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Erzengel
er eisige
Wind Peitsche den beiden Bergsteigern ins Gesicht, Kain wollte sich
schützen, indem sich seine Hand vor den Kopf hielt, doch er konnte
nicht, denn mit beiden Armen hielt er sich am kalten Fels fest, den
sie nun schon seit einigen Stunden zu bezwingen versuchten. Frost der
schon einige Meter über seinem untrainierten Schüler hing,
versuchte immer wieder ihm Ratschläge zu erteilen, doch die wenigstens
erreichten den Novizen überhaupt, der Wind riss die meisten Worte
hinfort.
Erst gegen Sonnenaufgang waren sie auf einem höher gelegenem Felsvorsprung
angekommen, ihr Weg führte sie nun wieder in eine Höhle. Bereits
gestern hatten sie die Schlucht hinter sich gelassen und waren erst
in der Nacht auf einen weitere Klettermöglichkeit getroffen, die
sie nun endlich überwunden hatten.
Wieder wurden die beiden von einem engen Gang empfangen, die in den
schwarzen Stein geschlagenen Runen würde Kain dieses mal jedoch
lieber in Ruhe lassen, dennoch glaubte er, die Rune lesen zu können
und rief den Waffenmeister herbei, welcher nicht mehr zu finden war.
"Frost?", langsam kämpfte sicher der Hohe Novize vor,
bis er an eine Art Wasseroberfläche traf, die senkrecht zu stehen
schien. Kain tastet sie vorsichtig ab und verschwand nun ganz darin.
Superluemmel
ine
gewaltige Halle empfing den Krieger. Schlanke Pfeiler versuchten den
Himmel zu durchbohren, stützten auf ihren ausladenden Kronen die
spitz zulaufenden Bögen der Hallendecke, die sich wie ein riesiger
Schirm über dem Waffenmeister aufspannte.
Fein gearbeitete Gobelins schmückten die hohen Säulen auf
jeder Seite, stellten sowohl geflügelte Dämonen, die mit ihren
Flügeln einen Teil der Decke trugen, wie auch stolze Krieger dar,
die auf ihren Schwertern gestützt den Grundpfeiler darstellten
und mit ernstem Blick über diejenigen wachten, die es wagten, die
Halle zu durchqueren.
Ein Relief unter der Decke erzählte vom Kampf zweier Armeen, die
inmitten einer weiten Ebene mit brutaler Gewalt aufeinander trafen.
Drachen schwangen sich elegant über den von schwarzen Wolken bedeckten
Himmel, entsandten Lanzen aus alles verzehrendem Feuer mitten in die
kämpfenden Massen. Ballisten schleuderten ihre tödliche Fracht
in den Himmel, überschütteten die schwarz geschuppten Bestien
mit einem Regen schlanker Speere.
In Reih und Glied warfen sich Krieger in schimmernden Plattenpanzern
geifernden Bestien entgegen, schlugen mit ihren gleißenden Klingen
Breschen in die dämonischen Panzer ihrer Feinde und wurden ihrerseits
von den mörderischen Klauen der Dämonen zerfetzt. Magier in
weiten, reich mit goldenen Runen bestickten Roben entfesselten mächtige
Zauber, ließen feurige Blumen inmitten der feindlichen Reihen
aufblühen und Blitze zwischen den Höllenkreaturen umhertanzen,
pumpten gebündelte Ströme astraler Energie in die gepanzerten
Leiber ihrer Feinde.
Auf Seiten der Dämonen spuckten unförmige, schleimige Biester
zähen Schleim über die Reihen der Kämpfenden, fingen
ihre Opfer in einem Gespinst fester, grün schillernder Fäden
ein, die sich säureartig durch die Panzerplatten fraßen.
Gewaltige, vielgehörnte Dämonen mit viel zu vielen Armen und
ebenso vielen Klauen ragten Türmen gleich über dem Schlachtfeld
auf, zermalmten tapfere Streiter unter ihren krallenbewehrten Füßen,
peitschten mit ledrigen, fledermausartigen Schwingen die rauchgeschwängerte
Luft.
Der hintere Teil der Halle wurde von einem tischartigen Gebilde eingenommen.
Als Frost näher trat, konnte er erkennen, dass es sich dabei um
eine miniaturisierte Darstellung des Landes Gorthar handelte. Deutlich
war die Hafen- und gleichzeitige Hauptstadt des Reiches zu erkennen,
die sich neben die Mündung des großen Stroms drängte.
Allerdings war sie noch deutlich kleiner. Anstatt der mächtigen
und stolzen Wälle befand sich eine wackelige Palisade, nur wenige
Häuser drückten sich in den Schutz der provisorischen Mauer,
von einem Kriegshafen fehlte jegliche Spur. Verwundert über diesen
Umstand wanderte Frosts Blick zum Gletscher.
Oder vielmehr zu der Stelle, an der er sich hätte befinden sollen.
Doch anstelle der riesigen Eisfläche erstreckte sich ein breites,
in etwa V-förmiges Tal. Und unter dem gewaltigen Plateau des Göttersitzes
eine gigantische Stadt. Wie mit dem Lineal gezogene Straßen liefen
die Hänge hinauf und das Tal hinab, unzählige Hausreihen säumten
weite Alleen, immer wieder konnte er grüne Flächen ausmachen,
die Gartenanlagen inmitten der Masse aus glitzernden Gebäuden darstellten.
Die meisten Häuser verfügten über spitz zulaufende, beinahe
turmähnliche Dächer, die aus purem Kristall gefertigt schienen.
Andere wiederum über Flachdächer mit großen Terrassen,
auf denen die unterschiedlichsten Pflanzen gezüchtet wurden.
Der Detailreichtum des Modells war verblüffend, jedes einzelne
Fenster war zu erkennen, selbst die einzelnen Pflanzenblätter waren
bis aufs kleinste Detail miniaturisiert worden. Unweit der Stadt ragte
inmitten der schroffen Bergrücken der Luzkanzacken ein gewaltiger,
aus weißem Stein gefertigter Turm in den Himmel, wie ein stummer
Wächter der auf die unter ihm liegenden Lande herabblickte.
"Schaut euch das an", sprach Frost zu seinem Schüler,
als er ihn näherkommen hörte, "So muss Gorthar vor unzähligen
Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden ausgesehen haben."
Erzengel
"ut
möglich... aber es könnte eine fiktive Vorstellung der Zukunft
sein, von einem Propheten etwa oder irgendeinem Feuermagier der in den
Flammen glaubte die Zukunft zu sehen... sind eh alle des Wahnsinns..."
Auch Kain trat nun näher heran und fuhr seiner Hand nun über
den weißen Turm, worauf erst dieser und dann das ganze Modell
in einem blauen Licht erstrahlte, welches nach wenigen Sekunden wieder
erlosch, jedoch einen feinen Überzug hinterließ. Während
die eigentlichen Miniaturgebilde stehen blieben, löste sich der
offenbar magische Überzug und schwebte nun einige Zentimeter über
seinem Abbild, es sah genauso aus wie das richtige Modell, nur das es
blau und halb durchsichtig schien. Ein rotes Licht blitze inmitten des
Modells auf und eine ebenso rote Kuppel erschien kurz darauf, in ihrer
Beschaffenheit der magischen Barriere von Khorinis wohl sehr ähnlich,
womöglich war sie eine Vorlage. Nun begann die Zeit schneller zu
laufen, Jahrtausende beschleunigt auf den Bruchteil einer Sekunde. Langsam
nahm das magische Abbild vertraute Gestalt an, zuerst Göttersitz
und dann Gletscher formten sich, die Siedlung um Ufer wuchs, brannte
nieder, wuchs erneut und schon bald stand die erste Stadtmauer. Fasziniert
starrte Kain auf das magische Gebilde, sicher hatte sein Auge einiges
übersehen, selbst ob der Göttersitz durch natürliche
Ablagerung von Gestein oder ganz plötzlich entstand blieb im Verborgenen.
