hintergrund war jemand zu sehen. Er kam näher. Plötzlich war er da, streckte die dreckige Hand mit den abgenutzten Fingernägeln nach dem Ohr des Jungen aus, zerrte ihm vom Brunnen weg.
Arctus hörte einen Schrei, dann war er alleine am Brunnen. In ihm regte sich etwas, Hass. Situationen wie diese, die er gerade gesehen hatte, waren ihm so schon unterlaufen. Er spürte wie sein Herz pochte, seine Wangen heiß wurden, seine Muskeln sich spannten. Er spürte, wie Adrenalin seine Venen hinauflief, er sah es, wie es langsam in sein Hirn
kroch, in seine Fingerspitzen, in jeden Winkel seines kleinen kümmerlichen Körpers. Es tat weh, er musste schneller atmen. Das Adrenalin zog etwas anderes in ihm mit hoch, mehr und mehr. Es fühlte sich warm an und schien ihn in die Lüfte zu heben. Arctus öffnete die Augen, sah nach der Lichtrune. Mit einem schnellen Schritt war er beim Brunnen unter der Esche angelangt, fasste nun mit beiden Händen den totgeglaubten Stein an und presste all sein Inneres in ihn. Der Stein begann etwas zu glühen, aber doch nur etwas. Er sog förmlich an ihm, als wäre dieses Gebilde ein Trichter.
Mit einem gewaltigen Ruck überkam ihn alles.
Schnell streckte er seinen Rücken, hob die Arme in die Höhe, sowie die Rune und mit einem Mal explodierte eine gewaltige Ladung Licht vor ihm, erhellte den gesamten Innenhof. Arctus wurde nach hinten geschleudert, landete unsanft mit dem Hinterkopf auf dem Steinboden. Die Sicht vor ihm verschwamm langsam. Aus einem Bild wurden zwei, daraus vier und immer so weiter, bis alles nur noch hell war. Er war unfähig aufzustehen. Von oben herab rieselten die letzten Lichtkügelchen wie Schnee, setzten sich auf der Esche ab. Der ganze Innenhof war in ein kleines Lichtmeer getaucht, doch der kleine Arctus erlebte dies nicht mit.

Don-Esteban

er Magier auf der Bank lächelte zufrieden. Es hatte geklappt. Doch dann sprang er auf, um sich um den auf dem Boden liegenden Arctus zu kümmern. Etwas leblos lag dieser auf der Erde zwischen dem Herbstgras und stöhnte nur leise. Die Explosion war wohl zu viel für ihn gewesen. Musste er auch sofort einen solch riesigen Lichtball beschwören? Das konnte ja nicht gut gehen. Die Rune lag irgendwo einige Schritte entfernt, sie war durch die Explosion weggeschleudert worden. Genau wie Arctus selber. Doch der Lichtball war schlichtweg phänomenal gewesen. Während sonst alle Anfänger mit irgendwelchen kümmerlichen Lichtblitzen anfingen, kaum zu erkennenden winzigen Helligkeitsansammlungen und sich nur mühsam heraufarbeiteten, bis ihre Lichtkugel auch wirklich Lichtkugel genannt werden konnte, war bei Arctus wohl das Gegenteil der Fall. Er musste sich herunterarbeiten, damit ihn seine Zauberei nicht gefährdete.
"Arctus, Junge, komm zu dir." Don-Esteban fühlte den Puls an der Halsschlagader. Er war regelmäßig und deutlich.
Erleichtert atmete der Magier auf und trug den Bewusstlosen zur Bank, auf die er ihn legte. Dann holte er aus einer der zahllosen in der Robe verborgenen Taschen ein kleines Fläschchen heraus, entstöpselte es und schwenkte es vor der Nase seines Lehrlings.
Urplötzlich kam der zu sich, rümpfte die Nase und verzog das Gesicht. "Riechsalz wirkt doch immer wieder", murmelte der Magier zufrieden und ließ das zuvor verstöpselte Fläschchen wieder in den Tiefen seiner Robe verschwinden.
"Deine Vorstellung war phantastisch! Weißt du überhaupt, wie viel magische Energie für diesen riesigen Lichtball notwendig war? Ich glaube fast, wir müssen bei deiner Ausbildung besonders vorsichtig sein, sonst beschwörst du eines Tages irgendetwas, was niemand unter Kontrolle halten kann."
Er lächelte ganz knapp. "Auf jeden Fall kannst du es, hast begriffen, wie es funktioniert. Für weitere Übungen begib dich am besten in einen der magiegedämmten Übungsräume, dort kann nichts passieren." Er zögerte. "Höchstens dir selber, wenn du nicht vorsichtig bist. Die nächste Stufe ist es, deine Kräfte so zu kontrollieren, dass du mit ihnen genau das erreichst, was du möchtest. Das ist jedoch eine reine Übungssache. Jetzt, da du die erste Schwelle überschritten hast, wird es von mal zu mal leichter."
Arctus hatte sich inzwischen aufgerichtet. "Du solltest dich jetzt ausruhen und in den nächsten Tagen deinen ersten Zauber perfektionieren, so dass du ihn unter Kontrolle hast. Die Rune kannst du behalten. Es wird deine erste eigene Rune sein."
Er hob sie auf und ging damit zu Arctus zurück, dem er sie überreichte.

Arctus


it großen Augen sah der noch verwirrte Arctus auf den Stein.
"Der ist ja gar nicht tot!", stellte er fest, wischte sich kurz mit seinem Ärmel den Schweiß von der Stirn und nahm dann die Lichtrune mit zittrigen Händen entgegen. "Danke schön", rutschte es ihm dazu nur heraus. Irgendwie hatte er ziemlichen Respekt vor dem leblosen Stein bekommen.
Noch mal wollte er das nicht erleben, wie ihn das Licht in die Knie zwang. Doch hatte dieses kleine Szenario auch seine gute Seite. Die anfänglichen Zweifel des Jungen gegenüber Licht und deren Nutzfaktor waren mit einem Male erloschen und für immer vergessen. Licht könnte ein starker Verbündeter im Kampf sein und wenn ihn sein Gedächtnis nicht ganz einen Streich spielte, hatte er diesen Spruch schon mal im Kampf benutzt.
Vielleicht war es aber auch nur ein kleiner Tag beziehungsweise Nachttraum. Diese kleinen hinterlistigen Dinger überrumpelten ihn in letzter Zeit immer häufiger.
Zufrieden grinste Arctus den Don an. "Du hattest recht! Ich fühle mich gleich viel besser! Nur..." "Was?", fragte der Don mit solcher Hartnäckigkeit, als wollte er das Nur ungeschehen machen. "Mein Kopf tut unheimlich weh." Arctus tastet vorsichtig seinen Hinterkopf mit Zeige und Mittelfinger ab. Als er eine dicke Stelle erwischte zuckten seine kleinen Finger sofort zurück und ein kleiner Aahh-Laut kam ihm über die Lippen. "Eine Beule.", stellte er fest und hielt damit seinen Meister auf dem laufenden. Noch ein paar Augenblicke plänkelten die beiden mit Worten herum, dann beschloss Arctus, oder besser seine müde Hülle, sich ins Bett zu begeben. "Gute Nacht Don-Esteban. Danke für alles.", verabschiedete er sich. Es war seltsam. Er hatte jegliche Scheu vor diesem Mann verloren. Vielleicht ein Fehler?