"Meint ihr, das kriegen wir auch ein wenig langsamer hin?"
Doch bevor der Waffenmeister überhaupt zur Antwort ansetzten konnte,
wobei ja nicht gesagt war, das er wollte, zerfiel das Abbild in tausend
winzige Funken.
Superluemmel
"ch
hoffe es", antwortete der Krieger nach einigen Sekunden des Schweigens.
Mit einer spielerischen Handbewegung fing er einen der umherstreunenden
Funken auf. Selbst durch das schwarze Wurmleder seiner Handschuhe konnte
er die von dem Lichtpünktchen ausgehende Wärme spüren.
Es war nicht der von normalem Feuer gewohnte Hitzemantel, der den Funken
umgab, sondern eher eine unsichtbare Aura wohliger Wärme, die jeglichen
Widerstand problemlos durchdrang und den Schwertmeister weniger körperlich
als vielmehr in seinem Inneren berührte.
Für die Dauer mehrerer Sekunden tanzte die winzige Flamme auf Frosts
Handfläche fröhlich hin und her, bevor sie zu verblassen begann
und schließlich vollends verglühte. Der Zauber von vorhin
wiederholte sich, als Frost behutsam mit der Hand über die miniaturisierte
Landschaft strich. Lautlos formte sich das magische Abbild Gorthars
von neuem und verharrte knapp über dem Original. Die Geschichte
des Landes spielte sich erneut vor den Augen der beiden Betrachter ab,
abermals wurden sie Zeuge der Landschaftsveränderungen der vergangenen
Jahrhunderte. Die üppigen Waldgebiete verkamen mehr und mehr zu
kleineren Waldinseln, mehr und mehr Dörfer entstanden inmitten
der weiten Ebenen.
Doch im Gegensatz zu Kain zog Frost seine Hand nicht zurück. Er
glaubte leichten Widerstand zu spüren, als ob seine Finger von
starken Wellen umspült werden würden. Vorsichtig drehte er
die Hand, bewegte leicht die Finger um den unsichtbaren Widerstand nach
Veränderungen abzutasten. Der einzige Effekt bestand darin, dass
die in der magischen Darstellung verstreichende Zeit schneller ablief.
Offensichtlich ließ sich die Geschwindigkeit der ablaufenden Ereignisse
tatsächlich steuern. Seiner Vermutung folgend, drehte er seine
Hand in die entgegengesetzte Richtung. Und stellte befriedigt fest,
dass der gewünschte Effekt eintrat : In Zeitlupe bildete sich eine
neue Mauer um die Hauptstadt des Reiches, einige der Dörfer wurden
von der Landschaft getilgt, entstanden jedoch dafür kurz darauf
an anderer Stelle von neuem.
"Achtet auf den Göttersitz!"
Gespannt wartete der Waffenmeister ab, was passieren würde. Schon
nach wenigen Sekunden konnte er mit beobachten, wie sich die Spitze
des Berges leicht krümmte, sich zunehmend verbreiterte, das ohnehin
schon gewaltige Plateau weiter an Größe zunahm, sich wie
eine bedrohliche Welle über die blühende Stadt am Fuße
des Berges reckte. Schnee sammelte sich in der Senke unter dem mächtigen
Felsplateau, rann eisigen Wasserfällen gleich am steinigen Körper
des Göttersitzes herab, um mit der Gewalt einer gigantischen Flutwelle
die Stadt zu überschwemmen. Häuser zerbarsten unter dem Aufprall
der Schneemassen oder wurden schlichtweg mitgerissen, die kristallenen
Kuppeln und breiten Straßen wurden von einer erdrückenden
Masse aus purem Weiß begraben. Ungebremst rasten die Eismassen
weiter durch das Tal, bis sie an seinem Ende die Kräfte verließen
und sie zum Erliegen kamen. Dort, wo wenige Sekunden zuvor noch eine
stolze Großstadt befunden hatte, ruhte nun ein riesiger, weißer
Körper aus Eis, von der Metropole war nichts mehr zu sehen.
Während Frost auf den gerade geborenen Gletscher starrte, bemerkte
er eine Bewegung in seinem Augenwinkel. Der mitten im Gebirge stehende
Turm erzitterte wie unter dem Schlag eines Riesen, eine Lawine aus Fels
und Geröll donnerte die Berghänge zu seinen Flanken herab.
Dann begann der Turm in dem Berg zu versinken, als ob er statt auf massivem
Granit auf Treibsand gebaut worden wäre. Schon nach wenigen Augenblicken
war von dem Bauwerk nichts mehr zu sehen, nur die Lawinenabgänge
zeugten davon, dass es sich nicht um eine Einbildung gehandelt hatte.
"Dieses Land bietet mehr Geheimnisse, als ich zuerst angenommen
hatte", murmelte der Krieger, während er nach einer möglichen
Erklärung für die Ereignisse suchte.
Schließlich schüttelte er hilflos den Kopf. Was in aller
Welt besaß eine derartig große Macht, um ganze Berge wachsen
zu lassen, ganze Städte mir nichts dir nichts unter Tonnen von
Schnee und Eis zu begraben und Türme im Erdbogen versinken zu lassen?
Allein die Götter mochten über eine solche Macht verfügen...
Auf der Suche nach Antworten fiel Frosts Blick auf eine breite Steintafel,
die hinter dem Modell in der Wand eingelassen war. Neugierig näherte
sich der Krieger der Tafel und versuchte die Schriftzeichen zu entziffern.
Der Schriftsatz schien sich immer weiter zu verändern. Die anfangs
noch eckig wirkenden Lettern wurden bald von deutlich geschwungener
erscheinenden ersetzt, diese wiederum von einer grotesk verschnörkelten
verdrängt. Als der Schwertmeister am Ende der Tafel angelangte,
stutzte er.
"Diese Schriftzeichen scheinen nordischen Ursprungs zu sein. Allerdings
wirken sie ziemlich antiquiert."
Begeistert von dem Fund, strichen Frosts Finger über die Schriftzeichen,
während er sie zu übersetzen versuchte.
"Wenn die Zeiten sind verstrichen,
Und der Dämonen wiederkehrender Kampf das Land berührt,
Der Göttersitz vom Sturm gebeutelt,
Und Egora von drei Feuern verzehret wird.
So wird alter Glanz neu erstrahlen,
Zurückkehren vergangener Tage Stolz,
Sowie Legenden wieder wandeln auf der Erde,
Die einst geworden ihr dunkles Grab.
Doch wenn die Zeit gekommen,
Werden Tränen die Ebenen tränken,
Schatten wandeln in der Nacht,
Was einst jung wird alt,
Was einst alt, das wird jung,
Nichts wird sein wie es einst war,
Wenn der Finger wieder ragt,
In den Himmel über Egoras Land."
Frosts Zeigefinger kratzte durch seinen Bart unter dem Kinn, als er
abermals die Sätze durchging und nach Fehlern in seiner Übersetzung
suchte.
"Klingt wie eine Prophezeiung", meinte er schließlich.
"Und nicht sonderlich erstrebenswert."
Erzengel
"ch
finde es höchst interessant", meinte der Novize und trat näher
an die Steintafel heran, "faszinierend... Egoras... ist euch der
Name ein Begriff? Prophezeiungen benötigen lange Zeit um eine vernünftige
Interpretation vorlegen zu können, wie ihr sicher wisst... Egorans
Land... Meint ihr es bezieht sich auf Egoran den Großen? Obwohl...
wohl eher nicht... Womöglich hieß diese Stadt auch Egoran...