Arctus


"ntimagischer Raum also", ging es Arctus durch den Kopf, als er für ihn ziemlich früh am morgen einen warmen Tee im Refektorium zu sich nahm und ein saftiges Brot, beschmiert mit Schafswurst, aß.
Die Beule an seinem Hinterkopf spürte er noch ganz eindeutig; im Spiegel sah er sie sogar. Man konnte fast denken, er sei so schlau, dass sein Hirn noch etwas Extraplatz brauchte, doch das tun eher die weniger Schlauen, weiß ja jeder Schlaue, dass es nicht aufs Äußere sondern auf den Inhalt ankommt.
Etwas stolz war er doch schon auf seine Kriegsverletzung. Während andere mit ihren Narben auf der Brust prahlen, oder mit dem verlorenen Auge, konnte er mit seiner Beule am Hinterkopf angeben. Wer hat schon so was? NIEMAND, das ist das Besondere daran. Arctus grinste. Seine Gedanken verwirrten sich wieder.
Wo hatte er noch mal angefangen? "Richtig, antimagischer Raum.", rief Arctus laut vor sich her, trank schnell den letzten Schluck aus seiner Teetasse und sprang auf. Mit ein paar schnellen Schritten hatte er das Refektorium verlassen, stand nun an auf dem Gang und fragte sich wo der Raum eigentlich sei. Zu seiner Linken ging es zur Eingangshalle, zu seiner Rechten. Ja wo ging es da überhaupt hin?
Arctus kratzte sich fragend am Hinterkopf, fuhr dann aber laut zischend zusammen. Seine Beule, die hatte er ganz vergessen. Darauf achtend, sich nicht auf die eigene Robe zu treten, ging er nach rechts den Gang entlang. Neben ihm reihten sich Türen auf, die er noch niemals geöffnet hatte, weder noch angesehen.
Etwas Neugierde reckte sich in ihm.
Arctus schüttelte den Kopf um von den Gedanken fremde Räume zu erforschen wegzukommen und sich seinem eigentlichem Ziel zuzuwenden. Mit einem Male kam ihm die Idee! Dämonen. Wieso hatte er nicht gleich daran gedacht?
Just in dem Moment, in dem er den Gedanken am Kragen gepackt hatte, flog ein Dämon durch die Wand, sah ihn kurz an und flog dann vor Arctus. Der Junge wusste was zu tun war, mit eiligen Schritten folgte er dem seltsamem Wesen. Der Gang bog ein weiteres Mal nach rechts, dann ging es nur noch grade aus. Eigentlich war doch alles ziemlich eindeutig geordnet.
Sie kamen grade an einer Arctus bekannten Gegend vorbei, die Gästezimmer. Arctus haute sich auf die Stirn, stieß durch die Wucht jedoch mit einem zu tief hängenden Kerzenhalter zusammen, natürlich traf es seine Beule. Tränen des Schmerzen flossen über seine Augen, sammelten sich an den Rändern. Arctus biß sich auf die Lippe, schluckte einmal und setzte dann mit extra vorsichtigen Schritten seinen Weg fort.
Es dauerte nicht mehr lange, da hatten sie das Ende des Ganges erreicht und damit auch den letzten Raum der zu erreichen war.
"Der antimagische Raum", Arctus sprach die Worte mit leiser Faszination aus, war es ein Raum, den er weder kannte, noch was er bewirkte. Doch der Klang der Worte brachte das kleine Jungenherz schon zum vermehrten Schlagen. Er bemerkte gar nicht, wie sich der Dämon neben ihm wieder in seine Heimatebene zurückteleportierte. Vorsichtig näherte sich Arctus dem Türknauf, starrte ihn dann eine ganze Weile lang an ohne etwas zu tun. Einmal tief durchgeatmet griff er nach dem hölzernem Ding, umschloss es mit seiner Hand. Er hielt die Luft an und öffnete dann mit einem Ruck die Tür zum 'antimagischen Raum'.
Es war dunkel. Arctus sah nicht was sich im Raum befand. "Toll", rutschte es ihm dazu nur heraus.
 
Arctus

rctus sah etwas verwirrt auf zu dem angegrauten Mann, der ihn mit seinen Fragen so überrascht bombardierte, dass es ihn die Sprache verschlagen hatte. "Ich ...", er stoppte. Was sollte er sagen? Er hatte eigentlich nichts an magischen Tätigkeiten gemacht, weder noch daran gedacht! Er war zu sehr verstrickt in die andere Welt gewesen und nun, da er hier war holte ihn diese Zeitlücke wieder ein.
Niemand anders wusste, wo er gewesen war, niemand anderes sollte es erfahren. "Nein", er senkte den Kopf etwas beschämt. Es war nicht leicht einen Fehler zuzugeben, "ich habe nichts gemacht. Vielleicht etwas gelesen, doch daran erinnern kann ich mich auch nicht richtig."
Arctus kratzte sich unter seiner Robe nervös an seinem anderen Arm. Was würde ihn nun erwarten? Ein Tracht Prügel? Verbannung in einen lichtleeren Raum? Er wusste es nicht .