Drei Feuer, ich nehme nicht an das sich das auf den Kreis der Drei bezieht,
doch bezweifle ich das Innos allein dahintersteckt, es passt nicht zu
ihm, schließen wir die Götter aus... Plagen... Seuchen...
Drei vernichtende Plagen... um genaueres sagen können müsste
ich wisse, ob Egoran nun ein Mensch, Dämon oder gar etwas vollkommen
anderes war... vielleicht sollte ich lieber sagen ist, man weiß
ja nie, wie lange diese alten Säcke leben... Doch ist es schlecht
möglich einen genaueren Zeitpunkt zu bestimmen, denke ich, ob dieser
Dämon überhaupt das erste Ereignis sein soll, kann man schließlich
auch nicht genau sagen, vielleicht gibt es ja noch weitere Tafeln...
Legenden wandeln..." Unfreiwilligerweise wurde Kain selbst aus
seinem freien Gebrabbel gerissen, Legenden wandeln, vielleicht ein Hinweis
auf die Götterkriege, doch diese Vermutung war nun doch etwas weit
hergeholt.
"Vielleicht ist das ganze schon gelaufen und das hier ist eine
Art Archiv, wer weiß, immerhin zeigt diese Projektion auch die
Vergangenheit. Erneut wurde Kain von sich selbst unterbrochen, er hatte
sich auch in einer Illusion der Vergangenheit geglaubt, doch er war
in der wirklichen Vergangenheit gelandet. Spätestens zu diesem
Zeitpunkt glaubte er der widersprüchlichen Theorie, Zeit ist relativ.
Die vierte Dimension und damit leicht zu ändern, wenn man nur wusste
wie, wenn man der Magie offen gegenüberstand, sie formen konnte...
Nun glitt Kain völlig vom Thema ab und zog sich in seine eigene
Welt zurück.
In Gedanken versunken bemerkte der Hohe Novize nicht, das sein Lehrmeister
wohl alleine weitergezogen war. Erst nach einigen Stunden konnte er
sich aus seinem Tagtraum herausreißen, nervös schaute er
sich nun nach dem Waffenmeister um.
"Frost?" Keine Antwort. Verwirrt wollte Kain die Kammer verlassen,
er ging auf das große, reich verzierte Holztor zu und stieß
es mit aller Kraft auf. Der Wiederstand war wesentlich schwächer
als erwartet, Kain schleuderte das Tor auf und wäre dabei fast
selbst gestolpert, wenn das Training der letzten Tage nicht gewesen
wäre, ein durchaus schmerzhafter Ausfallschritt fing ihn ab.
Als sich der Novize nun umsah, bemerkte er wie ein dichter Nebel den
Blick auf den Fußboden verhinderte, immer höher stieg der
stinkende Rauch, bis er den Diener des Schläfers vollends umhüllte.
Finsternis empfing Kain, ein dunkles Licht, eiskalter Steinboden von
Blut getränkt, Heerscharen von Dämonen zu allen Seiten, sich
am Leid der Sterblichen ergötzend, ihr Fleisch verzehrten und ihr
Blut tranken.
Schaf, Kuh, Schwein, Mensch, alles dasselbe für sie.
Schwarze Flammen lodern.
Ein Blitz zuckt.
Der Novize öffnete die Augen und befand sich wieder in der Kammer,
immer noch vor der Tafel stehend.
Schnell schrieb der Hohe Novize den Text noch von der Tafel ab, dann
eilte er aus der Kammer heraus. In den letzten Tagen hatten sie den
Raum mehrere Male abgesucht, doch hatten sie nichts gefunden.
Zielstrebig gingen sie auf das Tageslicht zu, dich Nahrungsmittel gingen
ihnen aus. Ehe Kain sicher versah, stand er gegenüberliegendem
Ende der Schlucht, die sie einige Tage zuvor hinaufgeklettert waren.
Sein von Enttäuschung geprägter Blick schweifte von der steilen
Felswand hin zum reißenden Fluss, der weiter unten den Fels bereits
glattgeschliffen hatte.
Sie hatten einige Tore geschlossen zurücklassen müssen, doch
Kain würde wiederkommen, irgendwann.
Gegen Mittag erreichten sie Gorthar, dort angekommen stürmte der
Novize sofort in die nächst gelegene Taverne, wo er sogleich Moleratfilet
mit Bratkartoffeln und Orkblattsauce bestellte. Einige Minuten und drei
leere Rotweingläser später stand die Mahlzeit vor ihm, wieder
einige Minuten und sechs Rotweingläser später stand ein leerer
Teller vor ihm. Für Rotwein galt schließlich vor dem Essen,
nach dem Essen und dazwischen auch, vielleicht sollte sich Kain mal
eingehender mit der Önologie, der Weinwissenschaft, beschäftigen.
Ein Stein... ein kalter, harter Stein... eine Skulptur... eine Statue...
ein blauleuchtender Raum vielmehr eine Halle... ein Junge... mit zahlreichen,
kunstvollen Tätowierungen... ein Tier... ein junges Raubtier...
langer, breiter Schwanz, breite Pfoten zum Schneelaufen... ein dichtes,
dickes Fell... ein Schneeleopard. Der Junge, von dem man nur die Rückseite
sah, strömte eine gewisse Bekanntheit aus...
Ebenso ein anderer, der aus einem Kloster, nein, dem Kloster herausstürmte...
er ging in die Wälder und kam nie zurück...
"Es gibt so viele von uns, Kain..."
Heftige Kopfschmerzen plagten den Novizen nun, er hätte nicht so
viel Rotwein trinken sollen, das vertrug sich nicht mit dem Sumpfkraut
und beschwor irgendwie nur durchgeknalltere Visionen als sonst. Kain
ging zur Theke der Schenke und nahm sich ein Einzelzimmer, um erst einmal
wieder zu Kräften zu kommen. Müde ließ er sich in das
weiche Bett fallen, innerhalb weniger Minuten war er eingeschlafen.
Superluemmel
ratzend
schabte die Feder über leicht gelblich verfärbtes Pergament,
feucht schimmerte schwarze Tinte an der Spitze des Schreibgeräts.
Am Ende der Zeile angelangt hob sich die Rabenfeder ein Stück weit
in die Luft, ein Finger mit einer kurzen Narbenspur knapp unterhalb
des zweiten Glieds strich in ruhigen Bewegungen durch das glänzende
Gefieder. Eine einzige, schwarze Perle löste sich von der Federspitze
und rollte den leicht gekrümmten Kiel herab, bis er auf die nackte
Haut traf und dort einen faserigen, dunklen Fleck hinterließ.
Lautlos tauchte die Feder in das kleine Tintenfass ein und setzte wenig
später ihren Weg in geschwungenen Bahnen fort.
Doch wenn die Zeit gekommen,
Werden Tränen die Ebenen tränken,
Schatten wandeln in der Nacht,
Was einst jung wird alt,
Was einst alt, das wird jung,
Nichts wird sein wie es einst war,
Wenn der Finger wieder ragt,
In den Himmel über Egoras Land.
Abermals beendete die Feder ihre Reise, wurde dieses Mal jedoch vollends
zur Ruhe neben dem Tintenfass gelegt, nachdem sie eine zweite Hand mit
Hilfe eines kleinen Lappens von den letzten Tintenresten befreit hatte.
Frosts Gedanken trieben frei durch den Raum, als er die Fingerspitzen
aneinander legte und mit gerunzelter Stirn die vor ihm ausgebreiteten
Unterlagen betrachtete. Mysteriöse Worte, geborgen aus einem geheimnisumwobenen
Ort. Flackerndes Kerzenlicht schien die schwarzen Lettern auf dem Pergament
mit einem seltsamen Eigenleben zu erfüllen, die winzigen Falten
in dem Papier warfen wechselnde Schatten über die einzelnen Zeilen.
Die Schrift bewegte etwas in Frosts Innerem. Unmerklich, nicht weit
genug, um ihn ernsthaft zu beunruhigen. Aber dennoch stark genug, um
ihn mit einer düsteren Vorahnung zu erfüllen. Zumindest zwei
Zeilen der Prophezeiung mochten sich bereits in Realität umgesetzt
haben.
Seit einigen Wochen stellten kleinere und größere Dämonenschwärme
ein stetiges Ärgernis dar, dem die Armee nicht ohne weiteres Herr
werden konnte. Zwar handelte es sich nur um niedere Kreaturen, doch
draußen in den Dörfern reichten sie leicht aus, um Chaos
anrichten zu können. Ab und an waren sogar größere Schwärme
über die Stadt hergefallen, hatten Bürger verletzt und sogar
einige Todesopfer eingefordert.
Bei der zweiten Zeile war sich Frost nicht sicher, ob sie sich schon
erfüllt hatte. Der Göttersitz war vom Sturm gebeutelt worden,
das wusste er selbst besser als jeder andere. Doch sollte es sich dabei
wirklich um den Sturm aus der Prophezeiung gehandelt haben? Immerhin
trug er selbst etwas der Teilschuld. Sollte seine Begegnung mit Sturm
vorbestimmt gewesen sein?
Nein, das ergab keinen Sinn. Dennoch, er musste in Betracht ziehen,
dass sich auch diese Zeile bereits erfüllt hatte. Des weiteren
war von drei Feuern die Rede, die Egoras Land verzehren würden.
Es waren keine Berichte von Feuersbrünsten oder anderen verheerenden
Bränden bis zu Frost vorgedrungen. Weiterhin blieb unklar, worum
es sich bei "Egoras Land" handelte. So kam er nicht weiter.
Frosts Blick glitt zu der Karte von Gorthar, die er in dem Schluchtgewölbe
angefertigt hatte. Ein wertvoller Fund. Bisher existierte keine derartig
genaue Karte des Landes. Solange man nicht fliegen konnte, war es eine
recht verzwickte Aufgabe, eine wirklich realitätsgetreue Karte
eines Landes zu erstellen. Theoretisch könnte der Krieger mit diesem
Stück eine Menge Geld machen. Doch ihr eigentlicher Wert war ihm
wichtiger.
Egoras Land...
Vielleicht konnte eine der alten Schriften aus der Festung die fehlenden
Erkenntnis bringen...
Erzengel
n der
noch jungen Nacht war es kaum möglich zu schlafen, das grelle Licht
des Vollmonds erhellte den ganzen Raum und kein Vorhang schien dick
genug den silbernen Schein fernzuhalten. Wütend über den nicht
eintreten wollenden Schlaf verließ Kain das Bett und auch das
Zimmer, welches er sich für diese Nacht genommen hatte.
Schnell hatte er die Taverne hinter sich gelassen und war von der Hauptstraße
in eine der Nebengassen eingebogen. Dichter Nebel ließ kaum den
Dreck auf der Straße erkennen, eine junge Frau näherte sich
dem Novizen.
"Bist du nicht ein bisschen jung? Naja, wenigstens siehst du halbwegs
brauchbar aus, deswegen mach ich dir nen Sonderpreis, wie wärs
mit 200 Goldstücken."
"Oh, das ist nicht mein Begehr."
"Was willst du dann hier?", fragte die junge Frau nun, während
Kain um sie herum schlich und schließlich hinter ihren Rücken
stoppte. Ihre Lippen... sie waren so... jung... rot... blutjung...
Ein harter Stoß und die beiden Langdolche hatten die Brust der
Frau durchbohrt, er musste trinken, so lange sie noch zuckte. Sein kräftiger
Kiefer half den spitzen Zähnen, die das Fleisch ebenso leicht durchdrangen
wie die Dolche. So hart die Zähne auch waren, seine Zunge war sanft
und leckte fleißig das Blut, das aus der offenen Ader spritze.
So süß...
Schweißgebadet erwachte der Novize in dem Bett, das er zu verlassen
geglaubt hatte. Er betrachtete eifrig seine Hände und stellt zu
seinem Glück fest, das weder sie noch sonst irgendwas an ihm blutverschmiert
war, dennoch würde ihm eine Wäsche sicher gut tun. So machte
er sich auf zum nächsten Zuber, der hier irgendwo nebenan stehen
müsste... nur eines machte ihm Sorgen, einer der Dolche... fehlte...
Wie an jedem anderen morgen auch ging die Frau auf den Markt und das
nicht nur um frische Waren einzukaufen, sondern vielmehr um mit ihren
Freundinnen zu plaudern.
"...hast dus schon gehört? Heute Nacht wurde wieder eine dieser
schmutzigen Nutten überfallen."
"Geschieht ihr recht."
"Wie kannst du das nur behaupten? Ihr beide solltet euch schämen,
man soll nicht schlecht über die Toten reden."
"Wieso tot?"
"Man weiß noch nicht, wer oder was es war, ich sage ja es
war ein Dämon, man hat sie blutleer aufgefunden, ihre Haut war
ganz blass und ein Dolch steckte ihr in der Brust... zumindest hat das
die Nichte der Schwägerin Freenjas das so Tifany gesagt, deren
Mutter das wiederum Jenna erzählt hat, deren Tochter es mir vorhin
gesagt hat."
"Aber wenn ein Dolch sie getötet hatte, war es dann kein Mensch?"
"Vielleicht hatte der Dämon sich gerade seine Krallen gestutzt
und er brauchte ein Hilfsmittel."
"Witzig Orphi, aber vielleicht hat der Dämon ja menschliche
Gestalt angenommen, wer weiß?"
"Aber warum? Das ergibt doch keinen Sinn, ich sage es war ein Schwarzmagier,
wer sonst sollte mit einem Dolch morden und nachher das Blut mitnehmen?"
"Die haben doch gefährliche Magie oder nich?"
"Nicht alle, dachte ich, die Neulinge unter ihnen sicher nicht."
"Genau, so muss es gewesen sein."
"Oder die Anwendung der schwarzen Magie hätte Aufmerksamkeit
erweckt."
"Wie das denn?"
"Weiß ich nich, uns kommt ja immer dieser Magier besuchen,
es gibt wohl Möglichkeiten das festzustellen."
"Die Inquisition wäre sicher aufmerksam geworden."
"Sind die Typen etwa immer noch hier?"
"Inqui... was?"
"Weiß du denn nichts davon? Man munkelt das sich dieser Orden
von fanatischen Innosgläubigen hier rumtreibt."
"Aber... Was? Wie? Das kann doch gar nich sein."
Hinter den drei brabbelnden Frauen schlichen nun einige Wachen entlang,
direkt auf die Taverne zu, zu der die Hunde sie führten. Der Geruch
war noch frisch und brannte den wolfartigen Geschöpfen in den Nasen.
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Kain wurde
von einem Trampeln, schnell hintereinanderfolgenden dumpfen Aufschlägen,
dem Knallen von Türen und von schreienden Menschen aufweckt. Eine
Razzia, genau das, was er nun brauchte...
"...ich sagte doch, keiner meiner Gäste hat das Haus gestern."
"Aber irgendwer muss die ***** ja umgebracht haben, ist mir egal
wer war, ich brauch nur bis zum Mittag einen Sündenbock, damit
ich endlich was Essen kann."