Don-Esteban

ie Augenbrauen rückten noch ein wenig enger zusammen. "Du wirkst leicht verwirrt, was ist los mit dir?" Dann fasste er Arctus am Arm uns zerrte ihn mehr, als dass er ihn sanft führte, in Richtung der Bibliothek davon.
"Die Bibliothek ist genau der richtige Ort, um seine Gedanken zu ordnen. In der Stille der Bibliothekshallen, die man fast schon als meditativ bezeichnen kann, wirst du schneller einen klaren Kopf bekommen, als du glaubst." Er stoppte kurz. "Du hast doch nicht etwa etwas getrunken? Hauch mich mal an!"
Ein kurzes Schnuppern. "Nein, ich rieche nichts. Vollkommen nüchtern." Der Magier zog Arctus weiter mit sich fort. "Weißt du, ich glaube, es wird höchste Zeit, dass du dich mit den Geheimnissen der Magie beschäftigst, damit dein Dasein hier einen Sinn erhält. Einfach nur im Kastell herumlaufen ist auf die Dauer kein nützlicher Zeitvertreib. Hilf deinem Herrn. Und das tust du, indem du seine Magie erlernst."
Er blieb kurz stehen. Arctus lief einfach weiter. "Habe ich das nicht schon einmal gesagt? Egal, es ist jedenfalls immer noch wahr." Das Bibliotheksportal tauchte auf und beide durchschritten es. Don-Esteban setzte Arctus auf einen Stuhl und schob sich ebenfalls eine Sitzgelegenheit heran. "Und jetzt erzähl. Was ist los mit dir, warum bist du so verwirrt?"

Arctus


rctus wurde unsanft in den Bibliothekssessel gedrückt, eher geschubst. Er hatte gar keine Chance sich irgendwie zu wehren, so schnell handelte der Don.
Nun versuchte er grade wieder die Situation in der er sich befand einigermaßen überblicken zu können. Doch zu überrumpelt hatte ihn der Don, es gelang ihm nicht. Er sprach einfach die Wahrheit. "Was los ist?", sprach Arctus, mit zittriger Stimme, "nichts. Ich wurde nur verbrannt, bin gestorben, habe ein bisschen mit Beliar in der Unterwelt geplaudert und wurde dann wieder hier hoch geschickt. Ich bin in einem mir fremden Raum aus einem Spiegel getreten und habe mich dann mit einer Schriftrolle wieder hier her teleportiert. Und seitdem bin ich hier."
Arctus sah wieder auf, blickte aus tiefen Augen seinen Lehrmeister an, "manchmal frage ich mich, ob das hier noch alles real ist!" Arctus senkte den Blick wieder, lehnte sich zurück in den Sessel.
"Wie dem auch sei, was muss ich machen?"

Don-Esteban


"eltsamer Fiebertraum." Um nichts anderes konnte es sich handeln.
"Du brauchst dringend Ablenkung von diesen Wahnvorstellungen. Was auch immer in Wahrheit passiert ist, das ist jetzt erst einmal zweitrangig. Beginnen wir lieber mit deiner bislang viel zu sehr vernachlässigten Magieausbildung. Um diese kümmere ich mich persönlich." Und schon war der Magier aufgestanden und eilte durch die Gänge.
"Ich habe da einen Klassiker der Magieliteratur zum Thema magisches Licht", rief er Arctus noch durch die Gänge zu. "Lux et lumen. Das Werk sollte jeder kennen. Du auch. Und ich werde dafür sorgen." Das klang irgendwie grimmig. Dabei handelte es sich doch nur um ein harmloses Buch.
Harmlos? Es gab Bücher, die verspeisten den Leser und waren hinterher um einige Seiten dicker. Fleischfressende Bücher. Und es gab Bücher, die füllten das Gehirn des Lesers mit purer Dummheit. Groschenromane nannte man diese. Niemand in ganz Myrtana wusste, wo dieser Begriff herkam, aber gebildete Leute kannten ihn.
Doch im Moment ging es um einfache Lehrbücher. Diese verschlangen niemanden und raubten auch keine Intelligenz. Alles, was sie forderten, war Zeit. Die Zeit, sich mit ihnen zu befassen.
Bald hatte der Magier gefunden, was er suchte. Nebenbei sammelte er noch einige andere Werke ein, die ihm unterwegs ins Auge sprangen (rein metaphorisch gesehen, natürlich).
"Hier", sagte er mit einem tief zufriedenen Tonfall in der Stimme. "Das sind die meistgelesenen Werke für Leute, die gerne Magier werden wollen. Dein Titel lautet vielleicht Schwarzmagier, aber deine Fähigkeiten beschreibt dies nicht. Damit sich das ändert, beginnen wir jetzt mit deiner Ausbildung."
Ein kleiner Bücherstapel ergoss sich auf den Tisch. Neben "lux et lumen" sah man noch so illustre Werke wie "lux et umbra", "lmago lux", "lux plus lumen" und einen dünnen Band Namens "lumen in capite".
"Licht im Kopf? Was ist das denn?", murmelte der Schwarzmagier zu sich und ließ das Büchlein schnell wieder verschwinden, ehe Arctus darauf aufmerksam werden konnte. "Du liest diese Bücher und morgen treffen wir uns, um das Wissen, das du aufgenommen hast, anzuwenden. Dann werde ich dir zeigen, wie einfach es sein kann, eine Lichtkugel entstehen zu lassen."