Scheiße... hastig packte der Novize seine sieben Sachen und überprüfte
noch einmal, ob die Tür zu seinem Zimmer auch verschlossen war,
dann wagte er sich zum Fenster heraus. Auf dem Sims entlangkletternd
machte er sich auf die Suche nach dem Zimmer seines Lehrmeister, das
er schon bald gefunden hatte und nun verzweifelt am Fenster klopfte.
Superluemmel
lötzlich
wurde das Fenster von innen aufgerissen, eine behandschuhte Hand schoss
nach vorne, packte den Novizen am Kragen und zog ihn in das Zimmer.
Eilig wurden die Fensterläden wieder geschlossen, kratzend schabten
die hölzernen Ringe der Vorhangbefestigung über die Haltestange,
als der Waffenmeister die schweren Vorhänge zuzog.
"Hinter den Vorhang, in die Ecke", hauchte Frost, "Und
kein Laut."
Ein Stoß ließ seinen Schüler in Richtung Ecke stolpern,
hastig zog Frost die Vorhänge zurecht. Keine Sekunde zu früh,
schon brachten wuchtige Schläge die Zimmertür zum Erbeben.
"Aufmachen! Öffnet die Tür oder wir brechen sie auf!"
Ruhigen Schrittes ging Frost zur Tür, strich sich kurz das Haar
zurecht und verzog die Mundwinkel zu einer erbosten Grimasse, bevor
er die Hand nach dem Türknauf ausstreckte. Langsam drehte sich
der schwere Eisenschlüssel im Türschloss, schob klackend den
Riegel zurück. Einen Augenblick später wurde die Tür
aufgestoßen, ein Mann stolperte vorwärts als der erwartete
Widerstand ausblieb.
"Warum stört ihr meine Studien?", grummelte der Schwertmeister,
während sein Blick den seines Gegenübers suchte.
Hinter dem Bürger stand ein ganzer Mob auf dem Flur des Gasthauses,
die meisten hatten die Ärmel hochgekrempelt, einige hatten die
Hände auf den Dolchgriffen liegen. Frosts Augenbrauen rückten
näher zusammen, auf seiner Stirn bildeten sich tiefe Furchen, seine
Augen verengten sich leicht.
"Was soll dieser Krach?", fuhr er mit lauter werdender Stimme
fort, ohne den Leuten Gelegenheit zur Rechtfertigung zu geben.
"Seht ihr denn nicht, dass hier gearbeitet wird?", er drehte
seine Schulter leicht zur Seite und deutete auf den Berg aus Pergament
und Büchern, der den größten Teil des Schreibtisches
blockierte.
"Wir... wir... suchen einen Mörder!", platzte der Mann
auf der Türschwelle schließlich heraus, "Eine... Bürgerin
wurde diese Nacht ermordet aufgefunden und wir befürchten, dass
sich der Mörder hier irgendwo versteckt!"
"Das ist natürlich etwas anderes...", Frost strich sich
nachdenklich durch den Bart.
"Doch bin ich mir sicher, dass General Telaron mir persönlich
oder durch einen seiner Adjutanten Bescheid geben wird, falls er meine
Hilfe benötigt."
Beim Erwähnen des Generals zuckten die versammelten Männer
leicht zusammen. Unsichere Blicke wurden gewechselt.
"Wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet, meine Arbeit wartet
auf mich. Und ich wäre euch sehr verbunden, wenn ihr derartigen
Krawall in Zukunft unterlassen würdet."
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, zog Frost die Tür zu und schloss
ab. Mit einem leisen Seufzer ließ er sich in den schweren Lehnsessel
sinken und faltete die Hände im Schoß.
"Ich befürchte, ihr schuldet mir einige Erklärungen",
meinte er nach einigen Sekunden zu seinem Schüler, der mittlerweile
aus seinem Versteck getreten war.
Erzengel
"ch...
nein... ich wollte nur... ich hatte diesen Traum, ich bin aufgewacht,
vom Mondlicht, also im Traum, dann bin raus auf die Straße...
und dann... ich... da war diese Frau, sie sagte ich soll 200 Goldstücke
zahlen... und dann hab... ich... weiß nicht... es ist... so verschwommen...
ich weiß nur noch, das es so gut schmeckte... ich weiß nicht
was, ehrlich... Als ich dann wirklich aufgewacht bin... da fehlte einer
meiner beiden Langdolche... kein Blut, wir können in mein Zimmer
gehen, da ist nichts..." Blut... der Novize stockte... das war
es, was so süß geschmeckt hatte...
"Ihr dürft ihnen nichts sagen, bitte... vielleicht war es
nur eine Vision vom Mörder, den ich finden soll, so was passiert
mir öfters... und der Dolch ist bloß weg... verloren oder
was weiß ich..." Doch während er noch so verzweifelt
versuchte sich herauszureden, dachte er schon darüber nach, welcher
Dämon ihn denn als Wirt benutzt hatte oder gar immer noch benutzte.
In diesen Gewölben wimmelte er es ja vor Dämonen, es würde
ihn nicht wundern, wenn auch ein paar Parasiten dabei gewesen wären.
"Was mach ich jetzt bloß?"
Nach einer Weile kamen die Typen wieder, offenbar waren sie auf niemanden
gestoßen, sie klopften wild an der Tür und traten sie schließlich
ein, doch niemand war zu sehen und das Zimmer war zu klein, um sich
hier irgendwo zu verstecken, ein Glück, das niemand das offen stehende
Fenster richtig wahrgenommen hatte.
Kain hatte sich sofort nach dem ersten Klopfen an der Tür aus dem
Fenster verflüchtigt und war dann über ein Gitter, welches
einer Efeupflanze als halt dienen sollte, hoch auf das Dach der Taverne
gekraxelt. Der Weg nach oben war doch länger als erwartete, in
entsprechender Höhe befand er sich nun auch. Erste Erschöpfungsanzeichen
machten sich breit, Kains Ausdauer war nicht gerade die beste, woran
nicht zuletzt der ernorme Sumpfkrautkonsum schuld war. Dafür war
,wenn es beispielsweise um laufen ging, seine Kraft auf kurzen Distanzen
umso höher. Doch die Erschöpfung rührte nicht nur von
diesem Aufstieg her, vielmehr war es die Tatsache das er nun schon seit
2 Tagen nicht geschlafen, langsam raubte es ihm den Verstand. Das Gehirn
brauchte den Schlaf um Ereignisse, Erlebnisse und Informationen zu verarbeiten,
wobei letzteres für Kain durch die Nächte in der Bibliothek
des Kastells kein Problem darstellte. Ein Buch über die Chemie
war nach wenigen Stunden nicht nur durch gelesen, sondern auch verarbeitet,
verstanden und nach alphabethischer Reihenfolge in die innerliche Bibliothek
einsortiert.
Was nun? Wohin? Was war mit Frost? Während er weiterlief und von
Dach zu Dach sprang überlegte er, hoch oben über den Dächern
von Gorthar.
Kain hatte sich noch vor Morgengrauen aus der luftigen Höhe begeben
und hatte nun bei Anbruch der Dämmerung wieder festen Boden unter
den Füßen. Ein letzter Satz und die kalte Straße erreicht,
noch feucht vom Regen, der in der Nacht gefallen war, auch Kains Novizenrüstung
war nass, der Rock triefe geradezu, doch nicht vor Wasser, sondern vor
einer roten Flüssigkeit... ein Gemisch aus Nährstoffen, der
Saft des Lebens, Blut...
Kain leckte sich die letzten Tropfen Aus den Mundwinkeln, dann verschwand
die Zuge wieder im gierigen Maul des Hohen Novizen. Es waren drei...
und er sich dessen bewusst, auch jetzt... er hatte heute Nacht gerade
einmal drei Menschen von ihrem kläglichen Dasein erlöst, plus
die Nutte am gestrigen Tag und den Templer Adanos in Belzusia... Kain
hatte in seinem Leben erst 5 Menschen ermordet, das war zu wenig, viel
zu wenig, er musste Beliar doch noch mehr Opfer bringen...
Wie ein harter Schlag traf ihn der Gedanke... Was? Wer? Was tat er hier?
Wer hatte ihn dazu getrieben? War sein Glaube an den Schläfer etwa
soweit verblasst, das Beliar so in leichtes Spiel mit ihm hatte, das
seine dunkle Magie wieder so leicht Besitz von ihm ergreifen konnte?
Die Magie, die ihn dazu getrieben hatte schien eindeutig von Beliar
zu stammen, doch ein bitterer Beigeschmack war deutlich wahrzunehmen,
da mischte noch jemand anderes mit. Vielleicht hatte er doch recht gehabt,
als er im Kastell gespürt hatte, das Beliar verstanden hatte, das
er nun dem Schläfer diente und dieser jemand hatte ihn die ganze
Zeit schon beobachtet, denn so eine plötzliche Übernahme wäre
äußerst untypisch für einen Schwarzmagier, die Priester
Beliars waren meist erfahren in der Manipulation, geschickt und hinterlistig,
keinesfalls würde einer von ihnen so etwas unüberlegtes tun,
jemand musste ihn beobachtet haben, schon die ganze Zeit. Das Auge der
Finsternis war dabei ein nützliches Werkzeug, denn laut den Büchern
offenbarte es nicht nur optisches, sondern auch magisches. Aller Wahrscheinlichkeit
nach war es also ein erfahrenerer Schwarzmagier, vielleicht sogar ein
Hohepriester... oder auch einen Dämonenlord... wobei das wieder
alles umwarf, Dämonen handelten durchaus unüberlegt... aber
sie waren Beliars Willen direkt unterworfen, also wohl eher doch kein
Dämon... Wie dem auch sein, er musste erst einmal Frost finden,
seine Ausbildung so schnell wie möglich hinter sich bringen und
dann umgehend aus Gorthar verschwinden, erstens würde man früher
oder später wohl auf eine Spur treffen und zweites war er hier
weitab von der Bruderschaft viel zu ausgeliefert.
Ein dunkler Schatten löste sich aus der tiefen Umarmung der Dunkelheit
und erschien nun auch körperlich vor Kain. Ein Mensch, zumindest
war dieser Dämon früher einmal einer gewesen, denn menschliche
Züge waren sowohl in magischen Gefüge als auch physisch noch
zu erkennen. Doch hatte sich eine dichte Schuppenschicht über die
leicht verletzbare Haut gelegt, anstelle der Rippen war ein breiter
Brustpanzer anzutreffen und die Hände waren zu kräftigen Klauen
herangewachsen. Alles in allem strahlte dieser Dämon eine gewisse
Vertrautheit, wenn auch nur vom aussehen her.
"Was willst du, Dämonenmensch?"
"Ach nur deinen Tod, nichts weiter... du mordest in meinem Revier."
"Oh, höre ich da Eifersucht? Verkauf mich nicht für dumm,
ich weiß um Dämonen wie euch, ihr habt keine Reviere, ihr
habt bloß Verstecke in denen ihr euch verkriecht wenn es ungemütlich
wird."
"Glaub was du willst, Mensch." Während er den Satz aussprach
wackelte er verdächtig mit seinem beschuppten Schwanz.
"Seid froh, das ihr mich überrascht habt, sonst wärt
ihr nun schon Tod, zuerst dachte ich, ihr seid Ahram, doch er würde
niemals zu solch einer niederen Kreatur verkommen."
"Schweig, Verräter!"
"Erst, wenn du mir sagst, wer dich geschickt hat!"
"Dies ist meine Stadt, verschwinde."
"Wie dem auch sei, ich habe keine Lust auf Spielchen, lassen wir
die Waffen sprechen." Ausgerechnet Kain forderte den Dämon
heraus und der war offenbar erfolgreich eingeschüchtert.
Schnell änderte sich Kains Meinung, als der Dämonenmensch
seine Krallen wetzte. Auch Kain nahm nun eine weitaus lockerere Haltung
an, welche für den Kampf weitaus besser geeignet war.
Mit wilden Kampfgeschrei rannte der Dämon auf den Novizen zu, Kains
Reflexe reagierten zu seinem Glück rechtzeitig und ließen
ihn zur Seite ausweichen, durch die verbleibende Kraft wurde er zu Boden
geschleudert. Nach einem Abrollen über die linke Schulter stand
er wieder und war bereit für den nächsten Angriff. Er selbst
war über seine Agilität überrascht, das Training schien
durchaus etwas gebacht zu haben.
Superluemmel
in Huschen
auf dem an einer Mauer angrenzenden, tiefliegenden Dach, das kaum hörbare
Knirschen zermalmter Kiesel, dann zwei Mal kurz hintereinander das Auftreten
schwerer Stiefel auf hölzernem Untergrund.
Wind verfing sich flatternd unter dem dunklen Stoff eines weiten Umhangs,
behandschuhte Hände fanden festen Halt auf dem Mauersims, stützten
den schwarzgepanzerten Körper jedoch nur für den Bruchteil
eines Augenblicks, bevor er sich vollends über die Mauer schwang.
Der Schwung der Bewegung trug ihn weit in den Innenhof und über
Kain hinweg, direkt auf den mysteriösen Angreifer zu.
Frosts Beine klappten in einer sichelartigen Bewegung auseinander, fahles
Mondlicht ließ das schwarze Wurmleder matt schimmern. Eine blitzschnelle
Körperdrehung, die ledernen Kampfstiefel kamen hoch - Und hämmerten
in schneller Abfolge zweimal gegen die geschuppte Brust des Dämons.
Noch während die Höllenkreatur keuchend rückwärts
taumelte, setzte Frost auf dem Kies auf, ging weit in die Knie um den
Sturz abzufedern.
Flappend glitt der Umhang zur Seite, Frosts Finger fanden den Griff
des Eisbrechers, schlossen sich fest um den lederumwickelten Stahl und
rissen die Waffe ins Freie. Kalter Stahl blitzte im blassen Licht des
Mondes, sirrend verließ das Schwert seine Ruhestätte und
richtete sich drohend wie ein Speer auf das Antlitz des dämonischen
Feindes.
"Hat mich mein Gefühl also doch nicht getäuscht",
stellte der Krieger nüchtern fest.
Aus kalt funkelnden Augen musterte er seinen Gegner. Ein Erinnerung
flammte vor seinem inneren Auge auf. Er hatte schon zuvor einer derartigen
Kreatur gegenüber gestanden. Der Dämonenmensch.
Ahram.
Nein, es war nicht der ehemalige Magier, der durch eine fehlgeschlagene
Beschwörung zu einem dämonischen Dasein verdammt wurde. Dieser
Kreatur verfügte zwar über den selben kalten, berechnenden
Blick doch fehlte ihr der Rest an Menschlichkeit, der Ahram zu dem gemacht
hatte, was er gewesen war.
Zu einem Wesen mit Gefühlen. Zu einem Menschen. Einen Freund.
"Ihr habt euch den falschen Platz zum Jagen ausgesucht, Dämon",
meinte Frost mit kühler Stimme, während er sich langsam aufrichtete.