Arctus


lühende Augen huschten über die Schriftzeichen des Buches. Ab und zu nahm eine einzelne Haarsträhne Arctus die Sicht und er merkte nicht einmal wie er sie sich wieder hinters Ohr klemmte. Der junge Magus, der gerade dabei war irgend ein Lux Buch über Licht zu lesen, saß auf dem breiten Fensterbrett der Bibliothek, die Beine leicht angewinkelt und das Buch in seinen Schoß gebettet.
Sein Kinn stemmte sich auf seine Faust. Ein leichter Wind wehte durch das offene Fenster, gab ihm die nötige Frische, um nicht vollends in dem Schriftwirrwarr zu versinken. Das Buch war handgeschrieben, an einigen Stellen schwer zu entziffern. Nur widerwillig überlas Arctus mal eine Passage. Er musste es tun. Gestern hatte er schon Bücher für einen ganzen Monat bekommen und er sollte sie alle so schnell wie Möglich lesen. Unmöglich. Arctus versuchte sich zu konzentrieren, doch der Autor dieses Buches schien sich ein Leben lang mit einer Lichtkugel beschäftigt zu haben und genau so ein Leben lang ging dieses Buch. Als ob er jeden Gang auf die Toilette mit hineingeschrieben hätte, so genau erklärte er die Manifestierung eines Lichtballes. Ab und zu knickte Arctus' Kopf zur Seite, stieß unsanft gegen den Fensterrahmen, brachte ihn jedoch wieder zum Wachsein. Arctus gähnte laut. Sein Nacken schmerzte, seine Augen waren so trocken wie seine Kehle. Er konnte einfach nicht mehr. Lesen mochte schön und gut sein, solange es sich um die Eroberung der Welt handelte oder die Erschaffung seiner eigenen Untertanen, aber eine Lichtkugel! Wer bei Beliar braucht schon Licht? Arctus reichte es. Er wollte dieses Luxding nicht mehr sehen. Wieso konnte man nicht gleich mit der Beschwörung von Schleimmonstern oder von Riesenarmeisen anfangen. Die, die man dann nach Möglichkeiten sogar sezieren könnte. Das kann man mit Licht nicht machen. Mit einem Ruck schwang er sich vom Fenster und landete unsicher wieder auf dem Boden. Grade wollte er die Bibliothek verlassen als er gegen jemanden stieß, der gleich mal doppelt so groß war wie er.
Er wanderte mit den Augen die dunkle Robe ab, sah Ansätze von ergrautem Haar, ein spitzes Kinn, dann einen schmalen Mund, der sogar leicht überragt wurde von der Adlernase über ihm. Ganz tief und weit hinten stachen ihn zwei Augen an. Erschrocken versuchte Arctus irgendwelche Ausflüchte zu suchen. Er tat das, was er am besten konnte.
"Ich wollte grade nach euch suchen! Sagt, könnt ihr mir vorlesen? Meine Augen wollen einfach nicht mehr. Der Geist ist willig". Und wie willig er ist; Arctus lachte innerlich, "doch der Rest nicht."
Arctus räusperte sich, hüpfte kurz von dem einen Bein auf das Andere, setzte dann wieder an, "ach und wieso stoßen wir eigentlich immer zusammen?"