Trotz seiner äußeren Ruhe war jeder Faser seines Körpers
bis zum Zerreißen gespannt, konnte sein ungleicher Gegner jederzeit
angreifen. Frost wusste, welche Kraft in den scharfen Krallen lag.
"Ihr wollt diesen Jungen? Nun, da werdet ihr wohl verzichten müssen.
Zufälligerweise handelt es sich bei ihm um meinen Schüler."
Der Eisbrecher blitzte kurz auf, als Frost die Schulter senkte und das
Schwert herausfordernd auf den Dämon richtete.
"Gestatten : Frost. Meines Zeichens Lehrmeister und gelegentlich
auch Dämonenjäger. Da ich derzeit wichtigeres zu tun habe,
als mich mit euresgleichen abzugeben, gewähre ich euch eine einzige
Gelegenheit, euren schuppigen Hintern aus der Stadt zu bewegen und sich
in der nächsten Felsspalte zu verkriechen. Anderenfalls... nun,
meine Klinge wird etwas Dämonenblut sicherlich nicht abgeneigt
sein."
Erzengel
"hr
wagt es?", zischte der Dämon, während er die mystische
Klinge fixierte, sie allein konnte jetzt seinen Panzern durchbrechen,
die lächerlichen Dolche des früheren Schwarzmagiers wären
keinesfalls ausreichend, doch diese Schneide barg eine ernorme Energie
in sich. Zweifelsohne führte der Weg zu dem Novizen auch an dem
Schwertmeister vorbei. Der Dämon schnellte nach vorn und täuschte
einen Linken Kinnhaken vor, während er mit dem rechten Arm deckte,
hoffentlich hatte das den Waffenmeister überrascht, er brauchte
nur einen Augenblick um den Novizen in den Tod zu stürzen. Nachdem
er an Frost vorbeigezogen war, steuerte er nun auf Kain zu. Ein Tritt
gegen das Knie sollte die stramme Haltung des Novizen zum Einsturz bringen,
doch Kain nutze geschickt die Spannung, die das Bein des Dämonen
steif machte und Sprang so über den Dämonenmenschen hinweg.
In der Luft vollführte einen grandiosen Salto, doch umso schlechter
wurde die Landung, der Aufprall war hart und nicht richtig mit den Beinen
abgefedert und ein blitzartiger Schmerz zuckte durch seinen Körper,
dennoch stand der Hohe Novize auf den Füßen.
Superluemmel
Leise
singend zuckte der Eisbrecher nach vorne, wurde urplötzlich aus
seiner geraden Stichbahn gerissen und verwandelte sich in einen langgezogenen,
silbrigen Schemen, als der Dämon zurücksprang, seine Klauen
in das brüchige Mauerwerk vergrub und katzengleich an der Hauswand
empor kletterte.
Feiner Staub rieselte zu Boden, der Dämonenmensch drückte
sich von der Mauer weg, rollte sich in der Luft über die Schulter
ab und über Frosts Rücken hinweg und trat gleichzeitig zu.
Scharfe Krallen stocherten nach dem Gesicht des Waffenmeisters, kaltes
Mondlicht brach sich auf nachtschwarzem Horn. Flammen schienen an Frosts
Hals zu umschlingen, als er geistesgegenwärtig den Kopf zur Seite
drehte, sich im selben Moment zur Seite abduckte und die Krallen statt
sein Gesicht nur Haut zerfetzten.
Zeitgleich wirbelte der Krieger herum, packte mit der freien Hand das
Bein des Dämons und brachte ihn mit einem harten Ruck aus dem Gleichgewicht.
Sein Gegner fing den Sturz mit einer eleganten Rolle ab und kam in einer
fließenden Bewegung wieder auf die Beine. Die klauenbewehrten
Hände zuckten abermals nach oben, um kurz darauf wie die Mandibeln
eines hungrigen Insekts zuzuschnappen.
"Kain, zur Seite!"
Steinsplitter spritzten durch die Luft und regneten prasselnd auf den
Kies, als der Dämon Frosts Schüler um Haaresbreite verfehlte,
mit den Klauen eine weitere Bresche in das Mauerwerk schlug und herumfuhr,
um dem Novizen ein weiteres Mal nachzusetzen - Und mitten in der Bewegung
zu erstarren.
Eine einzelne Perle aus schwarzem Blut suchte sich ihren Weg die lange,
im Mondlicht schillernde Stahlbahn von Frosts Klinge herab. Kurz darauf
quoll ein breiter Strom aus der Wunde in der schwarzgeschuppten Brust
der Höllenkreatur, tropfte wie dunkler Regen auf das graue Kiesbett
des Innenhofes.
Wie eine unnatürliche Verlängerung von Frosts Arm hatte sich
der Eisbrecher tief in den Leib des unheimlichen Wesens gegraben - Knapp
oberhalb der Stelle, an der sich bei einem Menschen das Herz befunden
hätte.
Ein leises Kratzen war zu hören, als der Dämon erschauderte
und die in seinem Rücken ausgetretene Schwertspitze über die
grob verputzte Mauer schabte. Frost rührte sich keinen Millimeter.
Er stand noch immer starr wie eine Salzsäule fast anderthalb Schritt
von dem Dämon entfernt und musterte die aufgespießte Kreatur
mit emotionslosem Blick.
"Wer hat euch gerufen, Dämon? Und warum ist euch mein Schüler
so wichtig?"
Erzengel
"ummer
Narr, du wirst mich sowie so töten." Dann spürte das
dunkle Wesen wie sich die Klinge in ihm drehte, er würde sicher
noch eine Weile leben und Folterung erleiden.
"Mein Herr... verzeiht mir... mein Herr... er ist besessen von
dem Glauben an diesen Menschen und umgekehrt ist der Mensch von meinem
Herren besessen, blind folgt er seinen Befehlen, ich wollte damit Schluss
machen und den Jungen töten, doch nicht nur... " Schmerzlich
hustete der Dämon auf.
"...die zweite Phase der... Konstellation, sie darf unter keinen
Umständen erreicht werden. Nur im Augenblick der Finsternis kann
der Junge den Meister des Banns vernichten... und wenn der Bann erst
gebrochen ist... dann... ... ..."
"Rede du Scheißvieh!", brüllte Kain dazwischen,
doch der Dämonenmensch reagierte nicht, er war tot. Wütend
trat der Novize nun in den toten Leib, der sich schon bald vollends
durch die schwarze Flüssigkeit selbst zersetzt hatte. Dieser Dämon,
was er gebrabbelt hatte, erinnerte ihn an Shivas Geschwafel, nun Kain
wandte sich dem Waffenmeister zu.
"Was nun?" Frost Antwort lag in seinen Fäusten, die er
nun in Richtung seines Schülers vorstoßen lies. Der Hohe
Novize rettete sich mit einem Sprung rückwärts, doch der Schwertmeister
ließ sich nicht verwirren und folgte seinem jungen Schüler,
welcher nun den Waffen seines Lehrmeisters auswich, indem er sich seitlich
überschlug und nun der rechten Seite des Schwertmeisters landete.
Sofort setzte er zu einem Tritt in die Kniekehle Frosts an, doch noch
in der Luft wurde der Fuß abgefangen und nach oben geschleudert,
Kain nutze den Schwung und zog das andere Bein nach, er traf nicht,
war ja auch nicht anders zu erwarten, außerdem war da noch dieser
schmerzhaft Aufprall, denn durch den nicht erfolgten Treffer kam er
schneller am Boden als erwartete. So landete er mit schmerzverzerrtem
Gesicht auf seinen Rippen, Blut sickerte in den Kies, wie durch ein
Wunder blieben ausgerechnet die ungeschützten Knie heil, ganz im
Gegensatz zu seiner Nase, aus der nun langsam eine rote Flüssigkeit
lief. Es sah eigentlich aus wie Blut, doch es war wesentlich dunkler,
als es sein sollte.
Der Novize blieb nicht lange überrascht, das der Waffenmeister
seine Angriffe nun einstellte, so robbte er hastig zur schwarzen Lache
auf dem Boden, die zuvor noch ein Dämonenmensch war. Gierig leckte
er die Flüssigkeit von Boden, ohne von zerfressen zu werden, saugte
er sie auf.
Er spürte deutlich, wie das Dämonensekret durch seine Adern
schoss, wie es ihn überkam, und ihm immer hingebungsvoller werden
lies. Die Blutungen des Körpers waren gestillt und der Schmerz
im Oberkörper war verklungen, es spürte deutlich, wie sich
seine Muskeln anspannten und die schwarze Flüssigkeit in sich aufnahmen
und davon gestärkt worden, wie auch er gestärkt wurde.
"Dann auf ein neues."
Superluemmel
hr seid
nicht Herr eurer Sinne."
Mit dumpfen Aufschlag blockte Frost einen weiteren Tritt Kains mit dem
gepanzerten Unterarm ab, vertrieb mit einem schnellen Schlag vor die
Brust seines Schülers den pochenden Schmerz, der sich langsam in
seinem Arm auszubreiten drohte und wirbelte herum, um dem Novizen seinen
eigenen Stiefel gegen die Schläfe zu hämmern.
Jedoch ging der Angriff ins Leere, als sich Kain in einer geschmeidigen
Rolle zur Seite rettete. Im selben Moment in dem Kain zum Gegenangriff
übergehen wollte, spürte Frost wieder festen Kies unter seinem
Fuß, setzte zu einer weiteren Körperdrehung an und schwang
das zweite Bein nach. Zangengleich legten sich seine Schienbeine um
den Hals des Novizen, Frosts Linke fand Halt auf dem steinigen Untergrund,
ein Ruck zur Seite brachte Kain aus dem Gleichgewicht und ließ
ihn zu Boden gehen.
Frost selbst kippte nach vorne über seine Stützhand, fing
sich in einem Radschlag und kam zeitgleich wieder auf die Beine. Augenblicklich
fuhr er herum, bereit sich einem weiteren Angriff entgegenzustellen.
"Kämpft dagegen an. Er versucht euch zu benutzen, euch die
Kontrolle über euren Körper zu entreißen. Kain, ihr
würdet niemals so handeln. Kämpft um euren Körper, lasst
euch nicht von diesem Biest versklaven! Ihr seid stärker, drängt
es zurück!"
Jeder Satz wurde von einem eigenen Angriff begleitet, langsam aber sicher
trieb Frost seinen Schüler in die Ecke des Hofes. Ganz nach Plan.
Zu gut wusste Frost aus eigener Erfahrung, dass Dämonen meist in
kämpferischen Auseinandersetzungen zur geistigen Kontrolle ansetzten.
Lange Jahre hatte er selbst gegen eine dieser Kreaturen gekämpft.
Einen Kampf, den er auf Dauer nur verlieren hatte können. Wäre
er nicht rechtzeitig auf die alten Schriften des Rothenberg gestoßen...
Erzengel
er Novize
ignorierte die Sätze seines Lehrmeisters, er hatte seinen Körper
schön längst der Dunkelheit überlassen, seine leere,
matten Augen waren gänzlich schwarz gefärbt, wie in alten
Zeiten, als er noch den Jüngern Beliars angehörte. Wahllos
schlug er auf den Waffenmeister ein, täuschte an und wurde zurückgeschlagen...
Dann ergriff die Klinge, die immer noch in der schwarzen, dicken Masse
steckte... eine unglaubliche Kraft schleuderte den Hohen Novizen gegen
die harte Hauswand, die zuvor der Dämon hinaufgeklettert war.
Frost kam langsam auf den bewusstlosen Kain zu und beugte sich nun unvorsichtig
über ihn. So wie die mystische Klinge ihn zuvor weggeschleudert
hatte, so stieß Kain nun eine gewaltige Kraftwelle aus und lies
so den Schwertmeister einige Meter rückwärts fliegen.
Die Kraft des Novizen lies schlagartig wieder nach, und jede Faser seines
Körper war von einem unerträglichen Schmerz erfüllt.
Anstelle der dunkeln Augäpfel waren nun wieder die gewohnten orange-grünen
Augen zu sehen.
"Ihr versteht das nicht, niemand versteht das... es ist die schwarze
Magie, die von mir Besitz ergreift... Ich war einmal ein Mitglied des
Zirkels um Xardas, doch als ich die Prüfung der ersten Stufe ablegen
sollte verweigerte ich mich der Magie, das sie sich zuvor meines Körpers
bemächtigt hatte... seitdem ist sie stärker geworden und sie
versucht es wieder und wieder... irgendwann schafft sie es dann... und
dann passiert so was wie eben... ich weiß auch nicht weiter, ich
dachte ich sollte den Visionen des Schläfers folgen und einem Wesen,
das mich des öfteren besuchte, doch dem ist wohl nicht so... wenn
ihr den töten wollt, der Ursache für meine... Ausbrüche
ist, dann müsst ihr einen Gott vernichten... und ich denke nicht
einmal ihr seid dazu in der Lage... ich werde noch heute zum Lager der
Bruderschaft aufbrechen, vielleicht können die Baals mir helfen..."
"Ich kann euch besser verstehen, als ihr glauben mögt",
flüsterte Frost, als er seinem Schüler half, wieder auf die
Beine zu kommen.
Kain schwankte leicht, offensichtlich hatte die kurze Auseinandersetzung
stark an seinen Kräften gezehrt.
"Ihr braucht dringend Hilfe. Und das möglichst schnell. Mit
jedem verstrichenen Tag werdet ihr schwächer werden, bis ihr irgendwann
vollends die Kontrolle verliert. Ich fürchte, ihr habt nicht mehr
viel Zeit. Die Raserei beeinträchtigt schon jetzt euer Denken,
lange wird es nicht mehr dauern und ihr seid nicht mehr als ein Gefangener
in eurem eigenem Körper, unfähig etwas gegen die Kreatur in
eurem Inneren zu unternehmen."
Frost brach ab und sog die frische Luft der Nacht in seine Lungen, während
sein Blick gen Himmel wanderte. Irgendwo in dem Meer aus glitzernden
Sternen und ewiger Schwärze hinterließ eine Sternschnuppe
ihren feurigen Schweif, bevor sie in der Nacht verschwand. Als er sich
wieder Kain zuwandte, hatte sich Sorge tief in den Blick des Schwertmeisters
gegraben.
"Es tut mir leid, aber ihr seid zu schwach um die Ausbildung fortzuführen.
Solange ihr es nicht schafft, die dunkle Magie in euch zu bändigen,
kann ich euch nicht weiter unterrichten. Ich könnte mir niemals
sicher sein, ob ihr meine Lehren nicht irgendwann dazu verwendet, unschuldige
Menschen zu töten. Kehrt zurück, sobald ihr euch selbst unter
Kontrolle habt. Bis zu diesem Zeitpunkt wünsche ich euch viel Glück,
auf dass ihr eure Erlösung findet. Und passt auf euch auf, Kain."
"...danke... für alles." Schnell drehte sich der Novize
um schlug den Weg zum Hafenbecken ein, er müsste umgehend zur Bruderschaft,
die Baals würden ihm sicher helfen können. Sofort nachdem
er den Hafen erreicht hatte schwang er sich in das nächste Boot,
welches ihn auf die khorinische Insel bringen könnte.
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